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Ein polnischer Feuerwehrkonvoi fährt in Schweden zu einem Großfeuer.

© Anna Hallams/TT News Agency/AFP

System "RescEU": EU plant Eingreiftruppe für Katastrophen

Die EU geht davon aus, dass Katastrophen wie schwere Waldbrände zum Normalfall geworden sind - und will ein neues Schutzsystem schaffen.

Wie in Schweden brannten auch in Griechenland in diesem Sommer die Wälder. Dort gab es mehr als 80 Tote. Die Menschen reagierten wütend. Der Vorwurf, den ein Teilnehmer einer Mahnwache aussprach, ist eine weit verbreitete Meinung: "Der Staat existiert in Griechenland nicht, er schützt seine Bürger nicht, und das kann so nicht weitergehen." Griechenland brauchte bei der Bekämpfung der Brände die Hilfe aus den EU-Mitgliedsstaten.

Bereits im November 2017 stand für EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fest: Der Katastrophenschutz auf europäischer Ebene muss weitreichend ausgebaut werden. "Naturkatastrophen sind zum traurigen Normalfall geworden, kein Land in Europa ist davor gefeit. Ich möchte, dass die EU im Katastrophenfall in der Lage ist, mehr als Beileidsbekundungen anzubieten."

"RescEU" soll schnellere und unbürokratischere Hilfe bringen

"RescEU" heißt das von der Kommission entworfene neue System des europäischen Katastrophenschutzes, das zurzeit das Gesetzgebungsverfahren durchläuft. Es soll schnellere und unbürokratischere Hilfe bringen – unter anderem durch eine Löschflugzeugflotte der EU.

Schon jetzt kann die EU im Katastrophenfall Hilfe koordinieren. An den entsprechenden Vereinbarungen nehmen neben den 28 EU-Staaten Norwegen, Island, Mazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei teil. Hilfsanfragen gehen beim Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen ein. Die Mitgliedsstaaten haben angegeben, welche Kapazitäten sie zur Verfügung stellen könnten.

Die Kommission will die operative Kontrolle

In Junckers Gesetzesentwurf heißt es, das Jahr 2017 hätte gezeigt, dass die Grenzen dieses Mechanismus erreicht seien. Es konnte nicht allen Ländern geholfen werden – oder nicht schnell genug. Junckers Entwurf sieht die Stationierung von Löschflugzeugen, Wasserpumpen, Feldlazaretten sowie medizinischen Notfallteams mit Such- und Rettungskapazitäten auf europäischer Ebene vor. Die EU soll die Mittel finanzieren, die Kommission will die operative Kontrolle und entscheiden, wohin sie entsendet werden.

Zudem schlägt die Kommission vor, dass die EU 75 Prozent der Kosten trägt, wenn die Mitgliedsstaaten ihre nationalen Ressourcen ausbauen und diese dem Pool zur Verfügung stellen. Somit wären sie jederzeit von anderen Mitgliedsstaaten abrufbar.

Eine Sprecherin der EU-Vertretung in Deutschland sagte dem Tagesspiegel, sie sehe gute Chancen für die Verabschiedung des Entwurfs. "Nach der Vorstellung der Initiative war der erste Eindruck von Kommissar Christos Stylianides, dass ein großer Teil der EU-Mitgliedsstaaten die europäische Dimension des Katastrophenschutzes eindeutig unterstützt."

Deutschland sieht Pläne auch kritisch

Doch es gibt auch Kritiker. Im März äußerte sich der Bundesrat "eindeutig ablehnend" zu "RescEU". Ein Sprecher des Innenministeriums teilte auf Anfrage des Tagesspiegels mit, Bundesregierung und Länder sähen erheblichen Optimierungsbedarf bei wesentlichen Regelungen.

Der Vorschlag übersteige die Kompetenzen der EU, die im Bereich Zivilschutz nur unterstützende und ergänzende Aufgaben hat. "RescEU" in der derzeitigen Form " würde der EU-Kommission ermöglichen, als selbstständig agierende EU-Katastrophenschutzeinheit mit eigener Beseitigungskapazität aufzutreten". "RescEU" dürfte nicht dazu führen, dass die Mitgliedsstaaten ihre Anstrengungen, ein widerstandsfähiges nationales Katastrophenschutzsystem aufzubauen, reduzierten.

Expertin sieht Nationalstaaten in der Pflicht

Tanja Börzel, die an der FU Berlin Europäische Integration lehrt, sieht beim Katastrophenschutz ebenfalls die Nationalstaaten in der Pflicht. "Im Fall der Waldbrände in Griechenland lässt sich von Staatsversagen sprechen – von Korruption, illegalem Häuserbau und Unterfinanzierung des Katastrophenschutzes."

Sie zweifelt an der Notwendigkeit eines verbindlichen Katastrophenschutz-Systems und bewertet "RescEU" auch als einen Versuch der Kommission, das Image der EU zu polieren. Dass der Entwurf in seiner ursprünglichen Form Gesetz wird, bezweifelt Börzel. "Erst seitdem die Katastrophen auch die Nordländer betreffen, sieht die Kommission überhaupt eine Chance, den Zivil- und Katastrophenschutz auf EU-Ebene auszubauen."

Ende Juli veröffentlichte der Rat der EU seine Position

Im Mai hat das Europa-Parlament auch explizit terroristische Anschläge als Einsatzbereich von "RescEU"-Mitteln in den Entwurf eingefügt. Ende Juli veröffentlichte der Rat der EU seine Position. Danach sollen die Ressourcen Eigentum der Mitgliedsstaaten sein, die diese mit Unterstützung der EU finanzieren und sie nutzen dürfen, wenn sie nicht durch den "RescEU" beansprucht werden.

Einsatzkosten sollen von der EU und den Ländern, die die Hilfe erhalten, je zur Hälfte getragen werden. Auch diese Unterstützung soll enden, falls feststellbar sei, dass das Land nicht genug vorgesorgt habe. Dem Bundesinnenministerium zufolge trägt Deutschland die Position des Rates mit. Nach der Sommerpause müssen sich Rat, Parlament und Kommission gemeinsam auf eine endgültige Form von "RescEU" einigen.

Rebecca Stegmann

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