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Influencerin Diana zur Löwen.

© imago/Sven Simon/IMAGO/Julian Meusel / SVEN SIMON

Oder ist es doch nur Werbung?: Diana zur Löwen und andere Influencer protestieren in Berlin

Ein Berliner Finanz-Start-up organisiert eine Demonstration und lässt bekannte Influencer reden. Von einem schlecht getarnten PR-Stunt wollen die Verantwortlichen nichts wissen.

Während das Land von wütenden Landwirten und trotzigen Lokführergesellschaften lahmgelegt wird, spricht der Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang in einem Beitrag der ARD von einer zu bequemen gesellschaftlichen Mitte: „Man hat sich sehr in seinem komfortablen Privatleben eingerichtet und man nimmt nicht hinreichend wahr, wie ernsthaft die Bedrohung für unsere Demokratie inzwischen geworden ist.“

Allgemein seien Tendenzen wahrzunehmen, dass das Recht auf Demonstration, einem Grundpfeiler der wehrhaften Demokratie, vermehrt von extremen Rändern vereinnahmt wird. Aber zum Glück gibt es Influencer wie Diana zur Löwen und Ibo Ahmiane aka „Professor Finanzen“: Sie demonstrierten am Dienstagabend im Berliner Volkspark am Weinberg gemeinsam mit Hunderten anderen jungen Menschen aus der (oberen) Mitte der Gesellschaft für „finanzielle Freiheit“.

Beim Veranstalter der Demonstration handelte es jedoch nicht etwa um eine gemeinnützige Organisation, die sich um Altersarmut sorgt, sondern um das Finanz-Start-up Trade Republic. „Seit fünf Jahren sind wir auf der Mission, die Rentenlücke durch private Vorsorge zu schließen“, schreibt das Unternehmen auf Instagram und macht damit mehr oder weniger transparent, dass die „Demonstration“ auch als eine Art Geburtstagsparty durchgehen könnte.

Wohlstand im Alter für alle?

Das Finanz-Magazin „Finance Forward“ fasst die Veranstaltung als „bizarren 50-Minuten-Protest von Trade Republic“ zusammen und schreibt: „Wenn auf den Staat kein Verlass ist, muss halt ein Berliner Fintech einspringen. So sehen es die Demonstranten.“ Auf der Unternehmenswebsite erklärt Trade Republic, wie das gehe: „Unser Ziel ist es, jedem die Möglichkeit zu geben (...) Wohlstand zu schaffen“, das funktioniere ganz einfach, indem Kunden Erspartes in Aktien, ETFs, Kryptowerte und Derivate investieren. Sprich: Wer sein Geld klug und genau bei diesem Unternehmen anlegt, lebt glücklich und wohlhabend bis an sein Lebensende.

Der Abschlussbericht der Berliner Polizei konstatiert: Die durch das Unternehmen angemeldete „Demo“ sei eine „rein kommerzielle“ Veranstaltung, ohne politische Redebeiträge oder sonstige Vorkommnisse gewesen. Rund 400 Personen hätten daran teilgenommen.

Eine gut orchestrierte Werbeveranstaltung also. Dem widerspricht eine Sprecherin von Trade Republic entschieden. In einem offiziellen Statement unterstreicht sie den politischen Mehrwert der Demonstration, die laut ihr „mehrere Tausend Teilnehmer“ hatte. Man sehe sich an der Spitze einer Bewegung, die auf eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, die Rentensicherheit, aufmerksam mache.

Seit Gründung vor fünf Jahren sei das politische Anliegen elementarer Bestandteil der unternehmerischen Motivation. Dass die eingeladenen „Experten“ Influencer waren, mit denen Trade Republic schon länger zusammen arbeitet, läge schlicht daran, dass sie die Anliegen besser an die Zielgruppe vermitteln könnten. So weit, so logisch.

Heißer Tee und kostenloser Merch

Einem der angekündigten Redner, der Finanz-Influencer oder „Finfluencer“ „Professor Finanzen“, folgen zufällig alleine auf TikTok 1,6 Millionen Menschen. Einen Tag nach der Kundgebung postete er auf seinen Kanälen einen Beitrag, auf dem er ein neues Produkt von Trade Republic bewirbt. Sein Beitrag ist natürlich nicht als Werbung markiert.

Auch die Influencerin Diana zur Löwen hielt eine Rede. Sie lernte irgendwann von Make-up und Mode zur Finanz-Aktivistin um – das klingt seriöser und eröffnet einen ganz neuen und liquiden Kundenstamm. Sowohl „Professor Finanzen“ als auch zur Löwen reagierten auf Tagesspiegel-Anfragen nicht.

Letztendlich ließen die prominenten Redner die Demo-Besucher sowieso weitgehend kalt. „Es gab halt kostenlose Getränke und am Ende war es ein als Demo getarnter PR-Stunt von Trade Republic, mit Reden darüber, dass man seine Kohle lieber in ETFs stecken, als auf Rente hoffen sollte“, sagt einer, der dort war. Immerhin gab es, wie für Influencerveranstaltungen (und nicht Demos) üblich, Geschenke: Merch von Trade Republic.

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