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Schule: Bei minus 30 Grad durch die Schnee-Hölle

Künftige Fahrzeugmodelle von Fiat, Alfa Romeo und Lancia im Kältetest in Nordschweden

Der Winter hier im hohen Norden Schwedens dauert von November bis März. Dann liegt das Land unter einer meterdicken Schneedecke und das Thermometer fällt regelmäßig unter die Minus30-Grad-Marke. Die Sonne steht nur flach über dem Horizont, richtig hell ist es vielleicht fünf Stunden am Tag – das Städtchen Arjeplog ist nichts für verfrorene Zeitgenossen. Aber das ideale Umfeld für Kältetests der Automobilindustrie. Denn so gut wie jedes neue Fahrzeug muss hier seine Winterfestigkeit unter Beweis stellen. Alle großen Hersteller und die wichtigsten Zulieferer betreiben in der Umgebung eigene Erprobungsareale.

Fiat nutzt hier ein 400 Hektar großes Gelände und zusätzlich fast 1000 Hektar auf einem zugefrorenen See. Die Eisschicht ist etwa einen Meter dick. Stark genug, um sogar schwere Lkw zu tragen. „Wir können jede beliebige Teststrecke in den darauf liegenden Schnee fräsen", erläutert Riccardo Dellavalle, Chefingenieur der Winter-Testmannschaft von Fiat. Ob eine Kreisbahn mit 500 Meter Durchmesser oder eine 50 Meter breite und einen Kilometer lange Gerade oder einen Handling-Rundkurs mit Kurven mit allen erdenklichen Radien – dem Ideenreichtum sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Und auch die Fahrbahnoberflächen lassen sich gestalten - als blankes Eis oder als fest gefahrener oder lockerer Schnee.

Unterschiedlich griffige Flächen nebeneinander ermöglichen die Feinabstimmung von Antiblockiersystem (ABS), Traktionskontrolle (TCS) und Antriebsschlupfregelung (ASR). Auf der Kreisbahn und dem Handling-Kurs ist neben der Traktionskontrolle auch das Elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) gefragt, wenn die Testfahrer bei hoher Geschwindigkeit abrupt vom Gas gehen oder heftige Lenkmanöver ausführen.

Während die Teststrecken auf dem Eis naturgemäß flach sind wie mit der Wasserwaage ausgerichtet, gleichen die Pisten am Ufer einer Berg- und Talbahn. Steigungen mit 10, 15 und 20 Grad sind halbseitig mit beheizbarem Asphalt versehen – Schwerstarbeit für TCS uns ASR bei der Standardübung „Anfahren am Berg". Auf einer Geraden wechseln sich kleine beheizte Asphaltflecken und Schneeabschnitte ab. Auf dieser Fläche – im Fachjargon Schachbrett genannt – steht die gesamte Antriebselektronik auf dem Prüfstand.

In der zentralen Werkstatt bereiten Techniker die Prototypen auf die Testarbeiten vor. Sie arbeiten unter angenehm temperierten Bedingungen – ein Luxus, der den Testfahrzeugen nicht immer gegönnt wird. „Oft lassen wir die Autos über Nacht im Freien stehen", sagt Dellavalle. „Am nächsten Morgen wird’s dann spannend: Springt er an oder nicht? Und wie schnell lässt sich der Innenraum auf menschenwürdige Temperaturen aufheizen?" Zehn Stunden bei minus 30 Grad sind der ultimative Härtetest für Starterbatterien, Kunststoffkomponenten und elektronische Systeme. So wurde beispielsweise der Turbodiesel-Motor 1.3 JTD, der kleinste Common-Rail-Vierzylinder der Welt, in Arjeplog wintertauglich entwickelt.

Ab Januar stehen außerdem die Pisten auf dem zugefrorenen See zur Verfügung. Ständig sind bis zu 50 Ingenieure, Techniker und Testfahrer auf dem Fiat Erprobungsgelände im Einsatz. Sie nehmen in einem Winter etwa 50 bis 70 Fahrzeugmodelle der Marken Fiat, Alfa Romeo und Lancia in unterschiedlichsten Entwicklungsstufen in die Mangel. Erst wenn im März,auch im hohen Norden Schwedens der Frühling mit Tauwetter Einzug hält, ist die Saison für den Chefingenieur und sein Team beendet. mm

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