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Es rumort bei den Bezirksverordneten im Rathaus Neukölln.

© Paul Zinken/dpa

Proteste gegen Sparmaßnahmen in Berlin-Neukölln: „Wir dürfen nicht bei unseren Kindern, der Zukunft, sparen“

Nach dem Haushaltsentwurf des Senats reagierte der Bezirk mit Sparmaßnahmen im sozialen Bereich. Jetzt regt sich Widerstand in Familien- und Jugendzentren.

Von Colin Ivory Meyer

Auf dem Vorplatz des Rathauses Berlin-Neukölln stehen am Donnerstagabend mehrere Mannschaftswagen der Polizei. Demonstranten sieht man keine. Dabei wollten sie doch gegen den sogenannten Eckwertebeschluss zu Sparmaßnahmen im sozialen Bereich, die das Bezirksamt Neukölln vorlegte, protestieren. Das Amt hatte damit auf die aktuellen Haushaltspläne des Senats reagiert.

Die Demonstranten sitzen stattdessen im Rathaus, auf den Besuchertribünen des Saals der Bezirksverordnetenversammlung. Dort tagt der Jugendhilfeausschuss, der über die Haushaltspläne und die möglichen Schließungen von Jugendclubs und Familienzentren berät. Links sind die Jugendlichen, rechts vor allem Mütter mit Kindern. Es ist sehr voll.

Kurz nachdem die Versammlung eröffnet ist, spricht der zehnjährige Phillip über die Bedeutung des Jugendclubs „Wilde Rübe“. Dort, an der Wildenbruchstraße 25, habe man ihm viel beigebracht und ihn ermutigt, erzählt er.

Danach kommt Bezirksstadträtin Sarah Nagel (Die Linke) zu Wort. Es seien 22,8 Millionen Euro zu wenig vorgesehen, um den Bezirk so weiterzuführen wie bisher, sagt sie. Eine Kürzung würde das Ende vieler wichtiger Projekte bedeuten. „Wenn sich am Haushaltsentwurf nichts ändert, müssen wir eine Million Euro im Kinder- und Jugendbereich einsparen“, sagt Nagel – und fügt hinzu: „Das müssen wir alle gemeinsam verhindern.“

Wir dürfen nicht bei unseren Kindern, der Zukunft, sparen.

Natascha James, Mutter

Auf dem Gang steht Natascha James. Ihre 16 Monate alte Tochter wandert herum. Die 39-jährige Alleinerziehende ist selbst in der Jugendhilfe tätig. Sie nutzt seit einem Jahr die Angebote des Shehrazad-Zentrums an der Roseggerstraße 9. Das biete einen sicheren Raum für Austausch und Unterstützung unter Müttern. Gleichzeitig könne man dort Bastel- und Musikangebote wahrnehmen – alles sei kostenlos, erzählt James.

Das Shehrazad-Zentrum ist von den Sparmaßnahmen des Bezirksamts Neukölln betroffen, eine Schließung steht im Raum. James findet es unverantwortlich, gerade hier zu kürzen: „Wir dürfen nicht bei unseren Kindern, der Zukunft, sparen“, sagt sie. Vor allem nicht, wenn man die Probleme Neuköllns lösen will.

Im Saal zitiert eine Rednerin aus der Verwaltung einen Paragrafen aus dem Jugendschutzgesetz und ringt um Fassung. Sie spricht mit Blick auf die Maßnahmen von Kindergefährdung und Gesetzesbruch. Denn die gesetzlich festgelegte Summe an Plätzen in der Jugendhilfe könne durch die Kürzungen unterschritten werden, erläutert sie.

Im Treppenhaus sitzen die 18-jährige Sydrah Alkam und die ein Jahr jüngere Fatima Mustapha. Sie haben ihr halbes Leben im MaDonna Mädchentreff an der Falkstraße 26 verbracht. Die Nachricht einer möglichen Schließung schockierte sie, erzählt Alkam.

Gleichzeitig bereitet ihr das Wegfallen von Sicherheitspersonal an Schulen Sorge: „Vor kurzem wurden zwei junge Mädchen ganz in der Nähe von meiner Schule mit einem Messer angegriffen.“ Sie meint den Angriff eines 38-jährigen Täters auf zwei Schülerinnen der Evangelischen Schule Neukölln im Mai.

Mustapha findet es absurd, dass gerade jetzt im sozialen Bereich Mittel gekürzt werden sollen. Sie ist täglich im MaDonna Mädchentreff, arbeitet jetzt sogar dort. Das Jugendzentrum hätte ihr in Bezug auf Bildung extrem geholfen.

Für Alkam war es eine Chance auf Selbstverwirklichung und Freiheit. „Unsere Eltern sind alte Schule, wenn wir etwas machen durften, dann nur mit MaDonna“, sagt sie, zum Beispiel die ersten Reisen ohne die Eltern und Erkundungen anderer Berliner Kieze. „Es war sehr wichtig für uns.“

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