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Eine Frau geht am Stand des Sultanats Oman auf der ITB vorbei. Die Internationale Tourismus-Börse (ITB) Berlin gilt als führende Messe der weltweiten Reise- und Tourismusindustrie.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Island links, Malediven rechts: Corona war mal – jetzt wird gereist, und die ITB boomt

Auf dem Messegelände am Funkturm trifft sich derzeit die Reisebranche. Unser Autor hat erste Highlights identifiziert und geschaut, wie sich Berlin als Reiseziel präsentiert.

Hui, groß. So viel Trubel war lange nicht drunten unter dem Berliner Funkturm, wo sich die Internationale Tourismus-Börse ITB langsam zum Vorzeigestück der Berliner Messe entwickelt hat. Obwohl schon lange nur noch Fachbesucher zugelassen sind, gibt es richtiges Gedrängel, und die genutzte Hallenfläche stellt die Klassiker IFA und Grüne Woche deutlich in den Schatten.

Kaum ein Segment der internationalen Wirtschaft hat Corona anscheinend so gründlich überwunden wie die Reisebranche, die Suche nach ein paar Wochen richtigen Lebens im falschen bewegt zumindest den globalen Norden wie lange nicht mehr.

Und international geht es zu. Praktisch jedes Urlaubsland der Welt scheint irgendwie vertreten, ausgenommen Nordkorea und natürlich Russland. Sogar die Ukraine hat eine kleine Nische besetzt und erklärt trotzig „Ukraine is here“, wenngleich die Buchungslage eher mau sein dürfte.

Das gilt sicher auch für Israel, das sich dennoch in gewohnter Üppigkeit präsentiert und jene Ziele hervorhebt, die vom Krieg möglichst weit weg sind; ein paar muskulöse Männer in Zivil achten darauf, dass da nichts auf die ITB überschwappt.

Das Messegelände lang zum Eröffnungstag am  Haupteingang (Nord) im Sonnenschein.
Das Messegelände lang zum Eröffnungstag am Haupteingang (Nord) im Sonnenschein.

© Bernd Matthies

Der Unterschied zu Publikumsmessen wie der Grünen Woche ist augenfällig: Niemand kocht Essen, keine Kapelle lärmt mit autochthonen Melodien, dafür gibt es zahlreiche Sitzplätze zum legeren Konferieren. Die Besucher besitzen Reisebüros oder Hotels, programmieren Buchungs-Software oder profitieren als Influencer vom Erfolg der Branche. Wer Nutzen ziehen will vom Rundgang, der hatte seine Termine beisammen, bevor es auch nur annähernd losging.

Das Gastland Oman steht für einen Trend, der die gesamte Region erfasst hat. Die sicheren arabischen Staaten, vor allem die Emirate, haben sich bombastisch herausgeputzt mit Luxushotels jeder bekannten Kette, sie werben mit blauem Meer, Wolkenkratzern in der Wüste und überbordender Gastfreundschaft – künstliche Welten mit Schönwettergarantie und komfortablen Lounges, in denen jederzeit auch Wein und Whisky fließen.

Notfalls tut es auch ein spektakulärer Wasserfall

Ähnlich opulent zeigen sich auch andere Länder, die erst langsam auf den Reisemarkt drängen, Rumänien, Georgien, Aserbaidschan, Kasachstan – die Seidenstraße scheint zum touristischen Projekt geschrumpft.

Bewährte Standardziele wie die Dominikanische Republik oder Mauritius zeigen sich in schönsten Farben ober- und unterhalb der Wasserlinie, wie überhaupt gilt: Wer keinen Strand mit bunten Fischen hat, der präsentiert wenigstens Infinity-Pools und Badelandschaften, notfalls einen spektakulären Wasserfall.

Island links, Malediven rechts, das gehört hier zusammen. Bemerkenswert ist auch, wie üppig sich die afrikanischen Länder präsentieren, augenfälligen Luxus für solvente Reisende eingeschlossen. Das Sprachengewirr ist enorm, wenngleich die Messe bis in den letzten Winkel auf Englisch abgewickelt wird.

Die Fluggesellschaft Emirates aus Dubai präsentiert sich den Fachbesuchern.
Die Fluggesellschaft Emirates aus Dubai präsentiert sich den Fachbesuchern.

© Bernd Matthies

Was in gewisser Weise auch für den Berliner Stand gilt. Die Leute von „Visit Berlin“ sind guter Dinge, die Terminkalender platzen, die Nachfrage läuft offenbar bestens. Sabine Wendt, die neue Co-Geschäftsführerin, läuft sich vorn warm, während Burkhard Kieker, der andere Chef, hinten dabei ist, wenn EasyJet unter den Augen von Franziska Giffey sein Programm für Berlin markant aufstockt.

Berlin-Besucher am Stadtrand werden sichtbar gemacht

Auch der Versuch, die Berliner Mitte durch Werbung für die Außenbezirke ein wenig zu entrollkoffern, wird fortgesetzt. Sabine Wendt kann auf diesem Weg sogar messbare Fortschritte zeigen: Eine Software, die die Wege der Berlin-Besucher per Handy-Daten sichtbar macht, ist nun nach ein paar komplizierten Jahren einsatzfähig und beweist, dass viele neugierige Leute am Stadtrand tatsächlich Touristen sind.

Berlin hat zwar zahllose russische oder chinesische Gäste verloren, aber Christian Tänzler, der Visit-Sprecher, dementiert energisch, dass es beispielsweise in den USA wegen des Ukraine-Krieges eine Absetzbewegung zu Lasten der Top-Hotels gäbe. Aber noch lieber verweist er auf das boomende Polen, dessen Bürger längst eine richtige Größe im Berlin-Tourismus sind.

Am abstraktesten ist die ITB dort, wo es für Zaungäste nichts zu sehen gibt. Das sind die Stände der Buchungsportale und Suchmaschinen wie booking.com, die die Touristenströme mit Bewertungen, Rabatten und Provisionen steuern. Um sie herum haben sich Autovermieter und Spezialisten für Hotelsoftware und allerhand andere Gewerbe angesiedelt, obendrauf dümpeln wie die Spitze des Eisbergs die großen Hotel-Companies als sichtbares Ende der Verwertungskette.

Das größte Projekt dieser ITB findet aber draußen statt, in der an sich trostlosen Fußgängerpassage unter dem Messedamm. Die Rolltreppen bleiben zwar kaputt, aber es ist geputzt und riecht betont neutral. Und der Bühnenaufbau der Berliner Clubkommission füllt die Leere mit Musik und Menschen, das ist ein echter Fortschritt. Auch wenn es zugig und kalt bleibt dort unten.

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