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Ein buddhistischer Mönch protestiert anlässlich des G7-Gipfels vor dem Friedenspark in Hiroshima.

© REUTERS/ANDRONIKI CHRISTODOULOU

G7-Gipfel in Hiroshima: Die atomare Abrüstung bleibt eine Illusion

Der Wunsch nach Abrüstung ist legitim und nachvollziehbar. Zum aktuellen Zeitpunkt ist er jedoch unrealistisch. Der G7-Gipfel kann dennoch ein wichtiges Zeichen setzen.

Ein Kommentar von Anja Wehler-Schöck

Wenn sich die Staats- und Regierungschefs der G7 an diesem Freitag in Hiroshima treffen, wiegt der Symbolwert der Ortswahl besonders schwer. Seit die USA 1945 am Ende des Zweiten Weltkriegs eine Atombombe auf die japanische Stadt warfen, ist sie zum weltweiten Symbol für die furchtbaren Auswirkungen nuklearer Gewalt geworden.

Japans Premierminister Fumio Kishida möchte mit dem Gipfel ein klares Zeichen für nukleare Abrüstung setzen. Das hat für ihn auch eine ganz persönliche Komponente. Angehörige seiner Familie kamen beim Bombenabwurf 1945 zu Tode. Die G7 werden „eine starke Botschaft zur Verwirklichung einer atomwaffenfreien Welt“ senden, kündigte er an.

Die Gefahr nuklearer Eskalation ist so greifbar geworden wie seit dem Ende des Kalten Kriegs nicht mehr. Das liegt in erster Linie an Wladimir Putins atomaren Drohungen. Aber auch Pekings sorgfältige Modernisierung des chinesischen Nukleararsenals und die steigende Zahl der ballistischen Tests, die Nordkorea durchführt, sorgen weltweit für Nervosität.

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Auch die Vereinten Nationen treibt das Thema um. Die G7 sollten sich in Hiroshima dazu verpflichten, „unter keinen Umständen“ Atomwaffen einzusetzen, fordert UN-Generalsekretär António Guterres. „Dies ist der Moment, in dem wir darauf bestehen müssen, dass die Abrüstung, insbesondere die nukleare Abrüstung, wiederbelebt werden muss.“

Dass die Weltgemeinschaft atomare Gewalt nicht zulassen darf, steht außer Zweifel. Doch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen wirkt Guterres‘ Aufruf an die G7 wirklichkeitsfremd. Denn weltweit stehen die Zeichen klar auf Aufrüstung. 2022 stiegen die Rüstungsausgaben im achten Jahr in Folge – auf eine Rekordhöhe von 2,24 Billionen US-Dollar.

Auch Gastgeber Japan ist keine Ausnahme. Im Dezember zementierte Premierminister Fumio Kishida mit der Verabschiedung einer Sicherheits- und Verteidigungsstrategie sowie einer historischen Aufstockung des Wehretats den Abschied von Japans jahrzehntelanger pazifistischer Haltung. Es wird also kaum die Abrüstung sein, die in Hiroshima oben auf der Agenda stehen wird.

Auch dass die G7-Staaten, wie von Guterres vorgeschlagen, den Einsatz von Atomwaffen kategorisch ausschließen, ist abwegig. Die nukleare Abschreckung ist Kernbestandteil der westlichen Verteidigungsstrategie – sowohl der Atommächte selbst als auch der Staaten, die sich unter dem nuklearen Schutzschirm befinden. Daher hat auch kein Mitglied der G7 und der Nato den 2021 in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet.

Der Gipfel darf mit Blick auf die nukleare Gefahr jedoch nicht ergebnislos bleiben. Auch wenn das Ziel einer atomwaffenfreien Welt derzeit außer Reichweite scheint, darf nicht aus den Augen verloren werden. Die Weltgemeinschaft darf nicht vergessen, welch unvorstellbares Leid der Einsatz von Atomwaffen verursacht. Dazu können die G7-Vertreter in Hiroshima durch die Gespräche mit Überlebenden und den Besuch von Erinnerungsorten einen wichtigen Beitrag leisten.

Aber es braucht mehr als Symbolpolitik. Entscheidend für die Glaubwürdigkeit einer G7-Erklärung in Hiroshima wird sein, dass sie alle in die Pflicht nimmt. Sie darf sich nicht allein an Russland richten. Sie muss eine grundsätzliche Linie formulieren, zu der sich die G7-Staaten und ihre Verbündeten ebenfalls verpflichten.

Mit einer offiziellen Erklärung, dass die G7-Atommächte auf den Ersteinsatz nuklearer Waffen verzichten, könnte die Gruppe ein starkes Signal senden. „No First Use“ ist seit langem offizielle Politik Indiens und Chinas. Während Joe Biden im Wahlkampf damit liebäugelte, diese Linie auch für die USA zu übernehmen, verfolgte er sie als Präsident nicht weiter.

Sich für die Bombe auf Hiroshima zu entschuldigen, lehnt er ab. Doch als Vertreter des Landes, das Japan 1945 auch nach den Schlägen von Hiroshima und Nagasaki noch mit nuklearer Vernichtung drohte, wäre es gerade an ihm, beim Gipfel ein historisches Zeichen zu setzen. Noch hat er die Chance dazu.

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