zum Hauptinhalt
Kolumnenseite – Besser wissen

© PR

„Besser wissen“: 30 Durchbrüche in 30 Tagen

Deutschlands Wissenschafts-PR feierte vergangenen Monat fast jeden Tag eine Sensation. Dabei kommt Forschung nur in kleinen Schritten voran.

Eine Kolumne von Holger Wormer

Wer (vermeintliche) Sensationen liebt, liest am besten eine Boulevardzeitung. Aber die bekommt inzwischen unerwartete Konkurrenz – aus deutschen Forschungseinrichtungen. Immerhin berichteten diese fast an jedem Oktobertag über vergangene, neue oder gar geplante wissenschaftliche „Durchbrüche“.

Das wahre Feuerwerk aus vermeintlichen Fällen von „Rocket Science“, das allein im vergangenen Monat über den Pressemitteilungsdienst „Informationsdienst Wissenschaft“ (idw) abgeschossen wurde, verdient eine beispielhafte Betrachtung: So hört man von „technologischen Durchbrüchen“ Regensburger Reibungsforschern und einer „bahnbrechenden Studie“, die sich mit einer „Herausforderung eingehend befasst“ hat.

Von „technischen Durchbrüchen“ ist auch an einem Sonderforschungsbereich an der Universität Kiel die Rede – von dem man in eindrücklicher Metaphorik weiter erfährt, dass „eine „großangelegte Genomanalyse das Fenster aufgestoßen“ hat zu Fortschritten in der Mikrobiomforschung.

Einen „Überblick über grundlegende Durchbrüche im Bereich der ‚Lebenden Technologien‘“ verspricht man in Chemnitz. Anderen Mitteilungen lässt sich entnehmen, dass eine Stiftung aus Jena „Freiräume für wissenschaftliche Durchbrüche“ schaffen will, während wieder andere dieser Tage in Berlin die allergrößten Durchbrüche würdigen möchten. Vielleicht freut man sich darüber ja eines Tages in Karlsruhe, denn dort erhoffen sie sich einen „Durchbruch in der Physik, der unser Verständnis der Wirklichkeit grundlegend beeinflussen würde“.

Ganz grundlegend beeinflussen sollte man aber wohl auch einmal das Verständnis der Wirklichkeit in der Wissenschafts-PR. Anders als die vielen Durchbruchsmeldungen suggerieren, findet Wissenschaft in kleinen Schritten statt. Wer darüber ständig ein Feuerwerk abbrennt, weckt Erwartungen, die sich kaum erfüllen lassen – und vernebelt den Blick für jene Fälle, die das Wort „Durchbruch“ tatsächlich verdienen.

Holger Wormer ist Professor für Wissenschaftsjournalismus an der TU Dortmund und einer der Leiter des Rhine Ruhr Center for Science Communication Research (RRC).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false