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Auch China will das Potential Dschibutis ausschöpfen und baut seit 2018 Wohnraum für einkommensschwache Familien.

© AFP/Yasuyoshi Chiba

Chinas „Drehkreuz“ in Afrika: Warum die Wahl im kleinen Dschibuti für die Großmächte so wichtig ist

Im ostafrikanischen Dschibuti betreibt China seine einzige ausländische Militärbasis – direkt neben den USA. Nun wird ein neues Parlament gewählt, mit Folgen weit über das Land hinaus.

Es ist das kleinste Land in Afrika, doch seine Bedeutung ist kaum zu überschätzen. Dschibuti, ungefähr so groß wie Mecklenburg-Vorpommern, ist so etwas wie ein Drehkreuz des Kontinents, wo sich die Großmächte der Welt, von China bis zu den USA, dicht gegenüberstehen.

In kaum einer anderen Region versammelt sich so viel internationales Militär – Amerikaner, Chinesen, Franzosen und Italiener betreiben in Dschibuti eigene Kasernen.

Am kommenden Freitag wählt das kleine Land turnusgemäß ein neues Parlament. Die amtierende Regierung um Langzeitpräsident Ismail Omar Guelleh hat beste Chancen auf einen erneuten Wahlsieg – was zum Vorteil der internationalen Verbündeten ist.

Strategisch wichtig für den globalen Handel

Dass die ein so großes Interesse an dem kleinen Staat haben, überrascht auf den ersten Blick. Dschibuti verfügt über wenig Ressourcen. Die Landschaft ist karg, es herrschen widrige Klimabedingungen, bei regelmäßiger Dürre und großer Hitze. Es gibt weder eine eigene Landwirtschaft noch eine Konsumgüterindustrie.

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Prozent des gesamten Welthandels passieren die Küste Dschibutis auf dem Weg von oder nach Europa.

Wichtig ist das Land wegen seiner strategisch günstigen Lage, an einer der empfindlichsten Stellen des globalen Handelssystems – der Einfahrt zum Roten Meer, direkt an der Meerenge Bāb Al Mandab, einer der meistbefahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt.

Jeder vierte Öltanker, der auf den Weltmeeren unterwegs ist, passiert Dschibuti. Mehr als zehn Prozent des gesamten Welthandels passieren die Küste Dschibutis auf dem Weg von oder nach Europa. Für Afrika ist das Land einer der wichtigsten Umschlagplätze. Mehr als 80 Prozent aller Waren, die das Nachbarland Äthiopien importiert, kommen über die Containerterminals von Doraleh, einem der größten Tiefseehäfen in der Region.

Die Politik des Landes weiß um die geostrategische Lage – und nutzt den Vorteil gezielt aus. Dafür hält sie sich aus den vielen Konflikten der Region raus, bleibt neutral.

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Das macht das kleine Land als militärischen Partner attraktiv. China eröffnete hier 2017 seine bisher einzige permanente Militärbasis außerhalb des eigenen Landes. Diese liegt in unmittelbarer Nähe zu Stützpunkten der US-Amerikaner, der Franzosen, der Italiener und der Japaner.

Dschibuti ist das „neue Casablanca“

Auch die Bundeswehr unterhielt bis 2021 eine kleine Logistikstation in dem Land, im Rahmen der europäischen Anti-Piraten-Mission „Atalanta“. Indien und Saudi-Arabien haben ebenfalls Interesse an Militärbasen in Dschibuti angemeldet.

Die Machtverhältnisse in dem Land formieren sich in erster Linie entlang von Clanzugehörigkeit.

Hatem Elliesie

In Diplomatenkreisen spricht man von einem „neuen Casablanca“, weil es hier wie im Marokko der 1940er-Jahre von Spionen und wirtschaftspolitischen Interessensvertretern wimmelt. Insbesondere Chinas Engagement beim Bau der 750 Kilometer langen Eisenbahnstrecke nach Äthiopien verdeutlicht, dass die großen Player der Weltpolitik auch am wirtschaftlichen Potenzial Dschibutis teilhaben möchten.

Dabei wird jedoch gerne heruntergespielt, dass das unmittelbare Nebeneinander der Großmächte in Dschibuti auch Spannungen erzeugen kann. Ob das Land für die Großmächte weiter ein verlässlicher Partner bleibt, hängt maßgeblich an der innenpolitischen Stabilität – und damit an den Arrangements zwischen den wichtigsten Bevölkerungsgruppen.

Innenpolitische Spannungen mit globalen Auswirkungen

Die Machtverhältnisse in dem Land formieren sich in erster Linie entlang von Clanzugehörigkeit. Dabei gibt es zwei wichtige Gruppen, beide traditionell nomadisch geprägt: Issa und Afar.

Der Präsident von Dschibuti, Ismail Omar Guelleh, ist seit 1999 im Amt.

© AFP/Eduardo Soteras

Das Gebiet der Afar, die rund 35 Prozent der Einwohner ausmachen, erstreckt sich über Nordostäthiopien bis nach Eritrea. Die Issa sind mit rund 60 Prozent die größte Gruppe. Sie gehören zum somalischen Clan der Dir.

Immer wieder kommt es zwischen den Gruppen zu Spannungen. In der Vergangenheit strebten die Issa den Anschluss an das seit 1960 unabhängige Somalia an, während die meisten Afar den Verbleib bei der Kolonialmacht Frankreich vorzogen.

Die Politik des Landes weiß um die geostrategische Lage – und nutzt den Vorteil gezielt aus.

Hatem Elliesie

1977 setzten die Issa die Unabhängigkeit Dschibutis durch. Seither dominieren sie die Politik des Landes. Anfang der 1990er Jahre begann der Bürgerkrieg in Dschibuti, in dem sich Afar-Rebellen gegen die von ihnen empfundene Marginalisierung stellten. Auch nach der Befriedung 1994 hält dieser Konflikt an – mit Folgen auch für die bevorstehende Parlamentswahl.

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Der heute 75 Jahre alte Staatschef Ismail Omar Guelleh, ein Angehöriger der Issa, wurde bei der Präsidentschaftswahl im April 2021 im Amt bestätigt, zum vierten Mal seit 1999. Es ist davon auszugehen, dass sein Regierungsbündnis am kommenden Wochenende die Mehrheit im Parlament verteidigen wird – auch, weil die Oppositionsparteien möglicherweise die Abstimmung erneut boykottieren, so wie bei allen Wahlen seit 2008.

Mit Blick auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit agierte die Guelleh-Regierung in der Vergangenheit zwar nicht gerade vorbildlich. Dass sie ihre Parlamentsmehrheit verteidigen kann, dürfte jedoch vielen Menschen im Land entgegenkommen.

Sie wünschen sich vor allem Stabilität und Sicherheit für Dschibuti – genau wie die vielen internationalen Verbündeten des kleinen Staates am Horn von Afrika.

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