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Ein Brandanschlag hat die Bücherbox nahe dem Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald zerstört.

© Privat / Michael Richert

Update

Berliner Holocaust-Gedenkort in Grunewald: Brandanschlag zerstört Bücherbox – Polizei prüft antisemitische Motive

Ein Unbekannter hat die Büchertausch-Box vor dem Bahnhof Grunewald angezündet, die hauptsächlich Literatur zur Judenverfolgung in der Nazizeit enthielt. Der Staatsschutz ermittelt.

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Konrad Kutt ist fassungslos: Eine Brandstiftung, die er als „schweres antisemitisches Attentat“ wertet, hat am Sonnabend seine „BücherboXX am Gleis 17“ auf dem Vorplatz des S-Bahnhofs Grunewald zerstört. Der Staatsschutz des Landeskriminalamts Berlin ermittelt wegen des Verdachts judenfeindlicher Motive. Bei den verbrannten Büchern handelt es sich größtenteils um Literatur über die Verfolgung, Deportation und Ermordung vieler Berliner Juden in der Nazizeit.

Nach Angaben der Polizei beobachteten Zeugen frühmorgens zwischen 4 und 5 Uhr, wie ein Mann eine Kiste in die Bücherbox stellte und anzündete. Laut Konrad Kutt hinterließ der Täter ein „krauses, aber eindeutiges“ rechtsextremes Bekennerschreiben.

Anwohner und Initiatoren des Bücher-Projektes trafen sich am Samstag vor Ort, um die Geschehnisse zu besprechen und den Tatort in Augenschein zu nehmen, wie Helmuth Pohren-Hartmann von der Initiative Stolpersteine Berlin-Friedenau am Sonntag der dpa berichtete. Die Initiatoren der Bücherbox verurteilten den Vorfall in einem Schreiben als „Angriff auf die Zivilgesellschaft, auf eine Kultur der Erinnerung, auf die Freiheit und die Demokratie“. Er erzählte von einem Bekennerschreiben, das der mutmaßliche Täter am Brandort zurückgelassen habe. „Das war ganz klar antisemitisch“, sagte er.

Die ausgediente Telefonzelle war eine von 19, die Kutt in Berlin und im polnischen Posen für den kostenfreien Büchertausch umgestalten ließ. Sein vor 14 Jahren gestartetes Projekt „Nachhaltige BücherboXXen“ gilt als wegweisend für weitere Initiativen, die Telefonzellen zu Straßenbibliotheken umgewandelt haben. Die Schreibweise mit den zwei Großbuchstaben XX verwendet allein Kutt. 2019 erhielt er für seine Verdienste die Bürgermedaille des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf.

Konrad Kutt ist der Erfinder der „BücherboXXen“. Unser Bild zeigt ihn vor vier Jahren an der umgewandelten Telefonzelle am Bahnhof Grunewald, die nun zerstört wurde.

© Cay Dobberke

Die Besonderheit am Bahnhof Grunewald ist die Nähe zum Mahnmal „Gleis 17“. Es erinnert an den Ort, wo viele tausend Berliner Juden während der Nazizeit in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden. Diesem Thema war auch die „BücherboXX“ gewidmet. Neben Literatur gab es ein Audiogerät, mit dem beispielsweise Lesungen aus Büchern angehört werden konnten.

Auf die Verbindung zum Mahnmal wiesen der Schriftzug „Gleis 17“ und hebräische Schriftzeichen an den Metallwänden hin. Ob und wie die Box durch eine neue ersetzt werden kann, ist noch nicht absehbar.

Bereits im vergangenen Juni hatten Unbekannte das Mahnmal Gleis 17 geschändet. An der metallenen Gedenktafel stellte die Polizei „Einkerbungen und Farbabrieb“ fest. Außerdem waren ein Davidstern und der Schriftzug „Israel“ in die Steinmauer gekratzt worden. 

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