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Insolvenz ohne Ausweg: Schlecker-Beschäftigte im freien Fall

Die Länder haben sich nicht einigen können: Für Schlecker-Mitarbeiter wird es keine Auffanglösung geben. Was heißt das für die Beschäftigten?

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Rund 10 000 Kündigungsschreiben an Schlecker-Mitarbeiter sind noch am Donnerstag auf den Weg gegangen. Die Bildung einer Transfergesellschaft scheiterte am Ende an Bayern.

Warum konnten sich die Länder nicht auf eine Auffanglösung einigen?

Das vom Schlecker-Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz gestellte Ultimatum war am Donnerstagfrüh verstrichen, ohne dass eine Lösung in Sicht war: Zwar gab es Zusagen mehrerer Bundesländer, sich an einer Bürgschaft zur Einrichtung einer Transfergesellschaft zu beteiligen. Fieberhaft hatte Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) über Nacht versucht, eine Allianz der Bundesländer zu schmieden. Doch die FDP stellte sich quer. Nachdem die Wirtschaftsminister in Sachsen und Niedersachsen, Sven Morlok und Jörg Bode (beide FDP), eine Beteiligung ihrer Länder ausgeschlossen hatten, kritisierte auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler die Bemühungen Stuttgarts um eine Transfergesellschaft als verantwortungslos.

Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil, ebenfalls FDP, setzte schließlich den Schlusspunkt: Vereinbart worden sei eine geschlossene Teilnahme aller Bundesländer. Wenn dies nicht gelinge, werde Bayern eine Auffanglösung nicht mittragen. Bis dahin hatte es noch Hoffnung gegeben, weil Baden-Württemberg zugesagt hatte, die Anteile Sachsens und Niedersachsens zu übernehmen.

Im Freistaat hatte Zeils starre Haltung zum Koalitionskrach geführt. Ministerpräsident Horst Seehofer, der ebenso wie sein Finanzminister Markus Söder (beide CSU), einer Auffanglösung aufgeschlossen gegenüberstand, beugte sich seinem Koalitionspartner und und verkündete am Rande der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin am Nachmittag die Entscheidung seines Wirtschaftsministers. Söder warf der FDP vor, eine Schlecker-Transfergesellschaft zuletzt nur aus politischen Gründen blockiert zu haben. Denn aus finanzpolitischer Sicht sei der Anteil Bayerns vertretbar gewesen.

Wie funktioniert eine Transfergesellschaft?

Rund 11 000 Schlecker-Mitarbeiter stehen nun zum 1. April auf der Straße. 1000 von ihnen hatten schon vorher gekündigt, die anderen erhalten jetzt die Kündigungsschreiben. Mit einer Transfergesellschaft hätte sich das zumindest hinauszögern lassen. Dort können zahlungsunfähige Unternehmen Mitarbeiter für maximal ein Jahr parken, solange sie keinen neuen Job haben. In dieser Zeit erhalten sie von der Bundesagentur für Arbeit (BA) ein Transfer-Kurzarbeitergeld, das etwa 60 Prozent ihres bisherigen Nettogehalts entspricht. Der bisherige Arbeitgeber kann es bis zu 100 Prozent aufstocken. Ausgehandelt wird eine Transfergesellschaft zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung oder Insolvenzverwalter. Die Mitarbeiter wechseln freiwillig in eine solche Gesellschaft. Das kann sich für sie lohnen: Zum einen rutschen sie nicht gleich in die Arbeitslosigkeit und müssen ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht antasten. Zum anderen ist der Betreuungsschlüssel durch die BA oft höher als bei „normalen“ Arbeitslosen. Sie können sich weiterbilden oder eine Umschulung beginnen.

Wie wäre die Finanzierung gelaufen?

Bei Schlecker sollte ein Kredit der staatlichen KfW-Bank die Finanzierung der Transfergesellschaft sichern. Sicherheiten kann das Unternehmen in seiner derzeitigen Verfassung jedoch nicht bieten. Da der Bund sich nicht zuständig fühlte, sollten die Länder sich über eine Bürgschaft in Höhe von gut 70 Millionen Euro für das insolvente Unternehmen einigen.

Was bedeutet das Scheitern der Finanzierung für Schlecker?

Für das Unternehmen, das Gründer Anton Schlecker zur Nummer eins im Segment der Drogeriemärkte machte, könnte die verweigerte Bürgschaft schwerwiegende Folgen haben. Viele der Mitarbeiter könnten nun gegen ihre Kündigung klagen, um so eine Abfindung oder Weiterbeschäftigung zu erreichen. Unabhängig von deren Erfolg – potenzielle Investoren, die ein Interesse an einer Fortführung des Geschäfts haben, dürfte die Aussicht auf langwierige und teure Rechtsstreitigkeiten eher abschrecken. Bis Ende der Woche müssen Interessenten ein schriftliches Angebot beim Insolvenzverwalter abgeben. Der will dann mit einer Handvoll von ihnen verhandeln.

Wie geht es für die betroffenen Mitarbeiter weiter?

Die Bundesagentur für Arbeit sieht gute Chancen für die gekündigten Mitarbeiter, auch ohne Transfergesellschaft einen neuen Job zu bekommen. „Derzeit gibt es bundesweit 25 000 offene Stellen für Verkäuferinnen“, sagte Vorstandsmitglied Raimund Becker in Nürnberg. „Der Markt ist also aufnahmefähig.“ Ein Vorteil könnte sein, dass die Betroffenen über ganz Deutschland verteilt sind, sodass nicht an einem Ort 11 000 Menschen zu vermitteln sind. An größeren Schlecker-Standorten könnten Teams der Arbeitsagenturen direkt in das Unternehmen gehen, um die meist weiblichen Beschäftigten zu beraten, ergänzte Becker. Auch die Branche ist optimistisch. In vielen Regionen würden erfahrene und qualifizierte Arbeitskräfte gesucht, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth.

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