zum Hauptinhalt
Dr. Magnus Heier

© Stefan Braun

Papa oder Mama wollen nicht in die Klinik?: Ein Notfall bleibt ein Notfall!

Arbeitskollegen oder Fremde alarmieren den Notarzt oft viel schneller als Familienmitglieder. Das hat viel mit Dominanz und Abhängigkeit zu tun.

Eine Kolumne von Dr. Magnus Heier

Es ist überaus beruhigend, wenn ein Patient aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen wird, und er oder sie dort von der Familie erwartet wird. Die Angehörigen können den Patienten unterstützen. Sie können Notfälle erkennen und den Notarzt rufen. Angehörige sind wie eine Lebensversicherung. Könnte man denken. Aber das Gegenteil trifft ebenfalls zu.

Angehörige können zum Risiko werden, wenn der Patient ihnen gegenüber dominant ist und seinen Willen durchzusetzen pflegt. Oft ist es so, dass die Betroffenen – vor allem etwa beim Schlaganfall – den Ernst der Lage völlig verkennen, auch weil der Schlaganfall nicht wehtut. Familie oder Freunde wollen den Notarzt rufen, der Patient will nicht ins Krankenhaus und widerspricht.

Was wie ein kurioser Einzelfall klingt, ist eher die Regel. US-Forscher haben in einer Studie die Einweisung von 175 Schlaganfallpatienten analysiert – überwiegend mit leichten Störungen, meist der Bewegung. Fast 40 Prozent dieser Patienten kamen erst nach mehr als sechs Stunden in die Klinik. Das ist eine fatale Verzögerung. In drei von vier der verzögerten Fälle hatte ein Familienangehöriger den Notarzt gerufen. Wurde Letzterer stattdessen von Arbeitskollegen oder Fremden alarmiert, ging die Einweisung sehr viel schneller!

Die Ursache ist die Abhängigkeit der Familienmitglieder voneinander: Wenn Vater oder Mutter partout nicht will, dann kann man eben nichts machen. Sollte man aber, denn beim Schlaganfall tickt die Uhr. Mittlerweile kann man sogar ein sehr dickes Blutgerinnsel mit einer Drahtschlaufe unter Röntgenkontrolle durch ein Blutgefäß der Leiste aus dem Gehirn fischen. Patienten, die früher verstorben wären, verlassen kurz darauf gesund die Klinik! Wenn nicht zu viel Zeit vergangen ist.

Die Kette von der Notrufzentrale über Notarzt, Klinik und Schlaganfallspezialklinik funktioniert gut. Das erste Glied der Kette, der Anruf der Betroffenen, dagegen oft nicht. Deswegen der Appell: Setzen Sie sich über den Willen eines erkrankten Angehörigen hinweg und rufen Sie im Zweifel den Notarzt. Der Angehörige wird es Ihnen danken – wenn auch erst später.

Alle bisher erschienen Folgen der wöchentlichen Kolumne finden Sie auf der Übersichtsseite.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false