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Der Eingangsbereich zum Club Berghain.

© dpa/Britta Pedersen

„Reichtum unseres Landes“: Berliner Techno und Finsterwalder Sangestradition in Brandenburg sind jetzt Kulturerbe

Die Kulturminister von Bund und Ländern haben das bundesweite Kulturerbeverzeichnis erweitert. Staatsministerin Claudia Roth (Grüne) nennt die Aufnahme der Technokultur „bezeichnend“.

Die Berliner Technokultur und die Finsterwalder Sangestradition in Brandenburg zählen nun zum immateriellen Kulturerbe in Deutschland. Die Kulturministerinnen und -minister von Bund und Ländern haben das bundesweite Verzeichnis entsprechend erweitert.

Die Berliner Klubszene entwickelte sich im Lauf der 80er Jahre zu einer der weltweit maßgeblichen Keimzellen der seinerzeit populären Techno-Subkultur. Die elektronische Musikrichtung wurde insbesondere zu einer Art Soundtrack der Wendejahre nach der deutschen Wiedervereinigung, symbolisch dafür stehen legendäre Clubs wie der 1991 eröffnete „Tresor“ und die jährliche Loveparade.

Zudem aufgenommen wurden nach Angaben vom Mittwoch das Bergsteigen in Sachsen, der Kirchseeoner Perchtenlauf in Bayern, die Schwälmer Weißstickerei aus Hessen und der Viez, die Weinbereitung aus Äpfeln, Birnen oder Quitten im moselfränkischen Raum.

Finsterwalder Sangestradition

Der Gassenhauer „Wir sind die Sänger von Finsterwalde“, den Wilhelm Wolff Ende 1899 komponierte, machte die Stadt überregional bekannt. Zwei Jahre später wurde der Ort im Landkreis Elbe-Elster demnach zum ersten Mal als Sängerstadt bezeichnet.

Heute treten etwa neun Mitglieder eines Männerchores abwechselnd als die vier Finsterwalder Sänger zu zahlreichen Anlässen auf. Außerdem gibt es ein Sänger- und Kaufmannsmuseum, mit dem Sängerfest wird eins der größten Volksfeste in Brandenburg gefeiert. Zum internationalen Gesangswettbewerb kommen seit 2002 Nachwuchssänger aus ganz Europa in die Stadt, hieß es.

Die musikalische Tradition von Finsterwalde reiht sich damit in die insgesamt sechs Brandenburger Vertreter im bundesweiten Verzeichnis ein. Zuvor waren etwa die Bräuche und Feste der Lausitzer Sorben und die manuelle Glasfertigung (Baruther Glashütte) als immaterielles Kulturerbe anerkannt worden. Zum immateriellen Kulturerbe zählen die unterschiedlichsten Bräuche von Musik über Feste bis hin zu Handwerkstechniken. Deutschlandweit stehen derzeit 144 Einträge im Verzeichnis.

Bergsteigen in Sachsen

Das sächsische Bergsteigen wiederum bildet eine eigene Tradition und wird seit 1910 in der Sächsischen Schweiz nach eigenen Regeln und ohne Nutzung technischer Hilfsmittel nach dem Prinzip des freien Kletterns praktiziert. Es wird im Rahmen einer regionalen Kultur in Klubs und Freundeskreisen gelebt. Ziel ist unter anderem, Felsen und Natur möglichst wenig zu schaden.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) würdigte die Neuaufnahmen als wichtiges Zeichen für einen erweiterten Kulturbegriff, der sich gegen „die absurde Trennung“ von ernster Kultur und Unterhaltungskultur wende. Bezeichnend dafür sei die Aufnahme der Berliner Technokultur. „Ob Subkultur oder traditionelle Handwerkstechnik, all das gehört zum kulturellen Reichtum unseres Landes“, erklärte sie in Berlin.

„Die jüngsten Einträge unterstreichen die Vielfalt und die Lebendigkeit kultureller Praktiken“, betonte der derzeitige Vorsitzende der Konferenz der Kulturminister, Hessens Ressortchef Timon Gremmels (SPD). „Die Liste unseres immateriellen Erbes wächst somit weiter und damit auch das Bekenntnis, Traditionen zu pflegen und langfristig für die nächsten Generationen zu bewahren.“ Kultur werde in Deutschland „tagtäglich gelebt“.

Deutschland seit 2013 dabei

Kulturerbeverzeichnisse gehen auf ein internationales Übereinkommen der UN-Kultur- und Wissenschaftsorganisation Unesco von 2003 zurück, das 2006 in Kraft trat. Es soll den Erhalt von menschlichen Bräuchen, Traditionen und kulturellen Leistungen fördern. Gedacht war es als Ergänzung zu älteren Abkommen zum Schutz materiellen Kulturerbes etwa in Form von Baudenkmälern.

Deutschland trat dem Abkommen zum Erhalt immateriellen Kulturguts 2013 bei und legte anschließend selbst eine entsprechende Liste an, die nach und nach erweitert wird. Im bundesweiten Verzeichnis mit nun 150 Einträgen finden sich unter anderem auch die Hiphop-Kultur aus Heidelberg, die Oberammergauer Passionsspiele, der rheinische Karneval, die Bäcker- und Brotbackkultur sowie die deutsche Schützenvereinstradition. Ebenso vertreten sind die Idee der Kindergärten und die Zucht von Trakehnerpferden.

Einzelne Einträge aus den nationalen Verzeichnissen können für eine von drei internationalen Unesco-Listen vorgeschlagen werden. (dpa, AFP)

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