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Ukrainische Soldaten im Donbass.

© REUTERS/stringer

Update

Geleakte US-Geheimdokumente: Wer stach die brisanten Informationen durch?

In den Ostertagen wurden womöglich mehr als 100 geheime Dokumente im Internet geleakt – unter anderem mit brisanten Infos zu ukrainischer Militäroffensive. Die US-Justiz ermittelt.

| Update:

Der letzte große Geheimdienstverrat liegt zehn Jahre zurück. Als im Jahr 2013 über die Plattform Wikileaks Hunderttausende Dokumente, Videos und sensible Informationen des amerikanischen Außenministeriums veröffentlicht wurden, war vor allem der diplomatische Schaden riesig: Die Welt lernte, in welchem Ausmaß die USA selbst Verbündete ausspionieren. Öffentlich wurde zudem, wie US-Diplomaten die Lage in Ländern wie Nordkorea und Iran einschätzten.

Der Umfang des jetzigen Lecks ist deutlich geringer: Derzeit handelt es sich um rund 100 geheime Dokumente, die in den vergangenen Tagen im Internet auftauchten. Aber die US-Regierung alarmiert besonders, wie aktuell dieses Material ist.

Manche Daten etwa über die Verteidigungsfähigkeit der ukrainischen Luftabwehr sind nach Informationen der „New York Times“ gerade mal fünf Wochen alt. Gut möglich ist zudem, dass weitere Dokumente auftauchen.

Dass die Dokumente online zirkulierten, sei „ein sehr hohes Risiko für die nationale Sicherheit“, sagte am Montag ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums.

Der Vorgang habe „das Potenzial, Falschinformationen zu verbreiten“, sagte Pentagon-Sprecher Chris Meagher. „Wir untersuchen immer noch, wie das passiert ist und wie groß das Problem ist.“ Es müsse unter anderem geprüft werden, „wie diese Art von Informationen verteilt werden und an wen“. Er machte keine Angaben zur Echtheit der aufgetauchten Unterlagen.

Wem nützt es?

Wenn Geheimdienstinformationen an die Öffentlichkeit gelangen, lautet die wohl wichtigste Frage: Wem nützt das? Im Auftrag des Pentagon leitete das Justizministerium eine Untersuchung ein. Aufgrund der Bandbreite der Dokumente, die Informationen über den Krieg in der Ukraine, China, Israel und Afrika enthalten, wird vermutet, dass ein Amerikaner verantwortlich ist.

US-Regierungsmitarbeiter bestätigten, dass es sich um echte Dokumente handelt. Allerdings könnten zumindest Teile in böswilliger Absicht manipuliert worden sein, um Einfluss auf das Kriegsgeschehen zu nehmen. So seien amerikanische Einschätzungen zu ukrainischen Verlusten übertrieben, die zu russischen Kriegstoten dagegen deutlich untertrieben dargestellt worden.

Daten zeigen starkes Engagement der USA in der Ukraine

Aus den bisherigen Veröffentlichungen wird deutlich, wie stark die USA in der Ukraine engagiert sind. Zwar hat US-Präsident Joe Biden klargestellt, dass Amerika selbst keine Soldaten schicken wird, um eine direkte Konfrontation mit Russland zu vermeiden. Auch verweigert er der Ukraine bisher Waffen, mit denen russisches Kernland angegriffen werden könnte.

Aber die durchgestochenen Informationen zeigen, wie sehr Washington auf das Kriegsgeschehen Einfluss nimmt, zum Beispiel bei der komplizierten Logistik der Waffenlieferungen. Und wie die US-Regierung die Lage einschätzt. So geht aus einem auf den 22. Februar datierten Dokument hervor, dass sie davon ausgeht, dass die Schlacht um den Donbass sich zu einer Pattsituation entwickelt.

Dass solche über Twitter und Telegram verbreitete Analysen und Einschätzungen nun vom Kreml eingesehen werden können, bezeichnen Experten als „Albtraum“ für Washington. Die „New York Times“ schreibt, viele Seiten sähen so aus, als ob sie direkt den Briefings der Joint Chiefs of Staff, der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, entnommen wurden.

Sie enthielten der Zeitung zufolge unter anderem Details über Waffenlieferungen, Bataillonsstärken und andere sensible Informationen. Ein Dokument fasse zudem die Ausbildungspläne von zwölf ukrainischen Kampfbrigaden zusammen.

Als Konsequenz wurde laut „Washington Post“ nun der Zugang zu ähnlichen sensiblen Informationen heruntergefahren. Russische Militärstrategen konnten aus einem auf den 23. Februar datierten Dokument beispielsweise erfahren, dass das ukrainische S-300-Luftabwehrsystem bei derzeitiger Nutzungsintensität nur noch bis zum 2. Mai eingesetzt werden könnte.

Unangenehm ist für Washington zudem, dass aus dem Datenleck erneut deutlich wird, in welchem Ausmaß die USA auch wichtige Verbündete abhören. So heißt es in einem Dokument vom 1. März, der israelische Geheimdienst Mossad habe Proteste gegen die Justizreform der Regierung angeregt. Das hätten die USA durch Signalaufklärung erfahren. Ein weiteres Dokument enthält Details über interne Diskussionen zwischen hochrangigen südkoreanischen Beamten über den Druck der USA auf Südkorea, die Ukraine mit Waffen zu beliefern.

Eine große Sorge ist auch, dass die Datenlecks Menschenleben gefährden. So sollen Karten über russische Truppenbewegungen und die Stärke der Armee in Teilen auf Informationen von V-Leuten zurückgehen, die nun kompromittiert sein könnten.

Geheimnisverrat wird in den USA hart bestraft. So wurde Chelsea Manning für ihre Rolle bei den Wikileaks-Veröffentlichungen im Jahr 2013 zu 35 Jahren Haft verurteilt. 2017 erließ ihr der damalige US-Präsident Barack Obama einen Großteil ihrer Strafe.

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