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Recep Tayyip Erdogan: „Wenn nötig, gehen wir und die EU getrennte Wege.“

© REUTERS/MURAT CETINMUHURDAR/PPO

„Getrennte Wege gehen“: Erdogan droht mit Abbruch der EU-Beitrittsgespräche

Der türkische Staatspräsident ist verärgert über einen Bericht des Europaparlaments. Er warf Brüssel Provokation vor.

Kritik aus Europa zurückzuweisen, das macht die Türkei gerne. Als der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nun auf einen Bericht des Europaparlaments über die Zustände in seinem Land reagierte, ging er aber einen Schritt weiter als bisher. Die EU wolle einen Bruch mit der Türkei provozieren, sagte Erdogan. Seine Regierung werde ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen. „Wenn nötig, gehen wir und die EU getrennte Wege.“

Offiziell redet die Türkei seit 18 Jahren mit der EU über einen Beitritt. Die Verhandlungen kamen aber nie sehr weit, weil der ungelöste Zypern-Konflikt, der Widerwillen mancher EU-Länder gegen die Türkei und der Demokratie-Abbau in Ankara nennenswerte Fortschritte verhinderten; seit einigen Jahren herrscht vollständiger Stillstand.

Keine der beiden Seiten wollte bisher diejenige sein, die den Verhandlungsprozess für beendet erklärt. Erdogan hatte vor einiger Zeit sogar signalisiert, die Beziehungen zur EU wieder neu beleben zu wollen, auch um westliche Investoren für die krisengeschüttelte türkische Wirtschaft zu gewinnen.

Bewegt hat sich nichts. Erdogan verlangt von der EU vor allem Reisefreiheit für türkische Staatsbürger in Europa und eine Ausweitung der Zollunion, wovon die türkische Wirtschaft profitieren würde. Brüssel fordert, Erdogan solle die strengen türkischen Terror-Gesetze entschärfen und politische Häftlinge wie den Kunst-Mäzen Osman Kavala freilassen, was der türkische Präsident ablehnt.

Das EU-Parlament erklärte vorige Woche in einem Bericht zur Türkei, ohne drastische Kursänderung in Ankara könnten die Beitrittsverhandlungen nicht wiederbelebt werden. Von der Türkei werde als Beitrittsbewerberin erwartet, „dass sie die Werte der Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte achtet und das Unionsrecht einhält“. Weil das nicht der Fall sei, solle die EU „einen parallelen und realistischen Rahmen“ außerhalb des Beitrittsprozesses finden.

Erdogan dürfte seine Äußerung über „getrennte Wege“ von Türkei und EU zumindest teilweise an das heimische Publikum gerichtet haben. Der Präsident schlägt mit Blick auf die Kommunalwahlen im März, bei denen er mit seiner Partei AKP die Großstädte Istanbul und Ankara von der Opposition zurückerobern will, auch bei anderen Themen wieder verstärkt nationalistische Töne an.

Viele Türkei-Skeptiker in Europa würden ein Ende der Beitrittsverhandlungen mit Ankara begrüßen. Allerdings würde ohne Beitrittsprozess die EU den letzten Einfluss auf die Türkei verlieren. In der Flüchtlingsfrage, bei der die Türkei am längeren Hebel sitzt, könnte das den europäischen Hauptstädten neue Probleme einbringen.

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