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Der CSU-Landesgruppenchef: Alexander Dobrindt.

© dpa/Sabina Crisan

Update

„Arbeitsaufnahme oder Rückkehr“: CSU-Landesgruppenchef Dobrindt droht Ukrainern ohne Job

Der Streit um die Kriegsflüchtlinge verschärft sich, es geht auch ums Bürgergeld. Ein Vorstoß aus Bayern wird von SPD und Grünen harsch kritisiert – in der Union gibt es ebenfalls Widerspruch.

Rund 1,1 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine leben offiziellen Zahlen zufolge derzeit in Deutschland. Auch diese Gruppe ist Teil des Streits um die Migrationspolitik. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verschärft nun den Ton in der Debatte. Er droht Flüchtlingen ohne Arbeit mit der Ausweisung.

„Es muss jetzt über zwei Jahre nach Kriegsbeginn der Grundsatz gelten: Arbeitsaufnahme in Deutschland oder Rückkehr in sichere Gebiete der West-Ukraine“, sagte Dobrindt der „Bild am Sonntag“ („BamS“).

Dobrindt forderte, wie schon zuvor andere Unions-Politiker, Änderungen bei den staatlichen Hilfen für Geflüchtete aus der Ukraine. Das Bürgergeld halte zu viele Menschen aus der Ukraine in der Sozialhilfe fest, kritisierte der CSU-Mann.

Putin bombardiert immer wieder Ziele in der gesamten Ukraine. Hierhin will Dobrindt jetzt auch Frauen und Kinder zurückschicken.

Dirk Wiese, Fraktionsvize der SPD

„Wir brauchen stärkere Mitwirkungspflichten für Asylbewerber, wenn es um die Arbeitsaufnahme geht. Es muss ein Angebot auf Arbeit geben und dieses muss Teil einer Integrationsleistung sein“, so Dobrindt. 

Zuvor hatten auch andere Unionspolitiker sich in diese Richtung geäußert. So sagte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Thüringen, Mario Voigt, gerade dem Tagesspiegel, das Bürgergeld müsse grundsätzlich überdacht werden. „Ich halte auch nichts davon, dass wir Bürgergeld an Ukrainer zahlen.“

Voigt weiter: Die Ukrainer müssen hier das tun, was sie auch zu Hause machen: Für ihren Lebensunterhalt arbeiten.“

Scharfe Kritik an Dobrindts Vorstoß kommt von der SPD. Die Vorsitzende Saskia Esken sagte der „Augsburger Allgemeinen“: „Die Aufgabe von Politik ist es nicht, Forderungen auf dem Rücken von ukrainischen Geflüchteten in die Welt zu setzen, sondern dafür zu sorgen, dass es eine funktionierende soziale Infrastruktur gibt für alle Menschen, die in unserem Land sicher leben wollen.“

Der Hauptgrund dafür, dass Ukrainer keine Arbeit hätten, seien fehlende Kindergarten- und Hortplätze. „Ich bin überzeugt, dabei kann auch die CSU in Bayern noch stärker mithelfen“, meinte Esken.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der „BamS“: „Putin bombardiert immer wieder Ziele in der gesamten Ukraine. Hierhin will Dobrindt jetzt auch Frauen und Kinder zurückschicken, die möglicherweise ihren Vater bereits an der Front verloren haben.“

Die CSU solle sich angesichts der Äußerungen Dobrindts „schämen und das C für christlich endgültig aus ihrem Namen streichen“, so Wiese.

Martin Rosemann, Arbeitsmarkt-Experte der SPD-Fraktion, verwies darauf, dass viele der Ukraine-Flüchtlinge alleinerziehende Mütter seien: „Die Hürden für ukrainische Geflüchtete beim Start ins Arbeitsleben liegen bei der fehlenden Kinderbetreuung, mangelnden Sprachkenntnissen und der langwierigen Anerkennung von Berufsabschlüssen.“

Den Vorschlag, sie aus dem Bürgergeld ins Asylverfahren zu packen, nannte Rosemann „populistischen Unsinn“.

Auch Grünen-Chef Omid Nouripour lehnte die Vorschläge aus der Union ab. „Natürlich müssen wir die Ukrainer noch schneller in Arbeit bringen. Aber neue rechtliche Hürden, wie sie die CDU will, helfen da doch nicht, sie schaden.“ Und weiter: „Die Unterstellung, die Ukrainer kämen wegen des Bürgergelds zu uns, verkennt das Grauen des Krieges Putins.“ 

Wagenknecht stimmt Dobrindt teilweise zu

Teilweise Unterstützung für seine Forderung erhielt Dobrindt von Sahra Wagenknecht. „Dass in Dänemark mehr als 80 Prozent der Ukrainer arbeiten, während es hierzulande gerade mal ein Viertel ist, empört die Bürger zu Recht. Wer unseren Schutz in Anspruch nimmt, von dem kann man auch erwarten, dass er mit eigener Arbeit dazu beiträgt, die Kosten zu minimieren“, sagte die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) der „Welt“.

Wagenknecht am 10. Juni auf einer Pressekonferenz nach der Europawahl.

© dpa/Kay Nietfeld

Entscheidend sei aber die Frage von Krieg und Frieden. „Sobald die Waffen schweigen, sollten die Menschen natürlich in ihre Heimat zurückkehren“, so Wagenknecht. Ein Einfrieren des Kriegs an der jetzigen Frontlinie als Ausgangspunkt von Friedensverhandlungen wäre eine realistische Option.

Solange der ukrainische Präsident aber mit Rückendeckung der Bundesregierung auf einem Komplett-Rückzug der russischen Truppen als Voraussetzung für Friedensgespräche beharre, werde der Krieg weitergehen, so Wagenknecht.

In der Union gibt es auch andere Sichtweisen

Nach dem Vorstoß von Dobrindt hat die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien auf die Ursache der Flucht verwiesen.„Ukrainer fliehen vor Putins Terror und Putins Krieg. Selbstverständlich genießen sie unseren Schutz und unsere Gastfreundschaft“, schrieb Schleswig-Holsteins Bildungsministerin am Sonntag auf der Plattform X.

„Die allermeisten aus der Ukraine geflüchteten Menschen wollen bei uns schnell Fuß fassen, arbeiten und sich auf den Wiederaufbau ihrer Heimat vorbereiten. Unsere Aufgabe muss sein, ihre Teilnahme am Arbeitsmarkt zu erleichtern“, betonte Prien. Sie warf zugleich der Bundesregierung vor, hierbei zu versagen. 

„Wir dürfen nicht das Lied von Putins Freunden singen, und diese geflüchteten Menschen zu einem Problem machen“, so die CDU-Politikerin.

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz reagierte scharf auf Dobrindts Vorstoß. Beim Kurznachrichtendienst Bluesky sprach der frühere Bundestagsabgeordnete der Nachrichtenagentur dpa zufolge von „blankem Populismus“.

Es sei „zunehmend unerträglich, wie hier über ukrainische Flüchtlinge dahergeredet wird“, kritisierte Polenz in einem weiteren Post. Putin werde diese Diskussion als Zeichen dafür werten, dass in Deutschland die Unterstützung für die Ukraine bröckele. Das sei ein „verheerendes Signal“. (lem)

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