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Blick in die Anna Oppermann-Retroperspektive in der Bundesrepublik Deutschland.

© © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Anna Oppermann-Retrospektive in der Bonner Bundeskunsthalle: Im Kopf der Künstlerin

Als Anna Oppermann 1993 starb, hinterließ sie ein unüberschaubares Werk ungehemmten Wachstums. Jetzt zeigt die Bonner Bundeskunsthalle ihre dreidimensionalen Collagen.

Von Alexandra Wach

Was haben ein Kaktus oder eine Haselnuss mit einer Hausfrau zu tun? 1968 wurden sie der Hüterin des „perfect house dream“ zugeordnet, erfährt man aus der wandfüllenden Materialsammlung „Hausfrau sein“, die jetzt in der Retrospektive von Anna Oppermann wieder zum Leben erweckt wurde.

Weitere Attribute reichen bis ins Philosophische. Es ist die Rede von Entbehrung und Verdrängung, in Zeitungsartikeln, Fotografien und kitschigen Objekten. Man wähnt sich im Innern eines Zettelkastens oder gleich im begehbaren Kopf einer damals 28-jährigen Konzeptkünstlerin, die in ihrem kurzen Leben 61 solcher wuchernden Hausaltäre erschaffen hat.

Achtzehn der von ihr als „Ensembles“ bezeichneten Themensammlungen füllen jetzt in der Bundeskunsthalle ganze Räume, flankiert von 150 Einzelwerken, Zeichnungen, Fotos und Fotocollagen.

Das Rollenbild Hausfrau reizte Oppermann auch privat. Als Regina Heine geboren, studierte sie Grafik, Malerei und Philosophie. 1963 heiratete sie den Hamburger Wolfgang Oppermann und bekam ein Jahr später ein Kind. Während ihr Künstler-Gatte ins Atelier ging, kümmerte sie sich neben der eigenen Kunst um den Sohn.

Ihr anfänglich schrill comichafter Ansatz orientierte sich noch an der Pop Art. Mit den „Ensembles“ wechselte der Ton ins Analytische, der Blick auf die Welt wurde zunehmend politisch. Schon erstaunlich, dass diese analogen Gedankenspiele nicht gealtert sind. Es wird darin archiviert, gewitzelt und reflektiert.

Anna Opperman ließ dem Kunstwerk seinen Willen.

© © Courtesy Nachlass Anna Oppermann und Galerie Barbara Thumm

Ungehemmte Ego-Höhlen

Dabei fing auch diese ungehemmt wachsende Ansammlung von Ego-Höhlen klein an, mit Notizzetteln, verteilt auf dem Arbeitstisch. Weil es immer mehr wurden, ließ Oppermann dem Kunstwerk seinen Willen. Sie machte Platz für Schreine voller kleinformatiger Bilder, Schriftbänder und Pflanzen, die sich im Raum wie ein Wurzelwerk ausdehnten.

„Es ist unmöglich, ein Problem in Angriff zu nehmen“, stellte sie einmal fest, „ohne zu berücksichtigen, dass jedes Problem in andere Problemfelder eingebunden ist.“ Die Methode hinter den ausufernden Flohmarktständen war eher schlicht. Anna Oppermann begann mit Assoziationen zu einem Objekt, etwa Lindenblütenblätter, machte Skizzen und ließ der Flut von auf sie einwirkenden Informationen freien Lauf.

Ironischer Sprachkosmos

Ist man erst einmal in den ironischen Sprachkosmos eingetaucht, begegnet man Stichworten wie „Elfenbeinturm“ oder „Kundesbrunsthalle“, die Oppermann als vage vorgegebene Ausgangspunkte gewählt hat.

Unbemerkt blieb sie mit ihrem so monumentalen wie überladenen Bild-Text-Wirrwarr nicht. Auf der Documenta 6 (1977) war sie mit dem Ensemble „Künstler sein“ vertreten. Es folgten die Documenta 8 (1987) und 1980 die Biennale in Venedig.

Opperman fotografierte die Installationen zu Lebzeiten ab und sorgte so dafür, dass sie sich heute auch ohne Partitur rekonstruieren lassen.

© © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Die Mauer fiel und vier Jahre später starb Oppermann mit nur 53 Jahren an Krebs. Sie hinterließ Tütenberge und stand für einen kritischen Zeitgeist, der allmählich dem konformen Neoliberalismus wich. In der entfesselten Protestzeit von heute ist sie wieder anschlussfähig.

Komplexe Fleißarbeit

Aber wie inszeniert man posthum diese präzise verlinkten Myriaden unterschiedlicher Elemente? Die Installationen, die einmal aufgebaut waren und um aktuelle Themen wie Machtverhältnisse, Vereinbarkeit von Kunst und Familie, Außenseiter oder die Mechanismen des Kunstmarktes kreisen, hatte Oppermann noch selbst abfotografiert und so dafür gesorgt, dass sie sich heute auch ohne Partitur rekonstruieren lassen. Der Aufbau ist zwar eine komplexe Fleißarbeit, zugleich aber eine Einladung zur Neuinterpretation, denn nicht alles ist festgelegt, vieles kann weitergedacht werden.

Das Ergebnis beeindruckt immer noch, es wimmelt auf den prozesshaften Messie-Bühnen des Gefundenen, Gefühlten und Gedachten erfreulich von Geistesblitzen. Marktkonform waren sie zur Zeit ihrer Entstehung nicht.

Ein Jonathan Meese operiert heute zwar ähnlich assoziativ, betört aber seine Sammler zusätzlich noch als Selbstdarsteller. Oppermann litt nicht gerade unter einem schwachen Selbst. Sie erforschte es aber lieber, statt es merkantil in ihr Papiertheater zu integrieren.

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