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Mitarbeiter der Umweltbetriebe montierten Ende Juni auf Anordnung der Bürgermeisterin eine Ehrenplakette für Christian Peter Beuth von dessen Geburtshaus in Kleve ab.

© Astrid Hoyer-Holderberg/NRZ

Debatte um antisemitische Namensgeber: Mehr als ein politisches Reinigungsritual

Antisemitische Namensgeber wie Christian Peter Beuth: Im Umbenennungs-Streit sollten Hochschulen eine besondere Stellung haben. Ein Gastbeitrag.

Deutschland hat eine neue Umbenennungsdebatte – und Berlin ist mittendrin. Die Beuth Hochschule für Technik diskutiert über ihren Namensgeber, den preußischen Ministerialbeamten Christian Peter Beuth (1781–1853). Beuth hat nicht nur antisemitische Reden geschwungen, sondern auch die Einschränkung der politischen Rechte der preußischen Juden aktiv befördert. Seit dem 1. Juni dieses Jahres schon heißt die Universität Greifswald nicht mehr nach dem nationalistischen und antisemitischen Schriftsteller und Politiker Ernst Moritz Arndt (1769–1860).

Und in Berlin plant das Bezirksamt Mitte derzeit die Umbenennungen von Straßen im sogenannten Afrikanischen Viertel im Wedding, die teilweise nach Aktivisten des deutschen Kolonialismus wie Adolf Lüderitz (1834–1886) oder Gustav Nachtigal (1834–1885) benannt sind.

Gegner der Umbenennungen vermuten ein Diktat der "Political Correctness"

Kritiker vermuten hinter solchen Bemühungen die Herrschaft einer sogenannten „Political Correctness“ und lehnen sie daher ab. Andere wenden ein, dass mit jedem Namenswechsel auch die kritische Auseinandersetzung mit der jeweiligen Person und damit, wofür sie stand, unmöglich werde. Die Befürworter verweisen hingegen darauf, dass solche Namen nicht mehr zeitgemäß seien, weil man die damit verbundenen Haltungen nur ablehnen könne.

Politische Ordnungen schaffen sich eine symbolische Unterfütterung. Mit jedem Regimewechsel verändern sich, wenig überraschend, diese politischen Symbole. Manche Namen von Personen, Einrichtungen oder Orten werden wichtiger, als sie es in dem vorangegangenen System waren. Von anderen möchte plötzlich niemand mehr etwas wissen.

In der wechselvollen deutschen Geschichte gab es häufiger Bemühungen, den öffentlichen Raum anders zu benennen. Bereits kurz nach dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft im Januar 1933 forderte das Reichsinnenministerium per Verordnung, dass in jeder deutschen Stadt die zentrale Straße oder der wichtigste Platz nach dem Reichskanzler und Führer Adolf Hitler zu benennen sei. Horst-Wessel-Straßen entstanden ebenfalls an vielen Orten, während Straßen, welche die Namen bekannter Juden trugen, umbenannt wurden.

Aus der Wilhelm-Pieck- wurde schlicht die Torstraße

Nach 1945 wurden solche Umbenennungen häufig wieder rückgängig gemacht. Im Westen kamen Straßennamen, die an die demokratische Tradition Deutschlands erinnerten, wieder in Mode, so konnte aus mancher Hitler- eine Ebertallee werden. Mit dem Ende der DDR, die ebenfalls eine breit angelegte Namenspolitik betrieben und nicht nur NS-Namen, sondern auch Benennungen nach Persönlichkeiten aus dem Kaiserreich beseitigt hatte, kam es erneut zu einer Umbenennungswelle. In Berlin wurde aus der Wilhelm-Pieck- schlicht die Torstraße, die ehemalige U-Bahn-Station Walter-Ulbricht-Stadion trägt heute den Namen Schwarzkopffstraße.

Sind solche Umbenennungen also nichts anderes als politische Reinigungsrituale, mit denen man die Zukunft von den Anmaßungen der Vergangenheit säubern möchte? Mal abgesehen davon, dass eine solche Sichtweise demokratisch legitimierte Umbenennung mit den geschichtspolitischen Maßnahmen von Diktaturen gleichsetzen würde, missachtet dies die konkreten Kontexte solcher Namensdiskussionen.

Es macht einen Unterschied, ob man einen Platz, eine Straße oder eine Schule, eine Universität anders nennen möchte. An Bildungseinrichtungen möchte man neben Wissen stets auch Haltungen, Überzeugungen und Wertvorstellungen vermitteln, die mit bestimmten Namensgebern möglicherweise schwer zu vereinbaren sind. Auch will man, dass sich die Studenten und Studentinnen verschiedenster Herkunft eingeladen fühlen, dort ihre Ausbildung fortzusetzen.

Beuth verhinderte qua Amt die Gleichstellung von Juden

Es gilt also in jedem Einzelfall zu klären, welche Argumente es für oder gegen einen Namensgeber gibt, und dann eine abgewogene Entscheidung zu treffen. Im Fall Beuth kommt zu der bloßen Äußerung antisemitischer Ansichten auch sein politisches Handeln, mit dem er als regierungsamtlicher Gutachter maßgeblich die rechtliche Besserstellung vieler preußischer Juden verhinderte, was er auch mit seinen antisemitischen Vorurteilen begründete. An solchen historischen Fakten kommt eine Institution, noch dazu eine Bildungseinrichtung, nicht leicht vorbei.

Gleichwohl ist es sinnvoll, einen aufgeklärten Umgang mit geschichtlichen Personen und Einrichtungen einzufordern. Ein Straßenname kann auch dazu genutzt werden, an problematische Aspekte der deutschen Geschichte zu erinnern – an sich ein lobenswertes Unterfangen. Jeder Wunsch nach Umbenennung muss sich damit auseinandersetzen.

In der Gegenwart mobilisiert offenkundig kein anderer Vorwurf als der des Antisemitismus so viele Bürger und Bürgerinnen für eine Umbenennung. Wenn man in der gegenwärtigen Richtung fortfahren würde, welche Einrichtungen, Orte und Straßen müssten dann noch einen neuen Namen erhalten? Der Kunsthistoriker und Museumsexperte Wilhelm von Bode (1845–1929) war ebenfalls ein Antisemit; trotzdem trägt eines der bedeutendsten Museen Berlins seinen Namen. In Berlin wird seit Jahren über die Steglitzer Treitschkestraße diskutiert, deren Namensgeber Heinrich von Treitschke (1834–1896) einer der wichtigsten Stichwortgeber des bürgerlichen Antisemitismus war.

Beuths Geburtsstadt Kleve nahm seine Ehrenplakette ab

Die Diskussion um Beuth erinnert uns an den bösartigen Antisemitismus, den er und andere Männer in der Deutschen Tischgesellschaft von 1811 pflegten. Gegründet wurde diese von dem Staatstheoretiker Adam Heinrich Müller (1779-1829) und dem romantischen Schriftsteller Achim von Arnim (1781–1831). Nach Letzterem ist in Berlin noch immer ein Platz in Berlin-Pankow benannt. Was ist mit der Fichtestraße in Berlin-Kreuzberg? Schließlich war Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) ebenfalls Mitglied der Tischgesellschaft und noch dazu notorischer Antisemit. Zahllose andere deutsche Geistesheroen haben sich gelegentlich oder häufiger antisemitisch geäußert. Müssten wir also für all die Plätze, Straßen oder Einrichtungen, die ihre Namen tragen, nach einem neuen suchen? Wo ziehen wir sinnvollerweise die Grenze?

Im nordrhein-westfälischen Kleve, wo Christian Peter Beuth geboren wurde, hat man unterdessen schon gehandelt. Von den Recherchen Achim Bühls, Soziologieprofessor an der Beuth-Hochschule, zum krassen Antisemitismus Beuths erfuhr Kleves Bürgermeisterin Sonja Northing (parteilos) aus der „Neue Rhein Zeitung“. Unverzüglich ließ sie eine erst 2016 installierte Ehrenplakette von seinem Geburtshaus entfernen.

Zusammenleben nicht mit falschen Namenspatronen verstellen

Wie auch immer in Berlin entschieden wird, die Ablehnung von Antisemitismus – und auch von Rassismus – folgt nicht irgendeinem geschichtspolitischen Interesse. Wir leben zudem nicht in einer politischen Wendezeit wie nach 1933, 1945/49 oder nach 1989/90. Motiviert werden solche Bestrebungen nach Umbenennungen heute weniger durch staatspolitische Erwägungen als durch zivilgesellschaftliches Engagement. Wir leben in einer immer vielschichtigeren Gesellschaft zusammen, ohne dass wir uns mit falschen Namenspatronen und falscher Symbolik den Weg zu diesem Zusammenleben verstellen wollen. Daher wird uns der Streit um Namen, die niemals Schall und Rauch waren, weiter begleiten.

Der Autor ist Historiker und stellvertretender Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität Berlin.

Uffa Jensen

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