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Versorgung von Bedürftigen in der Wohnungslosen-Tagesstätte „Warmer Otto“ der Berliner Stadtmission.

© picture alliance / zb/Britta Pedersen

Vorzeigeprojekt für Obdachlose in Berlin: 24/7-Unterkunft soll wieder ein Hotel werden

Monatelang kämpften Verbände und Politiker für den Erhalt der 24/7-Unterkunft für Obdachlose - mit Erfolg. Trotzdem könnte das Projekt der Berliner Stadtmission bald enden.

Die Berliner Stadtmission wird die 24/7-Unterkunft für Obdachlose in der Auguststraße in Berlin-Mitte ab Mitte November aller Voraussicht nach schließen. Das teilte der Verein Anfang der Woche in einer Pressemitteilung mit. „Eine dauerhafte Unterbringung von wohnungslosen Menschen ist mit der baurechtlichen Widmung des bisherigen Gebäudes als Hotel nicht vereinbar“, heißt es darin.

Stadtmissionsdirektor Christian Ceconi erklärte, für die erfolgreiche Weiterführung der Einrichtung suche die Berliner Stadtmission „dringend eine geeignete Immobilie, in der mehr als 80 Menschen dauerhaft beherbergt werden können“. Die Ankündigung kommt überraschend, da die Stadtmission erst im April für eine reguläre Weiterfinanzierung der Unterkunft durch den Senat geworben hatte. „Jetzt ist das Projekt an einem Punkt, an dem Strukturen, Organisation und Vernetzung aufgebaut sind und wir flüssig und zielgerichtet Erfolge sehen“, sagt Projektleiterin Esther Orth.

„Wir sehen, was unsere Arbeit bewirkt und sind überzeugt, dass unser 24/7-Wohnprojekt zukunftsfähig ist und langfristig dazu beitragen kann, die Obdachlosigkeit bis 2030 abzuschaffen.“ Die Berliner Stadtmission wünsche sich, dass das Projekt auch nach November 2023 regulär durch das Land Berlin finanziert werde.

Wir haben keine eigenen Objekte, die wir zum Betrieb einer 24/7-Unterkunft zur Verfügung stellen können.

Sprecherin der Stadtmission

Bislang wurden das Projekt und eine weitere 24/7-Unterkunft in Kreuzberg, die von einem anderen Träger betrieben wird, aus Mitteln der Europäischen Union finanziert. Der Vertrag im Rahmen des EU-Projekts sei bis zum 15. November 2023 befristet gewesen. Bis zuletzt war unklar, ob das Land Berlin eine Weiterfinanzierung gewährleisten kann. Im Haushaltsentwurf ist nun aber, wie vergangene Woche berichtet, das Geld vorgesehen. In den Jahren 2024 und 2025 sind nach Angaben der Sozialsenatsverwaltung jeweils 4,6 Millionen Euro im Haushalt für die 24/7-Unterkünfte eingeplant.

Obwohl der Senat das Geld nun zur Verfügung stellen will, soll nach Angaben der Stadtmission am bisherigen Ort trotzdem Schluss sein. Auf Nachfrage verwies eine Sprecherin des Vereins als Begründung erneut auf die „baurechtliche Widmung“ des bisherigen Gebäudes als Hotel. Eine dauerhafte Unterbringung von wohnungslosen Menschen sei damit nicht vereinbar. „Darum müssen wir das Gebäude wieder als Hotel betreiben“, sagte die Sprecherin.

Stadtmission betreibt in Berlin vier Gästehäuser und vier Hotels

Vor Beginn des Projekts im Jahr 2021 wurde der sogenannte Augustinenhof als Hotel genutzt. Er ist nach eigenen Angaben seit 1995 im Besitz der Berliner Stadtmission und gehört zur Hospize Betriebs GmbH, die eine Tochtergesellschaft der Stadtmission ist.

Insgesamt betreibt die Stadtmission vier gemeinnützige Gästehäuser und vier Hotels, die alle zur sogenannten „martas-Gruppe“ gehören. So auch der Augustinenhof. Mit dem Geld, was die Stadtmission mit den Hotelbetrieben einnimmt, werden nach eigenen Angaben zum Teil soziale Projekte finanziert.

Unklar ist, ob und wann die Senatsverwaltung darüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass die Stadtmission den Augustinenhof nicht weiter als Obdachlosenunterkunft nutzen wird. Eine entsprechende Nachfrage wollte man nicht beantworten.

Der Verein hofft, das Projekt an anderer Stelle weiterführen zu können. Man sei weiterhin davon überzeugt, dass dieses „wegweisende Projekt“ weitergehen solle und freue sich über die Weiterfinanzierung durch das Land Berlin, sagte die Sprecherin. „Wenn wir ein geeignetes Objekt finden oder vom Senat vorgeschlagen bekommen, wollen wir auch weiterhin die 24/7-Unterkunft an einem anderen Ort weiter betreiben.“

Allerdings stellte die Stadtmission auch klar: „Wir haben keine eigenen Objekte, die wir zum Betrieb einer 24/7-Unterkunft zur Verfügung stellen können.“ Auf Arbeitsebene seien Stadtmission und Sozialsenatsverwaltung dazu in Kontakt.

Unklar, ob nahtloser Übergang gelingt

Die Sozialsenatsverwaltung reagierte auf Anfrage deutlich zurückhaltender: „Es wäre schön, wenn die Stadtmission für dieses wichtige Projekt neue Räumlichkeiten in der Stadt findet“, sagte ein Sprecher. Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) habe in den Haushaltsverhandlungen hart und erfolgreich für den Erhalt der 24/7-Unterkünfte gekämpft. Jetzt sei das Geld da, um obdachlosen Menschen weiterhin zwei Einrichtungen im 24/7-Betrieb anbieten zu können.

Noch scheint völlig offen, an welchem Ort das Projekt weitergeführt werden kann – und ob Mitte November ein nahtloser Umzug in ein anderes Gebäude gelingen kann. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Taylan Kurt, sieht die Senatorin in der Pflicht. Er sei irritiert darüber, wie die Kommunikation zwischen Verwaltung und der Stadtmission offenbar lief, sagte er. Er erwarte von der Sozialsenatorin, dass es auch nach November zwei 24/7-Unterkünfte in Berlin gebe. „Sonst stehen 88 Leute wieder auf der Straße.“

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