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Ukrainische Rekruten ruhen sich während einer Trainingspause in einer Militärbasis der britischen Streitkräfte in Südengland aus.

© dpa / KIRSTY WIGGLESWORTH

Kampf gegen Russland: Wie manche Ukrainer versuchen, ihre Einberufung zu verhindern

Präsident Selenskyj hatte zuletzt die Leiter der Rekrutierungsbüros entlassen – wegen Korruptionsverdacht. Denn offenbar entgeht mancher Ukrainer der Einberufung durch Zahlung von Bestechungsgeldern.

Die Ukraine braucht frische Rekruten, um sich gegen Russlands Invasion zu wehren. Doch zuletzt mehrten sich die Berichte von Männern aus der Ukraine, die versuchen, ihrer Einberufung zu entgehen ­– oft auch durch Zahlung von Bestechungsgeldern.

Das Problem beschäftigt auch die Regierung. Erst am Freitag entließ der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj alle Leiter der regionalen Rekrutierungsbüros des Landes aufgrund der dort grassierenden Korruption.

Dieses System sollte von Leuten geleitet werden, die genau wissen, was Krieg ist und warum Zynismus und Bestechung im Krieg Verrat sind.

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine

Der britische „Guardian“ schreibt nun über den Fall eines 39-Jährigen aus Odessa, der anonym bleiben möchte. Er gab an, für gefälschte Papiere 5000 Dollar Schmiergeld gezahlt zu haben.

Beim Ausreisen aus der Ukraine im April habe er den Soldaten seine Ausreisepapiere übergeben, aus denen hervorging, dass er an einer schweren Wirbelsäulenverletzung leide. Damit sei er vom Wehrdienst und vom Ausreiseverbot für erwachsene Männer befreit. Darauf habe einer der Beamten geantwortet: „Dieses Krankenhaus scheint diese Diagnose wirklich zu mögen, was?“

„Ich konnte sehen, dass sie genau wussten, was los war. Und dass es nicht das erste Mal war. Aber sie konnten nichts tun und winkten mich durch.“ Wie er an die Papiere gekommen sei, erklärt er so: Er bezahlte in bar und wurde in ein Krankenhaus gebracht. Dort wurde eine Kernspintomografie der Wirbelsäule gemacht und ein entsprechender medizinischer Bericht ausgestellt – der ihm zur Ausreise verhalf.

Es wird vermutet, dass Zehntausende ukrainische Männer das Land seit Beginn des Krieges im Februar letzten Jahres illegal verlassen haben. Wie viele Bestechungsgelder gezahlt haben, lässt sich naturgemäß nicht beziffern.

Doch es müssen viele sein. Denn auf der anderen Seite werden Menschen offenbar damit reich. In Odessa wurde laut „Guardian“ beispielsweise ein Rekrutierungsbeamter, der über Ersparnisse in Höhe von fünf Millionen Dollar und ein großzügiges Anwesen in Spanien verfügte, festgenommen. Und es gibt mehr als 100 weitere solcher Strafverfahren gegen Rekrutierungsbeamte.

Verweigerer organisieren sich über Telegram

In der südlichen Hafenstadt Odessa gibt es laut dem Bericht, wie in vielen ukrainischen Städten, Telegram-Chatgruppen, in denen vor dem Auftauchen von Rekrutierungsbeamten gewarnt wird. Die Gruppe in Odessa hat demnach mehr als 30.000 Mitglieder.

Doch die Korruption ist nicht nur ein politisches Problem, sondern zunehmend ein militärisches. Das angegriffene Land braucht gerade jetzt Rekruten. In den ersten Monaten nach der Invasion meldeten sich Hunderttausende von Ukrainern freiwillig zum Dienst an der Front. Das ist nun anders.

Väter von mehr als drei Kindern, Menschen mit Behinderungen und Personen, die in strategisch wichtigen Berufen arbeiten, sind von der Einberufung ausgenommen. Alle anderen können zur Musterung einberufen werden. Während die allermeisten Bürger dieser Aufforderung nachkommen, verweigert sich ein Teil.

Viele Ukrainer, insbesondere die, die selbst an der Front dienen, betrachten die Vermeidung der Wehrpflicht als Verrat. Die politische Führung des Landes räumt ein, dass der Mobilisierungsprozess schwierig sei und dass man doch keine andere Wahl habe, als die Wehrpflicht fortzusetzen.

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