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Nach dem Fang eines Zwergwals wird dieser von einem Schiff im Hafen abgeladen. Japan will bis zum Ende des Jahres 227 Wale töten.

© dpa

Japan jagt wieder Wale: Zwischen Harpunen und Hoffnung

Japan hat den kommerziellen Walfang wieder aufgenommen. Tierschützern macht ausgerechnet dieser Schritt Mut – er könnte gar das Aus für die Jagd markieren.

Pünktlich zur Jagdsaison haben sie in Japan neue Kochbücher herausgegeben: Es gibt Walschinken, Walsteak und Waltartar, wahlweise saftig gepfeffert, am Spieß mit Curry oder Grün in der Suppe. Wal findet sich auf kujiraniku.com in sämtlichen Variationen – und darf auch gleich mitbestellt werden. In Japan hoffen sie, dass die Leute wieder auf den Geschmack kommen: Der Austritt aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) ist am Sonntag in Kraft getreten. Sie jagen jetzt auf den Inseln erstmals seit 1986 wieder kommerziell Wale.

Die aufwändig illustrierten Kochbücher sind wohl der verzweifelte Versuch einen Trend umzukehren: „Viele Japaner können mit dem Fleisch nichts mehr anfangen“, sagt Heike Zidowitz vom WWF Deutschland. Der Schritt hin zum wirtschaftlichen Fang macht Tier- und Umweltschützern deshalb sogar etwas Hoffnung: Sinkt die Nachfrage noch weiter, ist es bald aus mit dem Angebot: „Es könnte der Anfang vom Ende des Walfangs sein“.

Nach dem zweiten Weltkrieg half die Jagd in Japan über Lebensmittelknappheit und Hunger hinweg. Die schwimmenden Fleischberge waren eine wichtige Proteinquelle. Heute gilt das Fleisch als trocken und überteuert. Verbraucherschützer warnen vor Schadstoffen. Waren es in den 1960er Jahren noch 220.000 Tonnen, die jährlich in Japan verbraucht wurden, sind es heute weniger als 5000 Tonnen. Das sind bei 126 Millionen Japanern kaum 50 Gramm pro Person im Jahr – und damit leidlich genug für die Vorspeise.

Neben Japan jagen auch Norwegen und Island kommerziell Wale

Die Fangquoten sind schon gesunken. Zuletzt hatte Japan etwa 300 Tiere im Jahr erlegt. Künftig sollen es noch 227 sein. Das ist deutlich mehr, als international erlaubt sind: Der kommerzielle Fang ist für IWC-Mitglieder seit 1986 verboten. Nur wenige Nationen widersetzten sich dem seither. Norwegen und Island gehören dazu – und eben Japan, das bis zuletzt unter dem Deckmantel der Wissenschaft jagte.

„Die Tötung für die Wissenschaft ist aber schon seit den 1960er Jahren nicht mehr notwendig“, sagt Zidowitz vom WWF Deutschland. „Die Tiere lassen sich mit Satelliten, Drohnen, Peilsendern bestens lebendig erforschen.“ Die Forschung sei von Beginn an für Japan nur der Vorwand gewesen. Das Fleisch kam danach direkt in den Handel – und dann auf die Teller.

Dass mit diesem Spiel nun Schluss ist, ist laut Zidowitz eine gute Sache. Japan wird die Jagd künftig auf die eigenen Hoheitsgewässer beschränken. Zuvor fischten sie in der Antarktis und im Nordpazifik. „Jetzt verschwinden sie von der Südhalbkugel.“ Ein halbes Dutzend Fischkutter soll künftig 227 Wale im Jahr jagen – das sind gut ein Drittel weniger als zuletzt im Namen der Wissenschaft. Insofern sei es im Sinne der Wale ein Fortschritt, sagt sie.

Die Auswahl der Arten bleibt laut WWF allerdings schwierig. Japan hat sich Fangquoten für Seiwale, Zwergwale und Brydewale zurecht gelegt – angeblich in Abstimmung mit der Forschung: Die Bestände dieser Wale hätten sich längst erholt, heißt es aus Tokio. Das stimmt so nicht, sagen sie in Hamburg beim WWF. „Faktisch ist es so, dass die Seiwale auf der Roten Liste der stark gefährdeten Arten stehen. Es gibt weltweit nur noch 50.000 davon.“ Bei den anderen beiden Arten sei der Bestand sogar völlig unklar, sagt Zidowitz, die letzten Zahlen seien über 30 Jahre alt.

Der Walfang ist noch das kleinste Problem für gefährdete Arten

Dazu kommt der Beifang: Wer weiß schon vorher so genau, was einem ins Netz schwimmt? In japanischen Gewässern sind auch andere bedrohte Arten unterwegs: der Grauwal und der Nordkaper zum Beispiel. Die könnten ungewollt auch den Harpunen zum Opfer fallen, fürchtet Zidowitz. Am liebsten wäre ihnen, die Jagd ganz abzuschaffen.

Der Walfang ist aber noch das kleinste Problem für die Meer-Riesen. „Es ist immer schwierig, wenn eine Nation aus den großen Abkommen austritt.“ Denn der Schutz in der Kommission geht weit über Fangquoten hinaus. Bei der IWC diskutieren sie auch Schiffskollisionen, Unterwasserlärm und Überfischung als Gefahren. „Pro Jahr sterben allein 300.000 Wale als Beifang.“ Das setze die Zahl der rund 200 von Japan gejagten ins Verhältnis, sagt sie. Weltweit tragen immer mehr Tiere den Bauch voller Plastik. Auch der Klimawandel trage seinen Teil bei – weil der Krill, der viele Wale füttert, sich in neue Lebensräume bewegt. Bestimmungen zum Schutz der Tiere könnten nun nicht mehr an Japan adressiert werden. „Das ist das eigentliche Problem.“

Zidowitz hofft nun, dass sich zumindest der Walfang bald von selbst erledigt. „Der Walfang ist ein auslaufendes Modell“, ist sie überzeugt. Bislang hätte man den Markt künstlich am Leben erhalten. Subventionen flossen von der Politik – der Tradition wegen, hieß es. „Aber er ist komplett zusammengebrochen.“ Island etwa wird dieses Jahr nicht mit den Fangkuttern auslaufen. Es lohnt sich schlichtweg nicht. Es sei nun an den jungen Japanern, das auch der Politik klarzumachen.

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