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Blick in die Betriebs- und Experimentierräume der Reaktoranlage. Aber die Tage des Wannsee-Reaktors sind gezählt.

© Thilo Rückeis

Helmholtz-Zentrum in Wannsee: Bis 2028 wird der Wannsee-Reaktor endgültig stillgelegt

Das Ende kommt in Sicht. Die Stilllegung des umstrittenen Reaktors ist auf den Weg gebracht. Sie dauert aber noch elf Jahre.

Das Ende kommt in Sicht. Um den Reaktor im Helmholtz-Zentrum in Wannsee, in dichter Nachbarschaft zu Potsdam, wie geplant Ende 2019 abschalten zu können, ist die Senatsumweltverwaltung jetzt einen weiteren Schritt vorangekommen. Sie hat – nach einer Ausschreibung – den Tüv Nord als Sachverständigen beauftragt, der den gesamten Abschalt- und Abbauprozess begleiten soll. Der Gesamtwert des Auftrages ist mit sechs Millionen Euro veranschlagt, die nach Angaben der Senatsumweltverwaltung das Helmholtz-Zentrum tragen muss.

Der Tüv Nord muss auch ein Sicherheitsgutachten erstellen

Zu den Aufgaben der Sachverständigen gehört laut Ausschreibung das „Begutachten von vorgelegten Plänen, Entwürfen und Absichtserklärungen“. Sie müssen auch das Sicherheitsgutachten erstellen und die Umweltverträglichkeit des Vorhabens prüfen. Zudem treten sie als atomrechtliche Sachverständige an. Um den Auftrag hatten sich vier Institutionen beworben.

Der Betrieb des Forschungsreaktors BER II soll am 31. Dezember 2019 beendet werden. Danach erfolgt zunächst eine „Nachbetriebsphase“. Erst anschließend wird der Reaktor dann endgültig stillgelegt. Der gesamte Prozess dauert nach Angaben des Sprechers der Senatsumweltverwaltung, Matthias Tang, voraussichtlich bis etwa 2028.

1957 ging man völlig sorglos an die Atomkraft heran

Das Helmholtz-Zentrum hatte schon 1958 einen ersten Forschungsreaktor in Betrieb genommen. Der damalige Regierende Bürgermeister Otto Suhr (SPD) hatte bei der Grundsteinlegung 1957 erklärt, die Sorge, die man sich wegen möglicher Gefährdungen in der Nähe des Instituts gemacht habe, sei völlig unbegründet. Man habe nicht nur jede erdenkliche Vorsorge getroffen, sondern Berlin habe geradezu den Ehrgeiz, sich an die Spitze aller Schutzbestrebungen gegen mögliche Gefährdungen bei der friedlichen Atomenergienutzung zu stellen, berichtete der Tagesspiegel damals.

Die Stadt, in der Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Straßmann die Kernspaltung entdeckt hätten, würde ihrer großen Tradition als Forschungszentrum und ihrer Zukunftsaufgabe als deutsche Hauptstadt nicht gerecht werden, wenn sie nicht alle Kräfte daransetzte, auch auf diesem Feld den Anschluss an die Welt wiederzugewinnen.

Beide Reaktoren dienten nur der Forschung

Schon damals bestand die Absicht, später einen weiteren Reaktor in Betrieb zu nehmen. 1973 war es so weit: BER II wurde eingeschaltet. Einsprüche aus der Bevölkerung hatte es nicht gegeben. Der leistungsschwächere Vorgänger war ein Jahr zuvor vom Netz gegangen. Die Reaktoren dienten nur der Forschung; Strom lieferten und liefern sie nicht. Dazu waren und sind sie zu leistungsschwach. BER II bringt es auf zehn Megawatt – ein Atomkraftwerk schafft dagegen weit über 1000 Megawatt.

Wie ein Kraftwerk produzieren die Anlagen in Wannsee aber auch strahlenden Abfall: Rund sieben Kilo Uran hängen im Reaktorbecken, weitere Brennelemente sind gelagert. Die Suche nach einem Endlager in Deutschland hat jetzt erst wieder begonnen.

1989 stritt sich der rot-grüne Senat um die Betriebsgenehmigung

Im rot-grünen Senat gab es 1989 Streit um die Betriebsgenehmigung. Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL) hatte einen Ablehnungsbescheid erteilt. Dagegen konnte auch der Bundesumweltminister bis zur Wiedervereinigung keine atomrechtliche Weisung erlassen, da der entsprechende Teil des Atomrechts in Berlin aufgrund des Berlin-Status nicht galt. Erst nach Ende des rot-grünen Senats wurde von der neuen Landesregierung eine Betriebsgenehmigung für den BER II erteilt.

Im Januar 2013 kippte das Oberverwaltungsgericht die vorgesehenen Flugrouten vom BER-Flughafen über Wannsee, weil die Risiken beim Überfliegen des Reaktors nicht ausreichend geprüft worden seien. Das Bundesverwaltungsgericht forderte anschließend eine neue Verhandlung, die noch nicht stattgefunden hat. Im November 2013 musste der Reaktor kurzfristig heruntergefahren werden, weil sich ein seit 2010 bekannter Riss im Kühlsystem schneller als erwartet vergrößert hatte. Die Sicherheit sei nie gefährdet gewesen, versicherten die Verantwortlichen.

Für die Anwohner gibt es einen Katastrophenschutz-Plan, der unter anderem nach dem Austreten von Radioaktivität das Verteilen von Jodtabletten vorsieht. Anwohner fordern seit Jahren das Ende des Reaktors. Die Initiativen reichen bis Potsdam.

Der Reaktor wird aber aus einem anderen Grund abgeschaltet: Für die Neutronenforschung gibt es kein Forschungsgeld mehr. Die rund 800 Mitarbeiter müssen sich andere Schwerpunkte suchen – vor allem im Bereich erneuerbarer Energie. Niemand solle seinen Job verlieren, heißt es beim Helmholtz-Zentrum.

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