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Der neuseeländische Pilot Philip Mehrtens neben bewaffneten Kämpfern der West Papua National Liberation Army (TPNPB).

© dpa/Uncredited

Geiselnahme für Papuas Unabhängigkeit: Wie ein neuseeländischer Pilot zum politischen Spielball wurde

Seit fünf Monaten halten Entführer den Piloten Philip Mehrtens in West-Papua fest. Sie fordern die Unabhängigkeit von Indonesien. Der Vermittler erklärt, worum genau es geht.

Ein Gastbeitrag von Damien Kingsbury

Der neuseeländische Pilot Phillip Mehrtens wird nun schon seit fünf Monaten in West-Papua als Geisel gehalten. Vergebliche Versuche, über seine Freilassung zu verhandeln, ein erfolgloser Rettungsversuch des indonesischen Militärs und die angebliche Zahlung eines Lösegelds lassen auf ein verworrenes Bild hinter den Kulissen schließen.

Mitglieder der Nationalen Unabhängigkeitsarmee West-Papuas (TPNPB) hatten Mehrtens am 7. Februar entführt und von Indonesien die Anerkennung der Unabhängigkeit West-Papuas gefordert. Die Regentschaft Nduga, in die Mehrtens entführt und wo sein Flugzeug verbrannt wurde, ist für separatistische Gewalt und militärische Repressalien bekannt.

Die TPNPB wird von Egianus Kogeya angeführt, dem Sohn von Daniel Yudas Kogeya, der 1996 bei einer Geiselbefreiungsaktion von indonesischen Soldaten getötet wurde. Die TPNPB ist eine der wenigen bewaffneten Separatistengruppen in West-Papua, die mit der Unabhängigkeitsbewegung verbunden sind.

Indonesien wollte das ganze holländische Kolonialreich erben

Die Unabhängigkeitsbewegung West-Papuas entstand aus den niederländischen Plänen, West-Papua in die Unabhängigkeit zu entlassen. Indonesien vertrat dagegen die Auffassung, dass es ingesamt Rechtsnachfolgerin für Niederländisch-Ostindien sei, und übernahm 1963 mit Unterstützung der USA die Verwaltung von West-Papua.

1035
Dorfvorsteher West-Papuas wurden 1969 mit Waffengewalt gezwungen, für die Eingliederung zu stimmen

Sechs Jahre später, 1969, gliederte es West-Papua formell als Teil Indonesiens ein, nachdem 1.035 Dorfvorsteher mit Waffengewalt gezwungen worden waren, dafür zu stimmen.

Infolge der Ansiedlung von Indonesiern in diesem „Grenzgebiet“ sind heute mehr als 40 Prozent der Bevölkerung West-Papuas Nicht-Melanesier. Die West-Papuaner sind in ihrem eigenen Land Bürger zweiter Klasse.

Djakartas Machtanspruch kosteste Hunderttausende Tote

Obwohl das Gebiet die reichste Wirtschaftsleistung Indonesiens aufweist, gehört West-Papua zu den Regionen mit der höchsten Kindersterblichkeit, der geringsten Lebenserwartung, der schlechtesten Ernährung, Alphabetisierung und den geringsten Einkommen in Indonesien.

Kritisch ist auch, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt ist, Menschenrechtsverletzungen unvermindert andauern und der politische Prozess von Korruption, Stimmenkauf und Gewalt geprägt ist. Infolgedessen bleibt die Unabhängigkeitsbewegung in West-Papua stark.

Es gab eine Reihe von meist kleineren Militäraktionen und Entführungen, die West-Papuas Anspruch auf Unabhängigkeit unterstrichen. Flaggenzeremonien und Straßenproteste sollten das Gefühl von Einheit im Unabhängigkeitskampf fördern.

Dies wiederum hat zu Angriffen des indonesischen Militärs (TNI) und der Polizei geführt. Menschen wurden getötet, man ließ sie verschwinden, es wurde gefoltert und inhaftiert. Menschenrechtsaktivisten nehmen an, dass die Eingliederung West-Papuas in Indonesien das Leben Hunderttausender gekostet hat.

Neuseeland versprach seinem Staatsbürger jede mögliche Hilfe

Aus Protest dagegen entführte und tötete die TPNPB etwa 2018 mehr als 20 indonesische Arbeiter, die eine Straße durch den Bezirk Nduga bauten. Sie tötete auch eine Reihe von indonesischen Soldaten, darunter einige, die auf der Jagd nach Mehrtens waren.

Neuseelands Regierung erklärte sich für ihren Bürger entschlossen, „alles tun, was in unserer Macht steht, um eine friedliche Lösung und die sichere Freilassung von Herrn Mehrtens zu erreichen, einschließlich einer engen Zusammenarbeit mit den indonesischen Behörden und der Entsendung neuseeländischer Konsularbeamter.“

Ende Februar ermächtigte die TPNPB mich, als Vermittler zusammen mit der neuseeländischen Regierung zu agieren. Dies beruhte auf meiner früheren Arbeit mit Gruppen in West-Papua, die die Unabhängigkeit wollen. In einem Video an die neuseeländische Regierung bestätigte die TPNPB den Auftrag.

In dieser Funktion kommunizierte ich regelmäßig mit einem Unterhändler der neuseeländischen Polizei für Geiselnahmen, auch als die TPNPB ihre Forderungen änderte.

20
indonesische Arbeiter tötete die TPNPB 2018

Die TPNPB hatte zunächst erklärt, sie werde Mehrtens töten, wenn Indonesien die Unabhängigkeit West-Papuas nicht anerkenne. Schließlich willigte sie jedoch in Verhandlungen ein und erklärte, sie werde Mehrtens' Leben nicht antasten und nun versuchen, Zugeständnisse von der neuseeländischen Regierung zu erhalten.

Die Verhandlungen stecken in einer Sackgasse

Gegenwärtig fordert die TPNPB, dass Neuseeland seinen Staatsbürgern untersagt, in West-Papua zu arbeiten oder dorthin zu reisen. Auch die militärische Unterstützung für Indonesien müsse aufhören. Doch es gab keine Reaktion. Frustriert darüber erklärte sie Ende Mai erneut, dass sie Mehrtens töten werde, wenn keine Gespräche zustande kämen. Dass Lösegeld geflossen sei, wie Indonesien erklärt hatte, dementierte sie.

Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um eine friedliche Lösung und die sichere Freilassung von Herrn Mehrtens zu erreichen.

Das neuseeländische Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und Handel
40
Prozent der Bevölkerung West-Papuas sind heute Nicht-Melanesier

Meine Zusammenarbeit mit der neuseeländischen Regierung endete, als mir mitgeteilt wurde, dass die Regierung beschlossen hatte, einen anderen Kommunikationskanal mit der Gruppe zu nutzen. Im weiteren Verlauf der Ereignisse habe ich erfahren, dass die TPNPB diesen Wechsel der Kommunikationskanäle nicht akzeptiert hat. Die Verhandlungen scheinen in eine Sackgasse geraten zu sein.

Rebellen sind ohne Hoffnung und ohne Alternative

Die TPNPB teilte mir mit, sie sei besorgt, dass Neuseeland seinen Beziehungen zu Indonesien Vorrang vor Mehrtens einräumen könnte, und halte ihn hin, während die TNI die Situation militärisch löse. Weitere Videos des Piloten werde es nicht geben.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann Mehrtens jedoch noch sicher freigelassen werden. Dazu müsste die neuseeländische Regierung aber wahrscheinlich einige Zugeständnisse machen, um den Forderungen der TPNPB nachzukommen. Eher unwahrscheinlich ist, dass die indonesische Regierung in echte Verhandlungen über den politischen Status West-Papuas eintritt.

In der Zwischenzeit bleiben die Ursachen des Konflikts bestehen. Indonesien setzt weiterhin militärische Gewalt ein, um ein im Wesentlichen politisches Problem zu lösen. Und obwohl die TPNPB und andere Separatistengruppen wenig Hoffnung haben, Indonesiens Herrschaft über West-Papua zu beenden, sehen sie keine andere Möglichkeit als zu kämpfen und Geiseln zu nehmen.

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