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In Neukölln demonstrierten auch 2021 verschiedene palästinensische Gruppen gegen Flucht und Vertreibung von Hunderttausenden Palästinensern. Nach der Eskalation der Gewalt in Nahen Osten kam es bei solchen Demonstrationen auch zu antisemitischen Äußerungen.

© Fabian Sommer/dpa

Update

Antisemitische Demo in Berlin: Wegner zeigt sich „erschüttert über die Bilder aus Neukölln“ – Kritik an Polizei wächst

Politiker und Verantwortungsträger haben die Demo scharf kritisiert. Minister Buschmann sprach von einem „Anfangsverdacht auf Volksverhetzung“. Die Polizei ermittelt.

| Update:

Bei einer Palästinenser-Kundgebung am Karsamstag zogen Hunderte Menschen durch Berlin-Neukölln und -Kreuzberg und riefen dabei laut des Vereins „Democ“ antiisraelische Parolen. Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, kritisierte in einer Mitteilung am Ostermontag, „diese Israelhass-Demonstration hätte so nicht stattfinden dürfen“.

Die Lage in den besetzten Gebieten sei angespannt, zudem stünden Jahrestage bevor: Israel feiert am 14. Mai den 75. Jahrestag seiner Staatsgründung. Vor diesem Hintergrund sei in nächster Zeit mit weiteren antisemitischen Demonstrationen zu rechnen und das Bundesinnenministerium müsse jetzt handeln, betonte Beck.

Wie eine Sprecherin der Polizei Berlin dem Tagesspiegel am Montagmittag bestätigte, gingen mittlerweile mehrere Strafanzeigen ein. „Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung wurden eingeleitet“, sagte sie. Volker Beck gehört nach eigenen Angaben zu den Anzeigeerstattern.

Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) teilte auf Twitter mit, sie „verurteile jegliche Art von antisemitischen Drohungen und Äußerungen. Hass hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen.“ Sie bestätigte, dass der Staatsschutz Ermittlungen aufgenommen und erstes Beweismaterial bereits ausgewertet habe.

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Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb zu der Demonstration auf Twitter, angesichts der antisemitischen Parolen, die die Teilnehmenden skandiert hätten, bestünde „ein Anfangsverdacht auf Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 StGB. Ich gehe davon aus, dass alle zuständigen Sicherheitsbehörden demgemäß dagegen vorgehen.“

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Volker Beck kritisierte, die Demonstration am Ostersamstag „hätte spätestens nach dem Ruf volksverhetzender Parolen wie ‚Tod den Juden! Tod Israel’ aufgelöst werden müssen.“ Er forderte mittels eines Schreibens an Innensenatorin Iris Spranger eine Erklärung, weshalb die Einsatzkräfte der Polizei Berlin nicht eingeschritten seien.

Beck fordert Verbot der Gruppierung „Samidoun“

Außerdem müsse das Bundesinnenministerium ein Verbot von „Samidoun“ prüfen. Bei der Demonstration am Ostersamstag hätten Fahnen der Gruppierung gezeigt, dass diese zur Mobilisierung für die Kundgebung beigetragen habe, erklärte Beck in der Mitteilung und wandte sich mit dieser Forderung in einem Schreiben an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

„Samidoun“ bezeichnet sich selbst als Solidaritätsnetzwerk für palästinensische Gefangene, wurde vom Staat Israel aber zur Terrororganisation erklärt. Mitglieder der „Volksfront zur Befreiung Palästinas” (PFLP) gründeten die Gruppierung 2012. Die linksextreme PFLP steht seit 2002 auf der Liste terroristischer Organisationen der Europäischen Union und seit 1997 auf der Terrorliste der USA.

Der designierte Regierende Bürgermeister Berlins, Kai Wegner (CDU), sagte dem Tagesspiegel: „Die Bilder aus Neukölln sind erschütternd. Antisemitismus und Israelfeindlichkeit, egal aus welcher Richtung, dürfen in Berlin keinen Platz haben.“ Wegner betonte, er habe „volles Vertrauen in unsere Polizei, dass die Täter schnell ermittelt und bestraft werden. Berlin ist und bleibt weltoffen und tolerant.“

Berlins CDU-Generalsekretär Stefan Evers twitterte: „Wer Israel den Tod wünscht, wer seinen Judenhass offen zur Schau trägt, der verachtet unsere demokratischen Werte, der missbraucht unsere Freiheiten für reine Menschenfeindlichkeit. So etwas hat weder in Berlin etwas zu suchen, noch sonst irgendwo.“ 

Der antisemitische Charakter der Versammlung ist auf Basis der vorliegenden Informationen unzweifelhaft.

Samuel Salzborn, Antisemitismusbeauftragter des Landes Berlin

Arbeitsgruppe zu „zunehmender antisemitischer und antiisraelischer Hetze“ 2022

Der Antisemitismusbeauftragte des Landes Berlin, Samuel Salzborn, sagte dem Tagesspiegel: „Der antisemitische Charakter der Versammlung ist auf Basis der vorliegenden Informationen unzweifelhaft, die Bedrohung für Jüdinnen und Juden wird offen ausgesprochen – damit steht die Versammlung in einer Linie mit Kundgebungen der letzten Jahre, bei denen antiisraelischer Antisemitismus verbunden wird mit offener Hetze gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland.“

Er habe deshalb „die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbehörden auch um Prüfung von strafrechtlichen Fragen mit Blick auf die Versammlung gebeten.“ Zudem erinnerte Salzborn auch an den Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Thematik „Handlungsbedarf aufgrund zunehmender antisemitischer und antiisraelischer Hetze vor dem Hintergrund des Nahost-Konflikts“. Dieser war bei der Innenministerkonferenz im November und Dezember 2022 beraten worden.

Der Berliner Antisemitismusbeauftragte wies darauf hin, die Arbeitsgruppe habe „unter anderem empfohlen, „fortlaufend die Möglichkeiten von Vereins- und Betätigungsverboten“ zu prüfen – hierfür liegt die Zuständigkeit aber beim Bund.‘“

Auch Ron Prosor, israelischer Botschafter in Deutschland, kritisierte die Demonstration scharf. Die Teilnehmenden „rufen ohne Hemmung zur Vernichtung Israels und der Juden auf“ und „missachten die demokratischen Werte“, schrieb er auf Twitter.

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Jüdischer Verein kritisiert Polizei

Der Jüdische Verein „WerteInitiative“ schloss sich der Kritik am Polizeieinsatz bei der Palästinenser-Kundgebung an. „Verantwortlich für den Nicht-Abbruch der antisemitischen Demonstration vom Samstag 8.4.2023 ist der/die EinsatzleiterIn“, teilte der Verein am Montag mit. Die Polizei und Innensenatorin Iris Spranger müssten nun schnell klären, warum die Demonstration nicht beendet und niemand festgenommen worden sei.

„Die Anforderung an die Polizei war nicht, versteckte antisemitische Codes zu dechiffrieren, sondern es war banaler, klar erkennbarer Judenhass. So geht keine wehrhafte Demokratie. Der Schaden ist immens“, sagte der Vereinsvorsitzende Elio Adler.

In der Mitteilung betont der Verein: „Seit Langem schon fordern wir das Verbot der vermeintlichen ,Hilfsorganisation’ Samidoun, die in diesem Fall wie auch bereits in der Vergangenheit mitverantwortlich für die Hass-Demo war.“

Trotz Dolmetschern schritt die Polizei bei der Demonstration nicht ein

Hintergrund der Demonstration waren unter anderem die anhaltenden Konflikte rund um die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem. Die Polizei war mit rund 250 Einsatzkräften vor Ort, zitiert die Deutsche Presse-Agentur (dpa) einen Polizeisprecher. Auch Sprachmittler und Dolmetscher seien beteiligt gewesen. Die Polizei habe im Anschluss Videomaterial ausgewertet. Zu den Erkenntnissen konnte der Sprecher laut dpa nichts sagen. Nach seiner Kenntnis seien Polizistinnen und Polizisten nicht eingeschritten.

Dies hatte auch die Organisation democ berichtet, ein Zusammenschluss von Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und Medienschaffenden, die demokratiefeindliche Bewegungen untersuchen.

Vorstands- und Gründungsmitglied Grischa Stanjek schilderte am Montag, er habe die gut zweieinhalbstündige Kundgebung gemeinsam mit einem Kollegen begleitet. Er sprach von etwa 300 Teilnehmern. Anhand der Aufnahmen habe ein Dolmetscher israelfeindliche und antisemitische Parolen übersetzt, die gesungen oder von einem Lautsprecherwagen gerufen worden sein. Democ stellte davon einen Mitschnitt ins Netz.

In dem Mitschnitt ist zu sehen, wie Teilnehmende Fahnen der Gruppierung „Samidoun“ schwenken. Laut der Übersetzung von Democ wurde die Freilassung von Terroristen gefordert. Zudem wurden demnach die Qassam-Brigaden, der militärischen Arm der radikalen Palästinenserorganisation Hamas, glorifiziert.

„Samidoun“ sprach am Montag auf Instagram von absichtlichen Übersetzungsfehlern im Video-Mitschnitt. Außerdem sei der Ruf „Tod den Juden“ von einem Teilnehmer aus der Masse heraus gerufen worden und nicht über das Mikrofon des Veranstalters. „Wir bezweifeln sogar die Authenzität dieses Abschnitts“, heißt es im Instagram-Posting. 

Der Vize-Chef der Bundespolizeigewerkschaft, Manuel Ostermann, forderte auf Twitter: „Antisemitismus muss in Deutschland mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden. Die Demo in Berlin ist erneut ein Bild der Schande.“ (mit dpa)

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