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SERIE: Coach statt Couch Fit vorm Fernseher

Personal-Trainer Steffen Nitsch ist das Gesicht unserer neuen Serie zur EM. Er macht Sie fitter – in nur 19 Spieltagen.

Von Susanne Leimstoll

Eben war Boxen dran, zum Aufwärmen: links, rechts, immer schön mit Druck gegen die roten Pads, die der Trainer hinhält. Die Klientin, eine Ärztin, hat noch ihre blaue OP-Kleidung an. Workout nach der Arbeit mit Personal- Trainer Steffen Nitsch. Täglich fitter werden – mit sechzig. „Jetzt mal laufen“, sagt der Trainer. Sie stellt sich auf Pads und gleitet damit auf der Matte wie auf Langlaufskiern.

Ein bisschen muss sie schnaufen. Und schwitzen. „Hattest Du Zeit, was zu essen?“ „Einen halben Landjäger, ein hartes Ei, eine Grapefruit.“ Ihr vom Trainer verordnetes Ernährungsprogramm, wenig Kohlenhydrate, hat sie weitgehend durchgehalten. „Zweimal gesündigt...“ Ihr Traum sind straffere Oberschenkel, das Nahziel war nach sechs Monaten wöchentlichem Kurzprogramm plus Wochenendbewegung schon erreicht: Rückenschmerzen weg, weniger Gewicht, bestens drauf. „20 Liegestützen hintereinander schafft sie locker“, sagt Steffen Nitsch, 41, und sieht fast so stolz aus wie die Frau, die hier trotz ihres Stressjobs trainiert.

Seit bald zehn Jahren ist Nitsch, gebürtiger Köpenicker, in der Branche selbstständig. Als Leistungssportler mit Schwerpunkt Rudern hatte er, Sohn eines Schuldirektors, angefangen, mit 24 Jahren steckte er den Wettkampfsport auf und auch das Ziel, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Er wurde außer Trainer auch Ernährungsfachmann, bildet seit 2008 auch andere Personal Trainer aus. 1,93 Meter Überzeugung, 89 Kilo fast fettfreier Mensch, ein Typ, der als sportliches Vorbild taugt. Kunden-Skepsis strahlt er mit blauen Augen und Energie weg. Unsicherheit nimmt er mit sanfter Stimme und pädagogisch wertvollem Ansatz weg: nie überfordern, langsam steigern. Er hilft, den inneren Schweinehund zu überwinden. „Die meisten sind überrascht, was nach solch einer Umstellung zusätzlich passiert – keine Kopfschmerzen mehr, besser schlafen, keine Verdauungsprobleme mehr. Das weiß ich schon im Vorfeld“, sagt Steffen Nitsch. Wer mit seiner Hilfe mitten im stressbelasteten Leben gesunden will, muss es sich leisten können: Eine Stunde Nitsch kostet 85 Euro netto.

Dafür gibt es das Paket Bewegung plus Ernährungsumstellung. 60 Prozent der Kundschaft kommt, weil sie abnehmen will. Ohne mehrmals die Woche Bewegung plus Low-Carb-Diät geht nichts, ist Nitsch überzeugt. Viel Obst und Gemüse, wenig Getreideprodukte, Reis, Kartoffeln, Nudeln – er versucht zu vermitteln, was jeder weiß, aber selten wahrhaben will. „Wer den ganzen Tag sitzt und stärkehaltige Lebensmittel, viel Zucker und Fett isst, füllt den Energietank schnell. Wenn der voll ist, ist er voll. Energie wird nicht im Sitzen ausgeschwitzt oder abgeatmet.“ Was nicht verbraucht wird, wird zu Speck. „20 Minuten Spazierengehen und sich dann eine Portion Nudeln einzupfeifen, ist Selbstbetrug.“

Weil der moderne Mensch in einem Überangebot an Lebensmitteln und Verlockungen erstickt und nicht mehr, wie vorherige Generationen, zur Schule, zur Arbeit und zum Einkaufen läuft oder auf dem Feld arbeitet, muss er seinen Nahrungsplan ändern. Den Salat nicht mit Majo anmachen, sondern mit Olivenöl. Zur Arbeit nicht die Butterstulle mitnehmen, sondern Obst, Gemüse, Nüsse. Am Mittag Fisch statt Fettucine, am Abend Pilzpfanne statt Pommes. Traurig, aber machbar. „Mal reinhauen schadet ja nicht“, tröstet der Trainer. „Übergewichtig wird man nicht vom Karfreitag bis Ostersonntag, sondern von Ostersonntag bis Karfreitag.“ Ach, klagen manche seiner Klienten, ich nehme auf die kleinste Kleinigkeit zu. Kann sein, sagt er dann. „Wer sich nicht bewegt und seine Muskulatur über Jahre schont, verliert Muskelmasse. Zehn Jahre, drei Kilo.“ Der Grundumsatz, die Energie, die der Mensch im Ruhezustand verbraucht, sinkt. „Dann nimmt man zu, auch, wenn man immer das gleiche Quantum isst.“

Es gibt Exoten, die buchen statt Urlaub ein Intensivcoaching mit Steffen Nitsch: zwei Wochen Fuerteventura. Nach dem Wecken Schwimmen im Pool, Stretching, Frühstück, Krafttraining, Mittagspause, Ausdauertraining, Abendbrot, Spaziergang – zu einer Tagesgage von 600 Euro. Andere machen mit ihm lieber eine Radwoche auf Mallorca oder lassen sich für den Halbmarathon vorbereiten. Und manche schicken ihre Kinder ins Personal Training. Wenn der Schulsport nicht ausreicht, Vereinssport nicht die Lösung oder Übergewicht schon ein Problem ist.

Mit Kindern und Jugendlichen ist Steffen Nitsch, selbst Vater von dreien, am liebsten unterwegs. Beim Klettern und Campen vergisst die Gruppe nach spätestens zwei Tagen Handy, I-Pod und I-Pad. Raus aus dem Alltag, beschäftigt mit den einfachen Dingen des Lebens. Das zu vermitteln, sei Teil seiner Philosophie: „Training kann zu einer Oase werden, in der man sich mit sich selbst beschäftigen und fallen lassen kann“, sagt Steffen Nitsch. „Bewege dein Leben“ ist das Label seines Ein-Mann-Unternehmens. „Es geht nicht um Höchstleistung. Jeder kleine Schritt ist Bewegung, die Geschwindigkeit ist eigentlich egal.“

Deshalb ist Steffen Nitsch der Mann für unsere Serie, die mit der EM morgen im Berlinteil des Tagesspiegels beginnt. Sich bewegen und täglich Fußballgucken schließen sich nämlich nicht aus. Ein paar Übungen in der Halbzeitpause und gesunde Snacks statt Junkfood, und man ist nach dem Turnier besser drauf als zuvor. „Garantiert“, sagt der Trainer. Und der muss es ja schließlich wissen.

AB MORGEN

an jedem Spieltag

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