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Kolumne – Die gute Frage

© Lisa Rock für den Tagesspiegel

Lange Tage, kurze Nächte: Brauchen wir im Sommer tatsächlich weniger Schlaf?

Licht, hohe Temperaturen und Vogelgezwitscher sorgen im Sommer mitunter für kurze Nächte und eine vermeintlich kürzere Nachtruhe als im Winter. Doch so eindeutig ist es gar nicht.

Eine Kolumne von Thomas Goebel

Die warmen, hellen Abende laden dazu ein, länger draußen zu sitzen, und morgens um fünf wecken einen die Vögel. Da kann die Nacht schon einmal etwas kürzer werden – was nicht so schlimm ist, schließlich macht das Sonnenlicht tagsüber wach. So empfinden es zumindest viele Menschen und individuell mag das auch stimmen. Aber wissenschaftlich gesehen lässt sich die Frage, ob wir im Sommer tatsächlich weniger Schlaf brauchen, gar nicht so eindeutig beantworten.

„Vielleicht ist das ein bisschen so“, lautet die zurückhaltende Antwort von Kai Spiegelhalder. Der Arzt und Psychologe ist Schlafforscher an der Uniklinik in Freiburg – und er verweist auf eine aktuelle Überblicksstudie aus Kanada: „Laut den dortigen Ergebnissen schlafen die Menschen im Schnitt im Sommer fünf Minuten weniger als im Winter, das ist nicht gerade ein Riesenunterschied.“

Dabei gäbe es durchaus Gründe, im Sommer mit weniger Schlaf auszukommen. Der Effekt von Licht sei belegt, sagt Spiegelhalder: Tagsüber wach und leistungsfähig zu sein, falle uns tatsächlich leichter, wenn die Sonne länger und stärker scheint. Daneben hemme das Licht die Bildung des Hormons Melatonin im Körper, das umgangssprachlich auch als Schlafhormon bezeichnet wird. Extreme Hitze empfänden viele Menschen zudem als Stress. Auch das könne den Schlaf stören. Das gelte gleichermaßen auch für Kälte, nur sorge im Winter die Heizung für Abhilfe, während Hitze im Sommer oft in den Schlafräumen stehen bleibe.

„Es ist interessant, dass trotz all dieser Effekte die Auswirkungen auf den Alltag der Menschen im Schnitt erstaunlich gering sind“, sagt Spiegelhalder. Dass wir im Sommer kaum weniger schlafen als im Winter, könne mit stabilen Schlafgewohnheiten zusammenhängen. „Und wenn wir wirklich mal zu wenig schlafen, holt sich der Körper den Schlaf zurück.“ Sprich: Sitzen wir zu oft zu lange draußen oder wecken uns die Vögel zu früh, meldet sich irgendwann die Müdigkeit – und wir schlafen wieder mehr.

Die meisten Menschen hätten ein recht gutes Gespür, wie viel Schlaf sie brauchen, sagt Spiegelhalder. Zumindest in einzelnen, schönen Sommernächten könne man aber tatsächlich mal mit etwas weniger Schlaf klarkommen, ohne dass das gleich schwere Folgen habe: „Darüber braucht man sich jedenfalls nicht jede Nacht Gedanken zu machen.“

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