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Der BVV-Saal in Lichtenberg.

© Robert Klages

Alltagsrassismus in Berlin-Lichtenberg: Kritik an rassistischen Äußerungen nicht konform mit Geschäftsordnung

Ein CDU-Politiker äußert sich rassistisch im Bezirksparlament. Es wird der Ältestenrat einberufen: Aber nicht wegen der Äußerung, sondern wegen des Zeitpunkts der Kritik daran.

Kritik an rassistischen Aussagen ist nicht konform mit der Geschäftsordnung. Das musste Stadtrat Kevin Hönicke (SPD) erfahren, denn seine angebrachte Kritik hatte nichts mit dem gerade laufenden Redebeitrag zu tun.

Während der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg hatte der CDU-Verordnete Klaus-Dieter Ahrends in einem vorhergegangenen Beitrag geäußert: „Ich finde es ja schön, dass sich das Bezirksamt um Leute in der Südsee kümmert, aber in Karlshorst…“

Er spielte damit auf eine Delegation der Fidschi-Inseln an, die gerade im Bezirk aufgrund der Special Olympics zu Gast ist. Lichtenberg ist „Host Town“, also Gastgeber, für die Sportler:innen mit körperlichen Beeinträchtigungen aus der Südsee. In den Ansprachen des Bezirksamts war das zuvor Thema gewesen.

Ahrends griff dies auf und meinte, es solle sich zunächst einmal um die Bürger:innen in Karlshorst gekümmert werden und sprach dann von einer dortigen Problematik mit dem Abwassersystem, welche dringend behoben werden sollte. Sicherlich ein gutes Anliegen, die Herleitung eher weniger.

In einer Liga mit Trump und rechten Gruppierungen

Ein klassischer Fall von Alltagsrassismus: Der CDU-Verordnete beschwerte sich eindeutig darüber, dass Menschen aus der Südsee Beachtung bekommen, man solle sich erstmal um die Probleme der eigenen Bevölkerung kümmern. Mit solcherlei Sichtweisen machte nicht zuletzt der Populist und ehemalige US-Präsident Donald Trump Wahlkampf, wenn er forderte: „America first“. Auch rechte Gruppierungen und die AfD nutzen ähnliche Parolen.

Rassistische Äußerungen fielen zunächst nicht auf

In der BVV fiel das zunächst nicht weiter auf. Erst Stadtrat Hönicke nutzte seine Redezeit, um darauf aufmerksam zu machen. Der BVV-Vorsteher Gregor Hoffmann (CDU) rief daraufhin den Ältestenrat ein: jeweils die Vorsteher:innen der Fraktionen sowie die Mitglieder des Bezirksamtes versammelten sich also unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Beratung unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Was Thema des Rats war, wurde danach in der BVV nicht thematisiert, auch kam die Aussage von Ahrends nicht mehr zur Sprache. Weiter ging es in der Tagesordnung. Hönicke teilte mit, sein Redebeitrag sei nicht konform mit der Tagesordnung gewesen, da er nichts mit dem Thema zu tun hatte, das gerade besprochen wurde – daher wurde der Ältestenrat einberufen.

Der Redebeitrag des CDU-Verordneten hatte einen sehr irritierenden Schlag

Lichtenbergs SPD-Stadtrat Kevin Hönicke.

Die CDU will den rassistischen Satz angeblich nicht mitbekommen haben, teilte mir eine Teilnehmerin des Ältestenrats mit. Sowohl Hoffmann als auch Bürger:innenmeister Martin Schaefer (CDU) hätten sich nicht geäußert. Grüne, Linke und SPD verurteilten die Äußerungen. Die AfD hingegen nicht. Wo wir wieder bei Alltagsrassismus sind.

„Der Redebeitrag des CDU-Verordneten hatte einen sehr irritierenden Schlag und ich war verwundert, dass das nicht thematisiert wurde“, sagt Hönicke. Leider sei er nicht direkt, sondern erst später zur Sprache gekommen.

Das sagt BVV-Vorsteher Hoffmann (CDU):

BVV-Vorsteher Hoffmann sagte auf Nachfrage: Im Ältestenrat sei über Rassismus gesprochen worden „und über verschiedene Wahrnehmungen der Stadträtinnen und Stadträte dazu“. Im Ergebnis seien sich die Fraktionen einig, „hier eine hohe Sensibilität an den Tag zu legen und dies bei eigener Wahrnehmung sofort dem Vorstand anzuzeigen, sodass eine konkrete Betrachtung situativ möglich ist“.

„Mein Beitrag wird weiterhin sein, diese Sensibilität zu unterstützen und unabhängig zu einem würdevollen Dialog des Gremiums beizutragen“, so Hoffmann. „Es war gut, dass wir im Ältestenrat gemeinsam reflektiert und eine Verabredung getroffen haben, welche von allen Demokraten mitgetragen wird.“

Vorsteher mahnt Kritik zu Jesus an, Rassismus nicht

Vorsteher Hoffmann hatte zuvor einen anderen Redebeitrag angemahnt: da ging es um einen kritischen Bezug zu Jesus und Glaubensgemeinschaften. Hoffmann wollte auf Nachfrage nicht mitteilen, was genau und von wem gesagt wurde. Er habe angemahnt, dass „die Tonalität im Sinne eines respektvollen Miteinander zu achten sei. Wichtig bleibt für die gesamte BVV, dass ein kritischer und respektvoller Dialog unterschiedlicher Auffassungen möglich bleibt.“

Diesmal die AfD: Erneut wird der Ältestenrat einberufen

Später wurde dann nochmal der Ältestenrat einberufen: Nachdem sich ein Politiker der AfD rassistisch geäußert hatte („Flüchtlingsströme“), und dies von einer Linken-Politikerin kritisiert worden war, unterbrach Vorsteher Hoffmann erneut die Sitzung für mehr als zehn Minuten. Danach ging es ohne Hinweis für die Öffentlichkeit weiter im Takt.

Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Newsletter für den Bezirk Lichtenberg, hier einige Themen dieser Woche:

  • Wenn Auto-Parkplätze wegfallen: Senatsverwaltung stoppt vorerst Radwegprojekte
  • Radweg Siegfriedstraße betroffen, doch der Bezirk macht weiter 
  • CDU mit Alltagsrassismus, aber Kritik daran ist nicht konform mit der BVV-Geschäftsordnung
  • Die Frauenbeauftragte, die Kugeln wirft
  • Museum Berlin-Karlshorst setzt sich kritisch mit Fotos eines Wehrmachtsarztes auseinander: Bilder aus dem besetzten Osteuropa 1941/42
  • Bio-Radtour durch den Spreewald: mit Gurken-Radler durch die Fahrradwaschanlage
  • Bauhaus to go: Ausstellung in der rk-Galerie endet mit Performances 
  • Berlins größter Rugby-Verein wird 20

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