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Das Selbstbestimmungsgesetz soll die Situation für trans, inter und nicht-binäre Menschen verbessern.

© mauro - stock.adobe/Mauro Martinez Cabanelas

Das Selbstbestimmungsgesetz kann besser werden: Gegen Misstrauen hilft nur Debatte

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein großer Schritt – doch spiegelt auch Vorurteile gegen trans Menschen wider. Das Parlament kann das Gesetz besser machen, dabei hilft Aufklärung der Öffentlichkeit.

Ein Gastbeitrag von Hakan Demir

„Lieber Hakan, von Freund zu Freund: Es wird harte Kritik geben“, lautet eine Sprachnachricht, die ich aus der queeren Community erhalte. Und ja, es gibt Nachbesserungsbedarf bei diesem Kabinettsentwurf.

Doch zunächst zum Anfang: In der Debatte rund um das Selbstbestimmungsgesetz wird eines wieder sehr deutlich: Es gibt ein breites Bündnis an konservativen bis rechten gesellschaftlichen Kräften, die großen Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung haben. Diese Kräfte hat es schon immer gegeben und sie waren auch immer sehr laut. Auffällig ist aber, dass sie seit einigen Jahren überall auf der Welt politische Mehrheiten zurückerobern. Das macht sehr vielen Menschen Angst. 

Genau deshalb brauchen wir breite Bündnisse von Gewerkschaften, über feministische Organisationen bis zu den Sportvereinen. Der Kampf für Anerkennung ist kein Nullsummenspiel. Hier verliert niemand, hier können wir alle nur dazugewinnen. 

Wir im Bundestag werden das Selbstbestimmungsgesetz in den kommenden Wochen und Monaten beraten, diskutieren und alles dransetzen, es zu verbessern. 

Die vergangenen zwei Jahre habe ich mich mit vielen Menschen über das Selbstbestimmungsgesetz ausgetauscht. Die Community wartet nun seit vierzig Jahren auf neue Regelungen. Das Transsexuellengesetz (TSG) hat sehr viel Leid verursacht. Es ist endlich Zeit, die Dinge anders zu machen. 

Im Zentrum des Selbstbestimmungsgesetzes stehen die Abschaffung von entwürdigenden Gutachten und langwierigen Gerichtsprozessen, wenn Personen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern lassen wollen. Das alles entfällt und wird durch Eigenversicherung beim Standesamt ersetzt – eine deutliche Verbesserung. 

Das Selbstbestimmungsgesetz ist auch deshalb ein großer Schritt, weil sich in Deutschland mit ihm erstmals seit langer Zeit eine politische Mehrheit für die Rechte von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nichtbinären Menschen einsetzt.

Das TSG erzählt dagegen eine Geschichte von Leid, Gewalt und struktureller Diskriminierung. Das neue Gesetz macht vieles besser. Gleichzeitig ist es aber auch Ausdruck eines Aushandelns verschiedener gesellschaftlicher Interessen und Konflikte.

Die gleichen Vorurteile, die in der Gesellschaft verbreitet sind

Der Gesetzestext spiegelt an einigen Stellen das gleiche Misstrauen, die gleichen Vorurteile, die in der Gesellschaft verbreitet sind, wider. Das sollte es nicht tun. Vor allem bei den Passagen zum Hausrecht. Das Misstrauen ist unbegründet. 

Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) hat bereits klargestellt, dass durch das Selbstbestimmungsgesetz Schutzräume für Frauen nicht in Frage gestellt werden. Der Verweis auf das Hausrecht ist auch deshalb unnötig, weil die häufig bemühten Frauen-Sauna-Szenarien schon heute nicht auftreten.

Gegen das Misstrauen in der breiten Öffentlichkeit hilft nur die Debatte, die Aufklärung. Wir können dieses Gesetz besser machen, indem wir alle dazu beitragen, Vorurteile zu entkräften. 

Das Thema ist im Fokus – es gibt Raum, Menschen zu überzeugen

Der Abbau von Vorurteilen ist ein langer Prozess. Das Gute daran: Es wird diskutiert – wenn auch teilweise sehr scharf. Das Thema ist im Fokus. Das eröffnet Raum, Menschen zu überzeugen. 

Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten, politische Mehrheiten für gute Politik zu schaffen. Wir haben jetzt die Chance. Wir sollten sie nutzen.

Vielleicht kann ich dann bald sagen: „Lieber Freund, wir haben es endlich geschafft.“

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