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Die Präsidenten Frankreichs und Brasiliens, Emmanuel Macron und Luiz Inacio Lula Da Silva.

© imago/Le Pictorium/IMAGO/Julien Mattia / Le Pictorium

Macrons Staatsbesuch in Brasilien: Paris unterminiert die Handelspolitik der EU

Neues Kapitel in den Beziehungen Frankreich-Südamerika: Offiziell hat Brüssel im Handel das Sagen, doch Macron stellt nationale Wirtschaftsinteressen über die europäischen.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Emmanuel Macron betritt eine neue Welt – und das gleich auf doppelte Weise. Das Treffen mit Brasiliens Präsident Lula da Silva an diesem Dienstag ist Macrons erster Staatsbesuch überhaupt in Südamerika.

Dies ist eine begrüßenswerte Premiere nach sechs Jahren Amtszeit, zumal die Europäische Union gerade ihre Beziehungen zu Südamerika neu definiert: in einem ausgehandelten Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten.

Brasilien steht dabei zweifach im Fokus: weil es die größte Volkswirtschaft des Kontinents ist. Und weil sich nach dem Machtwechsel von dem rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro zu Lula neue Kooperationschancen eröffnen.

Macron stellt sich gegen Mercosur-Abkommen

Die andere Premiere bei Macrons Staatsbesuch ist weniger erfreulich: Er düpiert die gemeinsame Politik der EU gegenüber Südamerika und Brasilien. Aus innenpolitischen Gründen, nämlich aus Angst vor den französischen Bauern, bekämpft Macron neuerdings offen das EU-Mercosur-Abkommen. In Brasilien bietet er als Alternative eine Ausweitung des bilateralen Handels und der französischen Investitionen an.

Selbstverständlich verfolgen Nationalstaaten ihre nationalen Interessen. Und die sind nicht notwendig deckungsgleich mit denen der Europäischen Union als Gemeinschaft. Aber es gibt eine klare Kompetenzaufteilung zwischen der EU und ihren Mitgliedern. Die Zuständigkeit für die Handelspolitik und Binnenmarktfragen haben die EU-Staaten an Brüssel abgetreten.

Macron unterminiert mit seinem Auftreten die gemeinsame Handelspolitik der EU. In einem Politikfeld, für das er nicht zuständig ist, stellt er die nationalen über die europäischen Interessen.

Und er muss nicht einmal mit offener Kritik aus Brüssel, Berlin oder anderen Hauptstädten rechnen, weil er einen Hebel hat: Das EU-Mercosur-Abkommen ist ausgehandelt, aber nicht ratifiziert. Es kann nur in Kraft treten, wenn alle EU-Staaten zustimmen.

Der Ausbau des Netzes von Freihandelsabkommen liegt im deutschen und europäischen Interesse. Dies würde die regelbasierte Ordnung stärken, die Grundlage des ökonomischen Erfolgs Europas in der Welt und des Wohlstands der EU ist.

Diese Ordnung wird durch das nationalegoistische Vorgehen einer wachsenden Zahl von Spitzenpolitikern seit einem guten Jahrzehnt ausgehöhlt: zum Beispiel Donald Trump, Viktor Orban, Xi Jinping, Recep Tayyip Erdogan.

Es ist tragisch für Europa, wenn auch ein Emmanuel Macron dieser Versuchung nicht widerstehen kann. Mehr noch: Er schadet dem Einfluss der EU in der Welt.

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