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Erfinder Gerhart Wissel aus Überlingen fährt mit seiner Erfindung, dem Alpin e-hiker, einen Hang hinauf. Im Hintergrund ist der Bodensee zu sehen.

© dpa/Felix Kästle

Rasen statt Rosten: Ein 92-Jähriger erfindet einen Turbo-Rollator zum Wandern

Weil er auch mit über 90 Jahren weiter in die Natur will, hat ein Tüftler am Bodensee einen Gelände-Rollator mit Elektroantrieb erfunden. Zum Zubehör gehören auch Schneeketten.

Von Aleksandra Bakmaz, dpa

Dem Alter ausgeliefert, nur zu Hause sitzen und Kreuzworträtsel lösen? „Nein danke“, sagt Gerhart Wissel. Der 92-Jährige will lieber in den Wald und in die Berge. Vor wenigen Jahren noch konnte er das mit dem Mountainbike.

Doch nach einem Fahrrad-Unfall ist er auf einen Rollator angewiesen. Weil die meisten Rollatoren aber für die Straße gemacht sind, macht sich der Rentner aus Überlingen am Bodensee selbst an einen Entwurf.

Drei Jahre habe er getüftelt, gerechnet und schließlich eine Art Wanderhilfe mit Elektroantrieb erfunden. „Es musste eine Kombination zwischen Mountainbike und Rollator sein“, sagt der Ingenieur. Heute ist er mit seinem „E-Hiker“ jenseits der Straßen unterwegs – einem stabilen Rollator mit allerlei speziellen Details.

Ich will das Leben genießen, dabei sein und draußen im Wald oder in den Bergen meine Zeit verbringen.

Gerhart Wissel über seine Motivation, einen Rollator zu bauen.

Besonders die großen Räder mit Geländeprofil fallen auf. Sie würden dabei helfen, Hindernisse zu überwinden und Treppen zu steigen, schildert Wissel. Der Elektroantrieb ziehe ihn die Berge hinauf, eine leistungsfähige Bremse sei für den Abstieg nötig. „Man will ja wieder heil vom Berg runter“, scherzt Wissel.

Sein Umfeld war anfangs skeptisch

Rund 400 Stunden lang habe er seinen Turbo-Rollator selbst getestet. „Es kommt auf die Details an, die oft nicht genug beachtet werden bei einem Rollator“, sagt Wissel. Um die Arme besser entlasten zu können, habe er verstellbare Handgriffe entwickelt. Zum Zubehör gehöre auch eine Schneekette.

Der Rollator sei zusammenklappbar und passe in den Kofferraum. Eine große Tragetasche für den Einkauf sei integriert. „Und ein gepolsterter Armsessel und eine Rückenlehne samt Regenhaube.“

Sein Umfeld habe zunächst skeptisch auf die Erfindung reagiert, sagt Wissel. „So wie das immer bei Erfindungen ist – zuerst wird man freundlich angelächelt, aber oft als Spinner angesehen.“ Mittlerweile seien die Leute überzeugt. Seine Idee umgesetzt habe eine kleine Fahrrad-Firma im baden-württembergischen Deggenhausertal.

Hinter Wissels Erfindung steckt viel Leidenschaft und technisches Know-how. „Ich bin Vollbluttechniker, ich habe früher schon als kleiner Lehrling angefangen, Sachen zu konstruieren“, sagt der Rentner.

Vor 65 Jahren habe er den ersten Allrad-Schaufellader für den bekannten Bau- und Landmaschinenhersteller Kramer erfunden. Eine Miniaturversion davon hebt Wissel in seinem Arbeitszimmer auf.

Maschinenbauer Gerhart Wissel aus Überlingen hat den „E-Hiker“ bei sich zu Hause entwickelt.

© dpa/Felix Kästle

Doch es sei nicht nur die Liebe an der Arbeit gewesen, die ihn zu der Erfindung getrieben habe. „Es war eine Notwendigkeit“, sagt der 92-Jährige. „Ich will das Leben noch genießen, dabei sein und draußen im Wald oder in den Bergen meine Zeit verbringen.“ Im Alter dürfe man sich nicht zurückziehen.

Eine gesunde Einstellung, sagt auch die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG). Ältere Menschen mobil zu halten, sei auch ein wichtiges Ziel der Altersmedizin, erklärt DGG-Präsident Rainer Wirth. „Ein Rollator ist für viele ältere Menschen mit Mobilitätsproblemen ein echter Segen.“

5000
Euro kostet ein „E-Hiker“, bisher wurden zehn Stück produziert.

Ein Rollator senke das Sturzrisiko und verbessere den Aktionsradius. „Wichtig ist der möglichst aufrechte Gang zwischen den Rädern, statt den Rollator mit einem krummen Rücken vor sich herzuschieben“, betont Wirth. Eine falsche Rollator-Haltung könne zu Muskulaturproblemen führen.

Die Nachfrage ist vorhanden

Rollatoren gehören laut AOK zu den Leistungen der Krankenkassen. „Allein bei den ‚normalen‘ Rollatoren sind 108 verschiedene Produkte im Hilfsmittelverzeichnis gelistet“, so ein AOK-Sprecher. Den einen Produkt-Preis für eine Rollatoren-Versorgung gebe es somit nicht.

Die Preise für Gehhilfen bewegen sich je nach Sanitätshaus und Hersteller im drei- und vierstelligen Bereich. Auch sogenannte Outdoor-Rollatoren bietet der Markt. Den passenden für sich konnte Wissel im Handel aber nicht finden. An normalen Rollatoren habe ihn alles genervt. „Die haben zu kleine Räder, oft schlechte Sitzgelegenheiten, keinen Antrieb und schlechte Bremsen.“

Der Verkaufspreis für Wissels Turbo-Rollator liegt wegen der aufwendigen Produktion und der hochwertigen Teile bei rund 5000 Euro, wie der Erfinder erklärt. Zunächst bringe er zehn Modelle auf den Markt. Drei Bestellungen habe er schon. Die Nachfrage sei da, sagt der 92-Jährige. „Es gibt also noch viele so Verrückte wie mich.“ (dpa)

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