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Simon Schempp plagt sich seit längerem mit diversen Verletzungen.

© Hendrik Schmidt/dpa

Biathlon: Simon Schempp zahlt den Preis des Erfolgs

Simon Schempp muss die Saison vorzeitig beenden – und stellt die deutschen Biathleten damit vor ein Problem.

Auf den Schultern der Kollegen ging für Simon Schempp alles auf. Gerade noch hatte er seinen Abzugfinger geküsst und jubelnd Richtung Zuschauertribüne gestreckt, dann hinter der Ziellinie um Fassung gerungen, Benedikt Doll rutschte ihm bei seiner Ankunft im Massenstart direkt in die Arme. Schempp war der Mann des Tages, Weltmeister in Hochfilzen, am letzten Tag der Wettbewerbe. Und so saß er dann da oben, getragen von Doll und Peiffer, nebenan stand Erik Lesser, alle drei mit der Erleichterung im Gesicht, die Schempp am stärksten fühlte: Endlich hatte er auch mal eine WM-Medaille in einem Einzelrennen gewonnen, und dann gleich Gold. „Ich bin einfach nur happy, dass es endlich mal gereicht hat“, sagte Schempp da. Endlich.

Zwei Jahre ist das nun schon her, dass der Mann, der in Weltcuprennen immer für einen Podestplatz gut war, sich auch mal bei einer WM abseits der Staffelrennen (sieben Medaillen) in Bestform präsentierte. „So ein Rennen bleibt einem immer erhalten“, hatte Schempp mal gesagt und daran wird er sich erinnern müssen, wenn im März die Biathlon-WM in Östersund in Schweden startet: Der 30-Jährige wird nicht dabei sein, unter der Woche hatte er sein Saison-Aus verkündet. Bis zuletzt habe er gehofft, „dass sich doch noch alles zum Guten wendet“, schrieb er auf Instagram. Es ist die Einsicht, dass es Zeit ist, den Reset-Knopf zu drücken. Der Körper mag keine Rücksicht mehr nehmen auf Saisonhöhepunkte.

Lange war Schempp derjenige, der der Weltcupspitze von den Deutschen am nächsten kam: Vor der WM 2015 hätte er sogar die Weltcup-Führung erobern können, als erster Deutscher seit Michael Greis 2008. Am Ende wurde er Vierter im Gesamtweltcup, in der Folgesaison ebenfalls, 2017 landete er hinter Arnd Peiffer auf Rang fünf. Nach seiner Gold-Medaille in Hochfilzen hatte das ganze Team zusammen gefeiert. „Das hat mich sehr berührt. Das war ein tolles Gefühl, dass sich jeder für mich mitgefreut hat“, sagte Schempp ein paar Monate später zu Beginn der Olympia-Saison und man merkte ihm an, dass er Energie aus dieser Goldmedaille ziehen konnte, „das werde ich definitiv nie vergessen.“

14 Zentimeter fehlten zu Gold

Doch die neue Kraft war kaum auf die Strecke zu übertragen, immer wieder plagten ihn muskuläre Probleme im Rücken, die ins Bein ausstrahlten. Am letzten Weltcup-Standort vor Olympia habe er „eine Viertelstunde gebraucht bis zum Umziehen“, so unbeweglich war der Körper aufgrund verhärteter Muskelstränge. „Das war sehr zehrend, überhaupt nicht leicht für den Kopf“, sagte Schempp, „da kann man sich nicht mehr aufs Wesentliche konzentrieren, und Olympia rückt immer näher.“ Immer wieder musste er abwägen, ob er sich behandeln lässt, trainiert oder Wettkämpfe mitläuft. Letztendlich hat die Kraft für die Spiele noch gereicht, im spannendsten Rennen gewann Schempp Silber: Im Fotofinish mit Frankreichs Martin Fourcade fehlten ihm im Massenstart 14 Zentimeter zu Gold. Wie groß die Füße sind, wurde Schempp danach gefragt, er antwortete spontan: „Zwei Nummern zu klein.“

Schempp war gelöst, doch die Medaille hatte ihren Preis. „Im Endeffekt bin ich durch meine großen Rückenprobleme schon im vergangenen Jahr fast die ganze Wettkampfsaison auf Reservetank gefahren“, sagte Schempp nun, „auch wenn es bei Olympia glücklicherweise doch noch gut funktioniert hat, war es danach wieder katastrophal.“ Eine Schulter-Operation nach einem Fahrradsturz im Mai kam noch hinzu. Nach dem Training sei er nur noch damit beschäftigt gewesen, „meine Verletzungen in den Griff zu bekommen. Das geht eine Zeit lang, aber leider nicht auf Dauer.“

Zwei Plätze unter den ersten zehn hatte der 30-Jährige in diesem Winter geschafft, konnte aber zuletzt aufgrund der Schmerzen nicht mehr mitmischen. In Sprint-Olympiasieger Peiffer, Sprint- Weltmeister Benedikt Doll und Erik Lesser, Verfolgungs-Weltmeister 2015, hat Bundestrainer Mark Kirchner noch immer eine gute Truppe beisammen, aber bei der Besetzung der Staffel ist jetzt Grübelei angesagt. Seit Jahren war das Quartett um Schempp gesetzt, gewann auch bei Olympia Bronze – wer den frei gewordenen Platz einnehmen kann, ist offen. Und so tritt auch die Frage zutage, wer da eigentlich nachkommt an jungen Biathleten bei den Deutschen.

Ein Platz ist jetzt frei

Die großen Vier haben in den letzten Jahren keinen spürbaren Druck von unten bekommen. Die WM-Qualifikation geschafft haben in diesem Jahr auch Johannes Kühn und Roman Rees, Philipp Nawrath wird mit halber Norm wohl den sechsten Startplatz im WM-Kader einnehmen. Kühn und Rees schafften es schon aufs Podest in dieser Saison, müssen aber erst noch Konstanz und Wettkampfhärte unter Beweis stellen, auf die es bei einer WM ankommt. Immerhin, so kann man das auch sehen: Ein Platz ist dafür jetzt frei geworden.

Saskia Aleythe

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