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Für das Recht auf eine freie Entscheidung: eine Kundgebung im September 2023 in Berlin.

© imago/IPON/imago

Ampel ist sich uneinig: SPD-Fraktion fordert Legalisierung von Abtreibungen

Frauen sollen nicht mehr rechtswidrig handeln, wenn sie abtreiben, fordert die SPD-Fraktion. Und sie will Abbrüche deutlich länger als bis zur 12. Woche möglich machen.

Es ist ein Thema, mit dem viele Emotionen verbunden sind, und zwar auf beiden Seiten: Muss etwas geändert werden an der Rechtslage rund um das Thema Abtreibung? Oder ist es gerade wichtig, die bisherige Regelung zu lassen, wie sie ist?

Die SPD-Bundestagsfraktion hat am Dienstag ein Papier beschlossen und macht Druck: Sie möchte, dass Abtreibungen legalisiert werden und die Beratungspflicht für betroffene Frauen durch einen Rechtsanspruch auf Beratung ersetzt wird.

Damit setzt die Fraktion einen aktuellen Kommissionsbericht in eine politische Initiative um. Allerdings herrscht innerhalb der Ampelkoalition bei dem Thema keine Einigkeit.

Das Lebensrecht des ungeborenen Kindes und die Rechte der Schwangeren müssen neu austariert werden.

Aus dem Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion

Derzeit sind Abtreibungen rechtswidrig, aber in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen unter bestimmten Bedingungen straffrei. So könne die Rechtslage nicht bleiben, argumentieren die Sozialdemokraten: Die Pflicht zum Austragen einer Schwangerschaft greife tief in das körperliche und reproduktive Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Frau ein. „Das Lebensrecht des ungeborenen Kindes und die Rechte der Schwangeren müssen neu austariert werden.“

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Konkret sollten Abtreibungen außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt und damit legalisiert werden. Das entspricht den Forderungen der Kommission, die die Ampelregierung eingesetzt hatte und deren Arbeitsergebnisse im April vorgestellt worden waren.

Die Expertinnen kamen zu dem Schluss, die derzeitige Rechtslage sei mit Blick auf die Rechte der ungewollt Schwangeren nicht haltbar. In der Frühphase der Schwangerschaft müsse ein Abbruch legal sein. Ab dem Zeitpunkt, zu dem das ungeborene Kind außerhalb des Mutterleibs überlebensfähig wäre, müsse er verboten bleiben.

Für die Zeit dazwischen, etwa von der 12. bis zur 22. Schwangerschaftswoche, habe der Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum: Es stehe ihm frei, Abtreibungen auch in dieser Phase noch zu erlauben.

Etwa so groß wie eine Aubergine

Die SPD-Fraktion signalisiert nun, dass sie eine möglichst weitgehende Legalisierung für sinnvoll hält, nennt aber keine konkrete Schwangerschaftswoche: „Wir sprechen uns für eine Frist aus, die an der Überlebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Uterus mit ausreichend zeitlichem Abstand anknüpft.“ Das könnte beispielsweise heißen, dass in der 20. Schwangerschaftswoche noch abgetrieben werden darf. Der Fötus ist dann etwa so groß wie eine Aubergine und wiegt etwas mehr als ein Stück Butter.

Die SPD möchte außerdem sicherstellen, dass jede Frau auch ganz praktisch die Möglichkeit hat, eine Schwangerschaft abzubrechen. „Schwangerschaftsabbrüche sollen kostendeckend durch die Krankenkassen finanziert werden und Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen werden“, heißt es in dem Papier. Auch müsse das Thema verbindlicher Teil der gynäkologischen Ausbildung werden.

Wir sollten nicht riskieren, einen stabilen gesellschaftlichen Konsens, der über Jahrzehnte und unterschiedliche Mehrheiten hinweg Bestand hatte, ohne Not aufzugeben.

Gyde Jensen, stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion

Klare Zustimmung für die Initiative der Sozialdemokraten kam am Dienstag von den Grünen. „Die grüne Position ist klar: Wir wollen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen stärken und setzen uns schon lange für eine differenzierte Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches ein“, teilten die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Maria Klein-Schmeink und die frauenpolitische Sprecherin Ulle Schauws gemeinsam mit. 

Ganz anders sieht die Debattenlage bei der FDP aus. Derzeit mobilisiert das Thema gesellschaftlich vor allem jene, die die Rechtslage ändern wollen. Für viele Feministinnen und Frauenrechtsorganisationen ist es seit Langem inakzeptabel, dass ungewollt Schwangere rechtswidrig handeln, wenn sie sich für einen Abbruch entscheiden.

Das Thema Abtreibung mobilisiert

Bei der FDP fürchtet man aber, dass Kräfte am anderen Ende des politischen Spektrums das Thema für ihre Zwecke nutzen könnten. In anderen Ländern, etwa in den USA, ist zu sehen, wie tief die gesellschaftliche Spaltung sein kann und wie gut sich mit dem Thema Abtreibung mobilisieren lässt. Man müsse der AfD den Ball nicht auf den Elfmeterpunkt legen, so lautet diese Lesart.

Es müsse intensiv und gewissenhaft diskutiert werden, sagte Gyde Jensen, stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion, am Dienstag dem Tagesspiegel. Der Bericht der Kommission sei keine Handlungsanweisung, sondern Grundlage für eine Gewissensentscheidung.

Sie schließe sich ihrem Parteivorsitzenden Christian Lindner an: „Wir sollten nicht riskieren, einen stabilen gesellschaftlichen Konsens, der über Jahrzehnte und unterschiedliche Mehrheiten hinweg Bestand hatte, ohne Not aufzugeben.“ Sehr ähnlich hatte Lindner sich im April geäußert. Jensens Fazit: „Jedes Mitglied des Deutschen Bundestages muss seine eigene Position zu dieser Frage finden.“

Die katholische Kirche ist gegen die Initiative der SPD-Fraktion. Ihr ist per se schon die derzeitige Rechtslage zu liberal. Sie sieht sich nun aber in der unbequemen Position, diese verteidigen zu müssen, um noch mehr Liberalisierung zu verhindern.

„Die SPD plant ernsthaft ein Aussetzen der Beratungspflicht für ungewollt schwangere Frauen. Das enttäuscht uns sehr“, sagte am Dienstag Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes.

Die geplante Fristenverschiebung nannte sie „wenig nachvollziehbar“: „Die Orientierung an der Überlebensfähigkeit eines Kindes außerhalb des Uterus ist lebensfremd in einer Zeit, in der ein Ultraschall längst vorher zeigt, dass das Kind im Bauch der Mutter lebt, und in der wir wissen, wie viel Zeit, Aufmerksamkeit und Sorge ein Neugeborenes noch lange nach der Geburt braucht, um zu überleben.“

Einigkeit besteht zumindest darin, dass es ausreichende Hilfen braucht: „Eine gute Unterstützung von ungewollt schwangeren Frauen und Familien kann Schwangerschaftsabbrüche verhindern“, heißt es im SPD-Papier.

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