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Cansel Kiziltepe (SPD), Berliner Senatorin für Arbeit und Soziales, spricht nach einer Sitzung des Berliner Senats im Roten Rathaus neben Senatschef Kai Wegner (CDU).

© dpa/Sebastian Gollnow

Update

Wegner trotzt Sozialsenatorin: Berlins Regierungschef stimmt für Bargeld-Obergrenze bei Bezahlkarte für Geflüchtete

Kai Wegner stimmt auf der Ministerpräsidentenkonferenz einer Bargeld-Obergrenze für Geflüchtete von 50 Euro im Monat zu – und setzt sich damit über Sozialsenatorin Kiziltepe hinweg.

In Berlins schwarz-roter Koalition bahnt sich erneut Streit um die Bezahlkarte für Asylsuchende an. Regierungschef Kai Wegner (CDU) stimmte am Donnerstag bei der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) einem Beschluss der Bundesländer zu, der vorsieht, die Bargeldauszahlung über die geplante Bezahlkarte auf 50 Euro im Monat zu begrenzen. Damit setzte sich Wegner über die Bedenken seiner Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) hinweg.

„Bei der Bezahlkarte gibt es jetzt eine klare Verständigung aller Länder, dass es keinen Flickenteppich in Deutschland geben wird“, sagte Wegner am Donnerstag. Ob es wirklich so kommt, ist allerdings fraglich. Die Bundesländer Bremen und Thüringen erklärten in einer Protokollnotiz zu dem MPK-Beschluss, dass sie einen „Bargeldkorridor von 50 bis 120 Euro“ favorisieren.

Kiziltepe spricht von „unsäglicher Debatte“

Auch in Berlin ist mit dem MPK-Beschluss noch keine endgültige Entscheidung über die Obergrenze getroffen. Kiziltepe bezeichnete eine Obergrenze von 50 Euro im Monat zuletzt als „menschenverachtend“. Dem Tagesspiegel sagte sie am Freitag: „Ich verfolge die unsägliche Debatte um die Bargeldhöhe für die Bezahlkarte für geflüchtete Menschen mit Sorge.“ Das löse kein einziges Problem.

„Es entspricht nicht meinem Verständnis einer humanitären Flüchtlingspolitik, dass Geflüchtete nur 50 Euro Bargeld bekommen sollen“, sagte Kiziltepe weiter. „Geflüchtete sollen mit der Bezahlkarte selbst entscheiden können, wann sie mit Karte zahlen oder mit Bargeld.“ Sie setze sich dafür ein, dass Asylsuchende das Geld „zu 100 Prozent selbstbestimmt und ohne Reglementierung verwenden können, auch in Form von Bargeld“. Diese seien „aufgrund ihrer finanziellen Lage umso mehr auf Bargeld angewiesen, zum Beispiel bei Einkäufen auf Wochen- und Flohmärkten“, sagte Kiziltepe.

Senatssprecherin Christina Richter sagte dem Tagesspiegel, dass in den folgenden Wochen Gespräche zwischen dem Regierenden und der Sozialsenatorin beziehungsweise der SPD über die konkrete Ausgestaltung der Bezahlkarte folgen werden.

Rund 16.000 Menschen in Berlin erhalten Geld in bar

Derzeit bekommen erwachsene alleinstehende Asylsuchende 204 Euro im Monat für den persönlichen Bedarf. Dazu kommen 229 Euro für den notwendigen Bedarf, der aber oft in Form von Sachleistungen abgedeckt wird. In Berlin erhalten – Stand Ende 2023 – 23.200 Menschen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, davon erhalten 16.200 das Geld in bar.

Mit der Karte sollen keine Überweisungen, sondern nur das bargeldlose Bezahlen möglich sein. Befürworter einer Obergrenze wollen damit unter anderem den möglichen Geldtransfer in die Heimatländer der Asylsuchenden unterbinden und verweisen außerdem auf eine Entlastung der Verwaltung. Kritiker befürchten eine Ausgrenzung, da an vielen Orten, zum Beispiel auf Märkten, keine Kartenzahlung möglich ist.

SPD-Politiker: Bezahlkarte bringe nicht den erhofften Effekt

Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hält von der Bezahlkarte aus praktischen Gründen nichts. Er hatte in seiner Amtszeit als Sozialstadtrat in Spandau von 2006 bis 2011 Erfahrungen damit gemacht. Damals seien Spandau und Reinickendorf, beide damals CDU-geführt, die letzten beiden Berliner Bezirke mit einer Bezahlkarte für Asylbewerber gewesen. Dieses System sei dann „mit großen Mühen und Diskussionen“ abgeschafft worden.

Matz‘ praktische Erfahrung von damals: Das System bringe nicht das, was sich die Politik davon verspreche. Auch mit der Karte kämen Asylbewerber ganz einfach an Bargeld, sagte Matz. Er brauche nur für einen Bekannten im Supermarkt den Einkauf mit Karte bezahlen, der Bekannte gebe ihm dann Bargeld dafür – ein einfacher Tausch.

„Die Bezahlkarten hat keinen steuernden Effekt auf die Migration“, sagte Matz dem Tagesspiegel. „Es kommt jemand nicht nach Deutschland, nur weil es eine Bezahlkarte für Geflüchtete gibt.“ Wenn man Geflüchtete ins Land lasse, müsse man sie auch anständig behandelt. „Ansonsten müssten wir diskutieren, wen wir aus welchen Ländern reinlassen“, sagte Matz. Die Einwanderung werde bislang zu wenig gesteuert.

Ende Juli wird das Ergebnis einer Ausschreibung für den Betrieb der Bezahlkarte erwartet, dem sich 14 von 16 Bundesländer anschlossen. Lediglich Mecklenburg-Vorpommern und Bayern setzen auf eine eigene technische Lösung. Einige Landkreise und auch der Stadtstaat Hamburg setzen in Form von Pilotprojekten bereits jetzt auf die Bezahlkarte. Der Senat geht davon aus, dass die Bezahlkarte in Berlin frühestens 2025 eingeführt werden kann. Die Kosten für die Einführung werden auf jährlich fünf bis sechs Millionen Euro geschätzt.

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