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Die Schau von Haderlump fand im ehemaligen Modediscounter Primark in Steglitz statt.

© Ines Bahr

Berliner Mode: Rising Star im Schnelldurchlauf

Johann Ehrhardt gehört nach kurzer Zeit mit seinem Label Haderlump zum festen Bestandteil der Berliner Mode. Von einem, der lange nicht wusste, was er immer schon machen wollte

Von Mathilde Paquis

Hinter einer blauen Metalltür in der Juliusstraße 64 in Neukölln liegt das Atelier von Haderlump. Diese Tür kennen alle, die die Schau des Labels im Sommer gesehen haben. Die war der Mitte einer Halle als Eingang zu einem temporären Atelier aufgebaut. Erst trat der Designer Johann Ehrhardt mit seinem Team durch diese blaue Tür und begann zu arbeiten, dann wurden sie von den Models umrundet.

An diesem Dienstag haben sie nun ihre dritte Schau hinter sich gebracht. Aus eher experimentell zusammengesetzten Kleidungsstücken, ist echte Konfektion geworden - Mäntel, Blazer und Kleider, die an den Körper konstruiert worden.

Johann Ehrhardt, der Gründer von Haderlump vor dem Eingang zu seinem Atelier.

© Haderlump

Das sah nach einer Menge echtem Schneiderhandwerk im Atelier aus. Trotzdem wirken Johann Ehrhardt und sein Geschäftspartner Julius Weißenborn nur wenige Tage vor der Fashion Week tiefenentspannt. Auch die zehn Mitarbeiterinnen wirken gelassen, wie sie zu leisem Techno der neuen Kollektion den letzten Schliff geben.

Haderlump ist über Nacht zum Rising Star der Berliner Modebranche geworden. Erst vor drei Jahren schloss Johann Ehrhardt seine Ausbildung als Modedesigner am Lette Verein ab, vorher arbeitete er als gelernter Kellner und hatte mit Mode nichts zu tun.

Die Models liefen durch Wasserpfützen, der Boden war mit Silberfolie ausgelegt.

© Moritz Högemann

Er wuchs in Templin auf und wurde von seiner Mutter zweimal im Jahr mit 150 Euro nach Berlin zum Einkaufen geschickt - Jeans, Turnschuhe und den Rest für Spraydosen für Graffiti. Auch wenn für ihn Mode eine verschlossene Welt war, Handwerk lag ihm nah. Seit er eine Nähmaschine von seinen Eltern geschenkt bekam, näht er Kleidung für sich und seine Freunde. Aber dass er sich einmal mit nichts anderem beschäftigen könnte, wäre ihm nicht im Traum eingefallen.

Den Erfolg hat er sich im vergangenen Jahr zusammen mit Julius Weißenborn hart erarbeitet. Los ging es mit einem Showroom in Paris. Kurz danach starteten sie ein Crowdfunding für eine Präsentation. Anfertigungen für die Sängerin Zoe Wees, Auftritte bei Talks in der Platte, wo Haderlump auch verkauft wird und eine eigene Fotoausstellung folgten.

Auf den ersten Blick klingt der Name des Labels nicht sehr glamourös. Dabei waren Haderlumpen zu ihrer Zeit regelrechte Pioniere der Nachhaltigkeit. Als Haderlumpen bezeichnet man Lumpensammler aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Sie sammelten Stoffreste, um sie weiterzuverkaufen.

Auch bei Haderlump werden vor allem alte Kleidungstücke und übriggebliebene Stoffe aus der Modeindustrie verarbeitet. Damit macht Ehrhardt sich die Lumpensammler nicht nur bei seiner Stoffauswahl zum Vorbild, sondern auch beim kreativen Prozess.

Das Outfit von Haderlump ist aus Lederresten gearbeitet.

© Finnegan Koichi Godenschweger

Statt erst Entwürfe zu zeichnen, möchte der Designer die verschiedenen Stoffe spüren und sehen. Aus diesem Gefühl heraus und der tiefen Verbindung zu dem Material entstehen seine Entwürfe. Früher wurde man fürs Lumpen sammeln geächtet. Heutzutage wird man für deren Zusammenflicken zum Helden der Nachhaltigkeit.

Mit seinen Entwürfen für die Schau kreiert Ehrhardt „Semi Couture“. Auch wenn sich der Designer sträubt, das Wort „Couture” für seine Entwürfe in den Mund zu nehmen. Am liebsten arbeitet er dabei mit schweren und robusten Stoffen wie Leder und Denim. Wer Haderlump-Kleidung trägt, soll sich stark und beschützt fühlen, wie in einer Rüstung. Das sieht man auch den Models an, wenn sie über den Laufsteg laufen: Brust raus und Kinn hoch. Der Designer arbeitet meist mit gedeckten Tönen in Schwarz, Weiß und Dunkelblau.

Schwarze Mäntel waren auf der aktuellen Schau im Publikum und auf dem Laufsteg zu sehen.

© Ines Bahr

Eine der größten Inspirationsquellen für das Label: Berlin. Wäre Berlin ein Adjektiv, dann könnte man damit beide der bisher erschienenen Kollektionen beschreiben. Die Location, die Musik, das Publikum und vor allem die Mode: alle triefen gerade so vor Berlin. Oder um es mit dem Spruch zu sagen, der auf dem T-Shirt eines Gastes bei der letzten Show stand: „I blame Berlin“, also „Ich gebe Berlin die Schuld“.

Neben den Einzelstücken für die Schau und Accessoires gibt es bei Haderlump noch eine Prêt-à-Porter-Linie: die Essentials. Schon aus wirtschaftlichen Gründen wird diese vom Geschäftsmann Julius Weißenborn vorangetrieben. Schlichte T-Shirts, Pullover und Hemden in Weiß, Schwarz oder Beige, alle versehen mit dem Schriftzug „Handgefertigt in Berlin“. Im vergangenen Jahr haben sie hier im Atelier mehr als 700 T-Shirts und Hoodies genäht.

Noch können sie sich nur halten, weil sie neben den vier Angestellten mit Praktikanten arbeiten, ein gutes Netzwerk in Berlin haben. Aber erst einmal ist wichtig, dass Ehrhardt ein Atelier für sein Team hat. Gerade haben sie einen zweiten Raum auf dem Neuköllner Werkhof gemietet. Sie haben ein zugemauertes Fenster freigelegt, durch das man von einem Raum in den anderen schauen kann.

Deshalb bekommen sie auch mit, dass gerade die Goodiebags für die Schau angeliefert werden – gelbe Plastikbeutel mit dem Logo von DHL – das Versandunternehmen sponsert die Schau. Keine Frage, Verbindungen schaffen können sie bei Haderlump.

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