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Zementwerk Cemex in Beckum: Rund sieben Prozent der globalen CO₂-Emissionen stammen aus der Zementindustrie.

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Großanlagen bis 2030?: Wie sich das CO₂ aus den Abgasen holen lässt

Die Industrie will das Klimagas Kohlendioxid tief im Erdreich deponieren. Zuvor muss es aus dem Abgas abgetrennt werden – zwei Verfahren könnten bald praxisreif werden.

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten, genügt es nicht, die CO₂-Emissionen zu reduzieren. Nach Ansicht vieler Fachleute muss zusätzlich CO₂ abgefangen und von der Atmosphäre ferngehalten werden. Hierfür kommt vor allem die CCS-Technologie infrage (Carbon Capture and Storage), mit der das Treibhausgas in tiefe geologische Schichten gepumpt wird.

Länder wie Norwegen und Niederlande sind Vorreiter bei CCS. Dänemark hat nun nachgezogen, will mit seinem „Greensand“-Projekt ebenfalls eine CO₂-Deponie einrichten. Hierzulande ist CCS verboten, doch in Politik und Wirtschaft wird längst über diese Option diskutiert, um die Klimabilanz zu verbessern. Kritiker argumentieren, dass über Lecks in Pipelines sowie Risse im Untergrund das Gas zumindest teilweise doch in die Lufthülle gelangen könnte, dass es zu Erdstößen kommen könnte und überhaupt CCS sehr teuer ist.

Das Geld sollte ihrer Meinung nach besser in neue Technologien investiert werden, um schneller aus der „fossilen“ Wirtschaft, in der Erdgas weiter wichtig sein wird, auszusteigen.  

Doch im Laufe des Jahres will auch die Bundesregierung eine „Carbon Management Strategie“ vorstellen. Sie soll klären, für welche Industriezweige das Verfahren forciert und wohin das Treibhausgas fortgeschafft werden soll. Eine Deponierung im Inland ist geologisch möglich, doch solange diese nicht mehrheitsfähig erscheint, wird es auf einen Export hinauslaufen – beispielsweise nach Norwegen, wo sich Wirtschaftsminister Robert Habeck kürzlich umfassend zu dem Thema informierte.

Nicht nur die Entsorgung ist heikel. Schon das Abtrennen des CO₂ aus Industrieprozessen benötigt noch Entwicklungsarbeit. Ein Unternehmen muss dafür zusätzliche Apparate und viel Energie einsetzen, sodass Industrieprozesse zunehmend unrentabler werden – noch übersteigen die zusätzlichen Kosten den Betrag, den Unternehmen über den Emissionshandel einnehmen könnten. Verschiedene Forschungsprojekte arbeiten daher daran, die Abtrennung effizienter zu machen.

Sauerstoff statt Luft

Zwei Technologien dominieren. Erstens das sogenannte Post-Combustion Capture, bei dem CO₂ aus dem Abgas herausgeholt wird. Zweitens das Oxyfuel-Verfahren: Hier werden Verbrennungsprozesse statt mit normaler Luft mit reinem Sauerstoff betrieben, als Abgas entsteht dann fast reines CO₂.

Eine der Branchen, die auf CCS hoffen, ist die Zementindustrie. Um den begehrten Baustoff herzustellen, muss Kalk gebrannt werden, was viel Kohlendioxid freisetzt. Rund sieben Prozent der globalen CO₂-Emissionen stammen aus der Zementindustrie. In Deutschland liegen die Zementhersteller mit einem Ausstoß von 20 Millionen Tonnen CO₂ von allen Industriezweigen an dritter Stelle, hinter der Eisen- und Stahlverhüttung auf Platz 1 sowie den Erdölraffinerien. Das sind zwei Prozent der nationalen Emissionen. Auch künftig wird viel Zement benötigt, um Wohnraum zu schaffen und die Infrastruktur wie Straßen und Brücken zu sanieren. Die Abgase der Zementfabriken gelten als „unvermeidbare Restemissionen“ und damit Kandidaten für CCS.

Derzeit verfolgt die Industrie beide Abtrennverfahren, baut Pilotanlagen, um zu lernen und zu verbessern. Der Verein Deutscher Zementwerke (vdz) hofft, um 2030 praxisreife Großanlagen zu haben.

Der Oxyfuel-Prozess wird an einem Zementwerk in Mergelstetten (Baden-Württemberg) erforscht. Dort haben sich mehrere Hersteller zusammengetan und das Projekt „catch4climate“ gestartet. Nutzt man für das Brennen der sogenannten Zementklinker gewöhnliche Luft, die viel Stickstoff enthält, liegt der CO₂-Gehalt im Abgas nur bei 25 bis 30 Prozent.

Mit reinem Sauerstoff hingegen soll die CO₂-Konzentration auf bis zu 100 Prozent gebracht werden, um aufwändige Reinigungsschritte zu sparen. 2024 soll die Versuchsanlage in Betrieb gehen. Das mittelfristige Ziel des Projekts ist, das abgeschiedene CO₂, angetrieben von erneuerbaren Energien, in klimaneutrale synthetische Kraftstoffe wie Kerosin für den Flugverkehr umzuwandeln.

Verfahren funktioniert bereits

Beim zweiten Ansatz wird das CO₂ aus dem Abgas entfernt, indem es mit einer wässrigen Lösung, die Amine enthält, reagiert. Diese Verbindungen binden zeitweilig das CO₂, ehe es im nächsten Schritt wieder „desorbiert“ wird. Der Amin-Cocktail kann auf die Zusammensetzung des Abgases hin optimiert werden.

Für Kraftwerke funktioniert das bereits, nun geht es darum, das Verfahren für Zementfabriken anzupassen. In jedem Fall ist es platzraubend, wie Jens-Uwe Repke von der TU Berlin erläutert. Es braucht eine hohe Röhre, in der außen die Flüssigkeit herabregnet und innen der Gasstrom entgegengesetzt nach oben strömt. „Je höher der Turm, umso mehr CO₂ wird aufgenommen.“ Werden Anlagen nachgerüstet, ist aber nicht immer genug Platz vorhanden.

Repke forscht mit einem Industriekonsortium an einer kleineren Zentrifuge, die die Flüssigkeit nach außen treibt – ähnlich einer Waschmaschinentrommel im Schleudergang – und dort auf den Gasstrom trifft.

Vorteil: Es lassen sich mehr Amine in die Flüssigkeit geben. Die wird zwar viskoser, doch die Zentrifuge bekommt das schon ausgepresst und das CO₂-Aufnahmevermögen wird erhöht. Nachteil: Rotierende Teile haben Verschleiß, etwa an Dichtungen.

Repke ist optimistisch, die technischen Probleme zu lösen und platzsparende CO₂-Abscheider bauen zu können. „Dafür sind noch andere Anwendungen denkbar, beispielsweise auf großen Schiffen“, sagt er. Womöglich sammeln diese ihr Klimagas künftig selbst ein, um es dann an Pipeline-Stationen für die Deponierung im Untergrund zu übergeben.

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