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Berlin: Samstags wieder in die Schule?

Berlins Kindern muss mehr Unterricht geboten werden. Deshalb soll jetzt nicht nur über Ganztagsschulen, sondern auch über die Rückkehr des Samstagsunterrichts nachgedacht werden.

Berlins Kindern muss mehr Unterricht geboten werden. Deshalb soll jetzt nicht nur über Ganztagsschulen, sondern auch über die Rückkehr des Samstagsunterrichts nachgedacht werden. Dies forderte gestern der Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Jürgen Baumert, anlässlich einer Auftaktveranstaltung zur Internationalen Pisa-Studie. Schulsenator Klaus Böger (SPD) pflichtete ihm bei: Angesichts der großen Defizite dürfe es "keine Tabus" geben. Dies gelte umso mehr, wenn man die Schulzeit auf zwölf Jahre reduzieren wolle.

"Ob Samstagsunterricht oder Ganztagsschulen - über alles muss diskutiert werden", so Bögers Sprecherin Rita Hermanns. Selbst der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne lehnt Baumerts Vorschlag nicht generell ab. Es komme nur darauf an, dass Eltern und Lehrer sich abstimmten. Die Schulpolitiker von PDS bis Grünen reagierten gestern überrascht bis ablehnend auf die Samstags-Idee. Lediglich Stefan Schlede von der CDU setzt sich vehement für den sechsten Unterrichtstag ein: Die Schüler verabschiedeten sich freitags ab 10 Uhr innerlich von der Schule und fänden nach einem langen Fernseh-Freizeit-Wochenende montags kaum in den Arbeitsrythmus zurück.

Der Samstagsunterricht war bundesweit bis in die 80er Jahre üblich. In West-Berlin gab es eine Zeitlang zwei freie Samstage pro Monate, bis 1991 flächendeckend die Fünf-Tage-Woche eingeführt wurde - auf Kosten etlicher Unterrichtsstunden. Nur wenige Schulen behielten die zwei Samstage bei. Im Ost-Teil hatte die Übergangsregierung unter Lothar de Maizière den sechsten Unterrichtstag abgeschafft.

Viele Ost-Lehrer sind noch heute erleichtert, wenn sie an diese Neuerung zurückdenken. "Schon zu DDR-Zeiten war der Samstagsunterricht umstritten", erinnert sich etwa Wolfgang Jürß, stellvertretender Leiter des Heinrich-Hertz-Gymnasiums in Friedrichshain. Der freie Samstag biete den Lehrern eine bessere Möglichkeit, sich "psychisch zu regenerieren". Er plädiert aber dafür, den Schülern übers Wochenende "kleine Arbeiten" aufzugeben.

Am jesuitischen Canisius-Kolleg haben die Lehrer einen Antrag auf Abschaffung des sechsten Unterrichtstags gestellt. Demnächst werde der Schulträger eine Entscheidung fällen, kündigte Schulleiter Georg Ehrmann an. Falls der Samstag wegfalle, müsse mittags auf jeden Fall länger unterrichtet werden.

Am Evangelischen Gymnasium zum Grauen Kloster gibt es aktuell keine Debatte, den Unterricht am Samstag abzuschaffen. Schulleiter Martin Heider findet es "vom Biorhythmus her" günstiger, wenn der Unterricht nicht länger als bis 14 Uhr dauert und dann Zeit für Arbeitsgemeinschaften ist. Im Übrigen tue der Samstag der schulischen Atmosphäre gut, da er weniger hektisch sei.

Einig waren sich alle gestern allerdings darin, dass die Aufstockung des Unterrichtsangebots nur ein Aspekt unter vielen ist, wenn es um die Konsequenzen aus dem schlechten Abschneiden Deutschlands bei der Pisa-Studie geht. So wies Baumert gestern auch darauf hin, dass Deutschlands Lehrplanexperten eine völlig "abwegige" Einschätzung von dem haben, was man von Schülern erwarten kann. "Sie leben in einer anderen Welt", so Baumert. Zudem tauschten sich viele Lehrer zu wenig über ihre berufliche Tätigkeit aus. Schulleitern fehle der Mut, die Information, die sie über Kollegen und deren schulische Probleme hätten, zu nutzen und Lehrer darauf anzusprechen. Dies müsse allerdings passieren "in einer Sprache, die nicht verletzend ist".

Die Pisa-Informationsreihe der Senatsschulverwaltung wird fortgesetzt. Nachdem gestern Schulräte und Eltern unterrichtet wurden, sind nun die Schulleiter "dran".

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