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Aktivisten der Gruppe Letzte Generation blockieren eine Straße an der Siegessäule.

© dpa/Sven Kaeuler

„Politisches Signal, verfassungswidrig“ : Anwälte kritisieren Berliner Eil-Prozesse zu Klimablockaden scharf

Die Berliner Staatsanwaltschaft will mehr beschleunigte Verfahren nach Straßenblockaden der Letzten Generation. Anwälte protestieren nun dagegen.

Solch massive Kritik an der Justiz hat es von Berliner Rechtsanwälten seit langer Zeit nicht mehr gegeben. Es geht um die Einführung von Schnell-Prozessen gegen Klimaaktivisten der „Letzten Generation“. Das sei verfassungsrechtlich bedenklich, erklärten die Vereinigung Berliner Strafverteidiger:innen und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein gemeinsam. Aus ihrer Sicht hängt die schärfere Linie gegen Klimaaktivisten mit dem Regierungswechsel in Berlin zusammen.

Seit einer Woche gibt es am Amtsgericht Tiergarten eigene Abteilungen für beschleunigte Verfahren gegen Klimaaktivisten. Damit reagierte das Gericht auf den Hinweis der Staatsanwaltschaft, die vermehrt Eil-Verfahren etwa nach Straßenblockaden führen will. Es handle sich um Ausnahmegerichte, die nach dem Grundgesetz verboten seien, erklärten die Anwaltsvereine. Es bestehe ein großes Risiko, dass die Justiz bei der Letzten Generation nicht unabhängig handle und geltendes Recht „ausgehebelt wird“. Die Unabhängigkeit der Richter, die verhindern soll, „dass die Justiz durch Manipulation (...) sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird“, werde „konkret gefährdet“.

Bislang 16 Eil-Verfahren

Es dränge sich auch wegen der zeitlichen Nähe zum Regierungswechsel der Eindruck auf, dass „bewusst eine Sonderzuständigkeit für die Letzte Generation“ geschaffen worden sei. „Es scheint mithin allein um ein politisches Signal in der ohnehin schon von Populismus geprägten Debatte zu gehen“, erklärten die Vereine.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft hatte die Frage verneint, ob die CDU-geführte Senatsjustizverwaltung angewiesen habe, vermehrt beschleunigte Verfahren gegen Klimaaktivisten zu führen. Das hat die Staatsanwaltschaft bereits in 16 Fällen beim Amtsgericht beantragt. 14 Verfahren richten sich gegen Mitglieder der Letzten Generation, zwei gegen Mitglieder von Extinction Rebellion. Bislang hat das Gericht keine Verhandlungstermine für Blitz-Prozesse angesetzt.

Dabei geht es um Widerstand gegen Beamte und Nötigung, etwa von Autofahrern. Nach Ansicht der beiden Verteidigervereine eignet sich strafrechtliche Bewertung der Klimablockaden nicht für beschleunigte Verfahren. Die Beweislage sei schwierig, in jedem Fall seien verfassungsrechtliche Abwägungen zu treffen. Vielmehr seien Eil-Verfahren nur für einfache Fälle mit klarer Beweislage geeignet. Das treffe bei den Klimablockaden aber nicht zu.

Das Kammergericht hatte jüngst entschieden, dass Blockaden nicht von der Versammlungsfreiheit gedeckt seien, doch für den Vorwurf der Nötigung sei eine „fallbezogene Abwägung“ nötig – selbst wenn die Angeklagten geständig sind. Berücksichtigt werden müssten Dauer der Blockade, ob sie bekannt gegeben wurde, ob es Ausweichwege und einen Bezug zwischen der Blockadedemo und den Blockierten gibt.

Eine Sprecherin des Amtsgerichts erklärte, beschleunigte Verfahren und die dabei vorgesehene vereinfachte Beweisaufnahme seien schon lange gesetzlich geregelt. Ob derlei für Klimaaktivisten geeignet seien, prüften die Richter in jedem einzelnen Fall. Sollte dem nicht so sein, werde ein normaler Prozess angesetzt.

Dass nun bislang zwei, bei Bedarf fünf Richter eigens für diese Verfahren zuständig sind, sei lediglich eine Frage der Arbeitsorganisation. „Wenn die Staatsanwaltschaft ankündigt, Anträge auf beschleunigte Verfahren zu stellen, müssen wir uns als Gericht darauf einstellen, die Anträge prüfen und erledigen. Dazu sind wir verpflichtet“, sagte die Sprecherin.

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