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Original Okasa-Dose aus dem privaten Schatz der Kolumnistin.

© Universitätsbibliothek Heidelberg

Aphrodisiakum 1926: Okasa – mit der Kraft des Yohimbe-Baumes

In Folge 25 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte geht es um eine Arznei, die helfen sollte, die „Lebensfreude“ zu steigern.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

„Hundertausende Männer leiden an vorzeitigen Schwächezuständen“, informierte diskret die Anzeige der Berliner Kronen-Apotheke aus der Berliner Friedrichstraße 160. Ihr Inserat in der Satirezeitschrift „Simplicissimus“ im Oktober 1926 war ernst gemeint: Die Lösung bei „Schwäche“ könne samt Broschüre gegen „kostenlose und ganz diskrete Zusendung“ beim Apotheker Leon Stolzmann bestellt werden, hieß es.

„Okasa“, benannt nach dem Erfinder der Rezeptur, dem Pharmazeuten Otto Kaesbach aus Hamburg, war ein Aphrodisiakum, hergestellt in Berlin von der Hormo-Pharmaka KG. Die Firma war von dem finanzkräftigen Investor Samuel Haimoff aus dem bulgarischen Sofia gegründet worden. Kaesbach selbst verfügte nicht über die Mittel für die Produktion.

Okasa-Werbung, hier in der Zeitschrift „Fliegende Blätter“ im Januar 1929.

© Beata Gontarczyk-Krampe

Die ursprüngliche Rezeptur enthielt die Substanz Yohimbin. Das Extrakt aus der Rinde des afrikanischen Yohimbe-Baumes wurde beim Volk der Pangwe in Süd-Kamerun auch als „Schweinepenis“ bezeichnet. Laut dem Hersteller der Pillen sollte es auch in Europa „von dem modernen Lebensstil von ihren natürlichen ‚Drang‘ beraubten Männern“ helfen, ihre „Manneskraft“ wiederzufinden.

Mit jeder der Millionen hergestellten Pillen (ein ursprünglich hergestelltes Tonikum erwies sich als unpraktisch, da es schwer „ganz diskret“ zu verschicken war) stiegen angeblich Lebenslust und der Stolz der Bürger. Und bald auch der Bürgerinnen! Die Apotheken boten Verzweifelten beider Geschlechter, die sich nach „Lebensfrische und Lebensbejahung“ sehnten, Hormo-Pharmakas Wundermittel in zwei Ausführungen an: Für Damen gab es „Okasa Gold“, Herren verkaufte man „Okasa Silber“.

Das Produkt war der Renner. Die Umsätze stiegen steil an, trotz oder gerade wegen der Weltwirtschaftskrise: Um 1938 entschied man sich, die Rezeptur leicht zu ändern: Neben Mineralsalzen, Vitaminen und Lezithin, wurden statt Yohimbin – das mittlerweile nur schwer aus dem Ursprungsland, der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun, zu beziehen war – eine Substanz verwendet, das aus dem Zwischenhirn und Keimdrüsen von Rindern gewonnen wurde.

Mit dem Zweiten Weltkrieg, als die „liebenden Naturburschen“ Richtung Polen losmarschierten und die Zeiten noch stressiger wurden, gab es plötzlich unter ihnen ein Gerücht, dass die Berliner Firma bald ein neues Aphrodisiakum auf den Markt bringen werde: „Okasa Brutal“.

Nach dem Krieg kehrte Karl-Dieter, der 1920 in Berlin geborene Sohn Samuel Haimoffs (der Europa den Rücken gekehrt hatte), aus USA nach Berlin zurück. Er hieß mittlerweile Charles und sollte später zu einem von den großzügigen Sponsoren der American Academy in Berlin werden.

In der Kreuzberger Kochstraße 18 (heute Rudi-Dutschke-Straße) belebte er die Firma neu. Die Verkaufszahlen schossen durch die Decke: Im Januar 1967 exportierte er in 50 Länder, betrieb fünf internationalen Büros. Okasa wurde zu einem der hierzulande meistverkauften Markenprodukte. Der Name – dank Werbung im Wert von einer Million Mark im Jahr – war weltweit bekannt. Auch Bundespräsident Heinrich Lübke muss es wohl gekannt haben: Nach der Rückkehr aus seiner Japan-Reise erzählte er von einer Stadt, die er besucht habe. „In einer Stadt, na, wie hieß sie noch? Okasa?“

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