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© imago/imagebroker/Karl-Heinz Spremberg

Update

Ab Juli: Berliner Friedrichstraße wird wieder für den Autoverkehr freigegeben

Der seit Ende Januar zugunsten einer Fußgängerzone gesperrte Abschnitt der Friedrichstraße wird wieder für Autos freigegeben. Das hat die Verkehrsverwaltung mitgeteilt.

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Auf der Friedrichstraße in Berlin-Mitte dürfen demnächst wieder Autos und Motorräder rollen. Der seit Ende Januar zugunsten einer Fußgängerzone gesperrte Abschnitt nahe dem Gendarmenmarkt wird zum 1. Juli wieder für den motorisierten Verkehr freigegeben, wie die Verkehrsverwaltung am Dienstag mitteilte.

Berlins neue Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) revidiert damit die Verkehrspolitik ihrer Vorgängerin Bettina Jarasch (Grüne) an der Friedrichstraße. „Wir streben für die Friedrichstraße und angrenzende Bereiche ein städtebauliches Konzept zur bestmöglichen Entwicklung und Gestaltung des Gebietes an, das den Bedarf und die Interessen der Anwohnerinnen und Anwohner sowie Gewerbetreibenden berücksichtigt“, erklärte die CDU-Senatorin.

Jarasch hatte kurz vor der Wiederholungswahl im Februar gemeinsam mit dem grün-regierten Bezirk Mitte die sogenannte Teileinziehung des Straßenabschnittes vorangetrieben. Vorausgegangen war ein monatelanger Verkehrsversuch, der letztlich in einer Umwandlung in eine Fußgängerzone enden sollte. Eine Zwischenlösung der Verkehrsverwaltung wurde von einem Gericht im Oktober 2022 für rechtswidrig erklärt, nachdem Anrainer dagegen vorgegangen waren.

Hintergrund der jetzigen Entscheidung der neuen Verkehrssenatorin seien nun wieder Einsprüche von Anliegern gegen die rund 500 Meter lange Fußgängerzone zwischen Leipziger und Französischer Straße, die zum Teil mit einem gerichtlichen Eilverfahren verbunden seien. Man wolle den Beschwerdeführern ein Moratorium anbieten, schreibt die Verkehrsverwaltung. Im Herbst werde dann ein breiter Beteiligungsprozess für ein städtebauliches und verkehrliches Gesamtkonzept für die historische Mitte starten. Jarasch wollte sich am Dienstag nicht zum Schritt ihrer Nachfolgerin äußern.

Noch am Montag hatte Verkehrssenatorin Schreiner im Interview mit dem Tagesspiegel erklärt, eine Freigabe der Friedrichstraße für Autos stehe noch nicht fest. Die CDU-Politikerin hatte über einen Besuch dort erklärt: „Gut gefallen hat es mir nicht. Ich habe das Gefühl, dass die Straße vor der Sperrung wesentlich belebter war.“ Schreiner und Rathauschef Kai Wegner (ebenfalls CDU) haben vor allem rund um den Gendarmenmarkt eine größere Fußgängerzone im Sinn.

Ich gehe weiterhin davon aus, dass wir rechtmäßig gehandelt haben.

Stefanie Remlinger, Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Mitte

Nach Tagesspiegel-Informationen wurde der Bezirk Mitte erst am Tag zuvor von der Entscheidung informiert. Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger sagte dem Tagesspiegel: „Ich gehe weiterhin davon aus, dass wir rechtmäßig gehandelt haben.“

Von der Entscheidung selbst sei Remlinger dennoch nicht überrascht gewesen, lediglich vom Zeitpunkt – am Beginn des Sommers. „Gerade, weil der Gendarmenmarkt derzeit wegen Umbauarbeiten geschlossen ist, ist die Friedrichstraße ein wichtiger und schöner Aufenthaltsort für Menschen, die dort ihre Mittagspause und ihren Feierabend verbringen“, heißt es in einer Mitteilung des Bezirks. „Die Gastronom*innen, die in der Friedrichstraße Schankvorgärten eingerichtet haben, verlieren dadurch die Aussicht auf eine gute Saison.“ Auch lasse der Senat dadurch bereits geplante Veranstaltungen von Gewerbetreibenden vor Ort platzen.

„Die Straße für Verbrenner wieder zu öffnen, ist noch keine Lösung“, sagte Remlinger. „Ich hoffe, dass dort jetzt ernsthaft an einem Konzept gearbeitet wird.“ Daran beteilige sich der Bezirk gern – „insbesondere an Ideen, mit denen die Aufenthaltsqualität für alle Verkehrsteilnehmer*innen, vor allem die Fußgänger*innen, spürbar gesteigert werden kann, sind wir sehr interessiert.“

Antje Kapek, Sprecherin für Verkehrspolitik der Grünen-Fraktion, sagte zur Entscheidung: „Dass es in der Friedrichstraße zu Beginn der Sommerzeit mit zahllosen Tourist:innen, die zum großen Teil zu Fuß unterwegs sind, wieder Lärm und Abgase geben soll, ist unverständlich.“ Das schade vor allem den Gewerbetreibenden vor Ort.

Die dringend erforderliche Entwicklung eines Verkehrskonzeptes für die historische Mitte sei nicht abhängig von der Rückkehr der Autos in die Friedrichstraße. „Aus dem angekündigten Miteinander wird so ein ideologisch motiviertes Gegeneinander-Ausspielen“, sagte sie.

Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Links-Fraktion, kritisierte ebenfalls die Verkehrssenatorin, die „einseitig“ Fakten schaffe. „Für sie scheint klar zu sein, dass durch die Erarbeitung eines Masterplans für die historische Mitte die autofreie Friedrichstraße nicht wieder kommen wird“, schrieb er auf Twitter.

Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, begrüßte die Ankündigung Schreiners und forderte „ein tragfähiges Gesamtkonzept“, an dem Anwohnende und Gewerbetreibende mitwirken. „Nur so wird es gelingen, Fußgängerzonen zu schaffen, bei denen man auch wirklich von einer Aufenthaltsqualität sprechen kann“, erklärte Schopf.

Die Vorsitzende der AfD-Fraktion, Kristin Brinker, begrüßte die Entscheidung. Die Friedrichstraße sei die einzige bezirksübergreifende Nord-Süd-Verbindung zwischen Tiergartentunnel und Alexanderplatz und daher für einen funktionierenden Individualverkehr in der Mitte Berlins unverzichtbar, sagte sie. „Diese übergeordnete Bedeutung der Straße muss bei künftigen Planungen für die historische Mitte berücksichtigt werden.“

Zustimmung kam auch von der Berliner FDP. „Das Experiment ‚Flaniermeile Friedrichstraße‘ ist gescheitert und darum ist es auch folgerichtig, dass alle Verkehrsteilnehmer die Friedrichstraße ab dem 1. Juli wieder nutzen können“, sagte der Berliner FDP-Generalsekretär Lars Lindemann.

Für IHK-Vizepräsident Robert Rückel ist die Entscheidung folgerichtig. Sie böte „die Chance auf den dringend notwendigen Neustart in diesem festgefahrenen Prozess“. Es gelte ein Gesamtkonzept zu entwickeln, „das über die umstrittenen 500 Meter Asphalt hinausweist und Wege zur nachhaltigen Aufwertung der historischen Mitte eröffnet“. Die Gewerbetreibenden rund um den Abschnitt der Friedrichstraße sollten dabei eng eingebunden werden. „Schließlich sind sie es, die mit ihren Geschäften, Restaurants und Dienstleistungen wesentlich zur Attraktivität der historischen Mitte beitragen.“

Ähnlich äußert sich Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer von der Vereinigung der Unternehmerverbände in Berlin und Brandenburg (UVB).: „Die politischen Hau-Ruck-Aktionen der Vergangenheit haben dem Standort geschadet und die Verkehrslage nicht verbessert“, heißt es in einer Mitteilung. In die Planung „sollten Daten über die Mobilität und über die Nutzung der verschiedenen Verkehrsträger unbedingt einbezogen werden.“ (mit dpa)

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