zum Hauptinhalt
Gefälschte, mit Fentanyl gestreckte Oxycodon-Pillen, die in den USA beschlagnahmt wurden.

© dpa/Uncredited

Alle fünf Minuten ein Toter: Amerikas selbstgemachtes Drogenproblem

Die mexikanischen Kartelle haben sich die Opioidkrise in den USA geschickt zunutze gemacht. Um die Lage in den Griff zu bekommen, muss die US-Regierung nach innen und nach außen konsequent handeln.

Ein Kommentar von Anja Wehler-Schöck

Die Lebenserwartung in den USA sinkt – und das nicht erst seit der Pandemie. Bereits 2015 setzte ein rückläufiger Trend ein. In keinem anderen reichen Industrieland war eine vergleichbare Entwicklung zu beobachten. Ein wesentlicher Faktor dafür ist die hohe Zahl der Suchttoten, die durch die Opioidkrise in die Höhe geschnellt ist.

Nicht nur eine höchstproblematische Verschreibungspraxis, bei der Ärzte teils mit finanziellen Anreizen zu einem großzügigen Umgang mit schweren Schmerzmitteln motiviert wurden, hat die Grundlage für diese Krise geschaffen. Die über Jahre laxe Haltung gegenüber Opioiden ist symptomatisch für das Gesellschaftsbild in den USA. Der Mensch hat zu funktionieren. Auf bezahlte Krankentage gibt es in den meisten US-Bundesstaaten keinen gesetzlichen Anspruch. Statt sich auszukurieren, wird deshalb oft selbst bei kleineren Leiden großzügig auf stärkste Schmerzmittel gesetzt. In Deutschland werden vergleichbare Medikamente nur in schwerwiegenden Fällen verschrieben, ihre Abgabe wird streng kontrolliert.

Die immense Gefahr, die von Opioiden ausgeht, hat man inzwischen erkannt. Die US-Justiz geht seit einigen Jahren gegen Pharmaunternehmen und Ärzte vor, denen unter anderem die gezielte Verharmlosung des Suchtpotenzials dieser Medikamente vorgeworfen wird. Doch die Büchse der Pandora ist geöffnet, die Opioidkrise ist längst nicht mehr aus der Welt zu kriegen. Fentanyl, ein synthetisches Opioid, lässt leicht und kostengünstig herstellen und ist daher billig auf dem Schwarzmarkt zu erwerben.

Die mexikanischen Drogenkartelle wussten die Lage geschickt auszunutzen. Sie haben in den letzten Jahren eine regelrechte Fentanylindustrie aufgebaut. Dass mit Ovidio Guzmán nun ein führender Kopf des hierbei sehr aktiven Sinaloa-Kartells festgenommen wurde, ist ein wichtiger Schritt. Damit das durchschlagende Wirkung zeigt, sind zwei Dinge entscheidend. Die USA müssen die Bekämpfung der Kartelle sowie auch der Korruption in der Zusammenarbeit mit Mexiko konsequent zur Priorität machen. Denn gegen den Fentanylschmuggel helfen keine Grenzbefestigungen. Die Droge gelangt mehrheitlich über die offiziellen Grenzübergänge von Mexiko in die USA.

Zweitens bedarf es auch innerhalb der USA eines Umdenkens. Zwar gelangen den US-Behörden zuletzt einige spektakuläre Beschlagnahmungen von Fentanyl. Doch noch immer werden überproportional viele Ressourcen auf das in seiner Wirkung wesentlich harmlosere Marihuana verwendet. Die von Biden angekündigte Liberalisierung der Marihuana-Politik könnte bei den Behörden entscheidende Ressourcen für eine stärkere Konzentrierung auf den folgenschweren Fentanylschmuggel freisetzen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false