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Tauben versammeln sich oft dort, wo sie gefüttert werden.

© Kitty Kleist-Heinrich

„Das sind Wildtiere“: AfD-Stadtrat will keine Taubenschläge im Bezirk

In jedem Bezirk sollen sich „Stadttaubenbeauftragte“ um die Taubenpopulation kümmern. Doch der zuständige Stadtrat in Treptow-Köpenick lehnt das ab — mit fragwürdigen Argumenten.

Die einen nennen sie die „Ratten der Lüfte“, andere ziehen regelmäßig mit Säcken voller Vogelfutter los, um sie zu füttern: Über Stadttauben gibt es geteilte Meinungen. Doch sie sind nun einmal da – und zwar in großen Mengen. Wie geht man also mit ihnen um und wie verhindert man, dass sie den Menschen in die Quere kommen?

Die Landestierschutzbeauftragte von Berlin, Kathrin Herrmann, veröffentlichte Anfang des Jahres das „Stadttaubenmanagementkonzept“. Darin empfiehlt sie unter anderem, im Stadtgebiet betreute Taubenschläge einzurichten: Dort finden die Vögel nicht nur sichere Orte zum Brüten, sondern werden auch mit artgerechtem Futter versorgt – das Herumpicken an Müllbeuteln ist dann nicht mehr nötig. Zudem werden dort regelmäßig Eier durch Eierattrappen ausgetauscht, um eine Überpopulation zu vermeiden.

Das Konzept hat sich bereits seit Jahren in anderen Kommunen wie dem bayerischen Augsburg bewährt. In Berlin soll die Aufgabe an die einzelnen Bezirke und ernannte „Stadttaubenbeauftragte“ übergeben werden. Die Bezirksverordneten von Treptow-Köpenick stimmten bereits im vergangenen Herbst einem Antrag der Tierschutzpartei zu, dass sich das Bezirksamt für die Umsetzung des Konzeptes einsetzen soll. Die Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz hatte die Behörde vor Kurzem daran erinnern müssen. Doch AfD-Bezirksstadtrat Bernd Geschanowski, zuständig für den Bereich Öffentliche Ordnung, erteilte dem Beschluss jetzt eine Absage.

Er tut das allerdings mit sehr fragwürdigen Argumenten. Der Taubenproblematik müsse sich zwar ohne Zweifel angenommen werden, schreibt er. Dabei sei aber die zentrale Frage, wer dafür zuständig sei und wie man eine Stadttaube überhaupt definiere: Sei sie Haustier oder Wildtier? Die Haustaube sei zwar einst vom Menschen domestiziert worden, die Stadttaube falle aber nicht darunter. Für Geschanowski sind Tauben ohne Frage Wildtiere – ähnlich Schwalben, Mardern oder Waschbären. Sie könnten „schlecht angeleint oder eingesperrt“ werden.

Entweder hat er Ziel und Zweck des Programms nicht verstanden oder erklärt Fachleute bewusst für inkompetent

CDU-Fraktionsvorsitzender Dustin Hoffmann über AfD-Stadtrat Bernd Geschanowski

„Ich wage es nun, Tauben eine gewisse Intelligenz zuzuschreiben. Ich konnte beobachten, wie eine Taube, welche in Adlershof in die S-Bahn stieg, um am Bahnhof Johannistal den Zug zu verlassen [sic!]. Ich wage zu bezweifeln, dass Haustiere, wie beispielsweise ein Mops oder ein Meerschwein die gleichen Überlebenschancen in freier Wildbahn hätten, wie eine Taube“, so der Stadtrat weiter. Für ihn sei klar, dass es sich um eine Naturschutzangelegenheit handle und somit nicht in sein Aufgabenfeld falle.

Bei der CDU-Fraktion stößt die Antwort Geschanowskis auf Unverständnis. „Der AfD-Stadtrat Geschanowski lehnt das Stadttaubenmanagment ab und schreibt als Begründung groben Unfug. Entweder hat er Ziel und Zweck des Programms nicht verstanden oder erklärt Fachleute bewusst für inkompetent. Anstatt sich für mehr Sauberkeit in der Stadt und für mehr Tierschutz einzusetzen, vergleicht er Tauben lieber mit Hamstern und Hunden. Das ist eines Stadtrats unwürdig und zeigt, dass die AfD nicht in der Lage ist, in jeglicher Funktion Verantwortung zu übernehmen“, schreibt CDU-Fraktionsvorsitzender Dustin Hoffmann auf Tagesspiegel-Nachfrage.

Noch kein Standort gefunden

Unterdessen hat sich die Abteilung von Carolin Weingart, Stadträtin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Teilhabe (Die Linke), bereit erklärt, die Aufgabe zu übernehmen. „Ich kenne das Konzept aus Jena, wo es vor Kurzem sogar mit dem Thüringer Tierschutzpreis ausgezeichnet wurde“, sagt sie. Im Sommer habe sie bereits Fördermittel für die Umsetzung des Taubenmanagements beantragt; doch noch hat der Bezirk keinen geeigneten Standort gefunden, um einen betreuten Taubenschlag einzurichten.

Weil sich eine Privatinitiative im Kosmosviertel bereits seit Längerem um die Fütterung von Stadttauben kümmert, hält Weingart einen Standort in dem Kiez am sinnvollsten. Dieser müsse allerdings bald gefunden werden – denn ob auch die neue Landesregierung finanzielle Mittel für das Stadttaubenmanagement im nächsten Haushalt bereitstellen werde, sei unklar.

Dies ist ein Text aus dem aktuellen Tagesspiegel-Newsletter für Treptow-Köpenick, der jeden Montag erscheint. Weitere Themen diese Woche sind unter anderem:

  • Aus der Finanzplanung gestrichen: Innovations- und Technologiezentrum Industrie 4.0 in Schöneweide wird vorerst nicht gebaut
  • Fachkräftemangel in den Gesundheitsämtern: Treptow-Köpenick ist am besten aufgestellt
  • Wohin im Notfall? Warum der Bezirk nur einen „Katastrophenschutzleuchtturm“ besitzt
  • Flughafen erwirtschaftet weiterhin keine Gewinne: CDU-Politiker fordert Privatisierung des BER
  • „Auf eine Currywurst mit Gregor Gysi: Lesung mit dem politischen Urgestein im Kino Union
  • Der Vater der Sternwarte: Stolpersteinverlegung für Friedrich Simon Archenhold

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