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Opfer des Terroranschlags auf eine Wahlveranstaltung werden verarztet.

© AFP/ABDUL MAJEED

Nach dem Anschlag in Pakistan: „Sie wollen polarisieren. Es gibt den Feind und sie selbst“

Der Pakistan-Experte Jochen Hippler vermutet hinter dem Anschlag den sogenannten Islamischen Staat. Was die Machtübernahme der Taliban im benachbarten Afghanistan für eine Rolle spielt.

Bisher weiß man nicht, wer hinter dem Anschlag im Nordwesten Pakistans steht. Die Bewegung der pakistanischen Taliban haben erklärt, sie seien nicht verantwortlich. Wer hätte ein Interesse?
Es kommen im Prinzip nur zwei Kräfte infrage. Das eine sind die pakistanischen Taliban (TTP). Das zweite sind Splittergruppen der pakistanischen und afghanischen Taliban, die jetzt mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS) sympathisieren. Sie haben in den letzten zwei Jahren deutlich an Kraft gewonnen. Ich würde im Moment eher auf diese IS-nahen Kräfte tippen.

Was wollen diese islamistischen Gruppen anderes als die Taliban?
Die Geburt dieser Bewegung liegt in der arabischen Welt. Es hatte Bestrebungen von dort gegeben, den Islamischen Staat in der Region Chorasan aufzubauen, das ist eine alte Beschreibung für die Region Afghanistan, Teile Pakistans, Teile Irans, Teile Zentralasiens. Es gibt tatsächlich Hinweise, dass Leute aus Syrien und aus dem Irak geschickt wurden. Das traf zusammen mit Machtkämpfen innerhalb der Taliban-Szene.

Welchen Einschnitt stellte die Rückkehr der Taliban an die Macht im benachbarten Afghanistan dar?  
Es gibt Leute, die von den Taliban zum IS übergewechselt sind. Aber auch in der extremistischen Szene in Pakistan scheint es durchaus Fortschritte für den sogenannten Islamischen Staat gegeben zu haben. Die Taliban sind ja sowohl in Afghanistan als in Pakistan eine Allianz von zahlreichen kleineren und größeren lokalen und regionalen Gruppen. Zusammengehalten wurden sie von dem gemeinsamen Feind, nämlich den ausländischen Truppen, die man als Besatzungstruppen bekämpft hat. Dieser Zusammenhalt ist jetzt schwächer als vorher. Viele aus diesem alten Talibanbündnis-Umfeld haben das Gefühl, dass ihre speziellen Einzelinteressen nicht genug wahrgenommen werden, sie nicht genug Jobs bekommen. Daher sind sie jetzt in Konfrontation zu den Taliban.

Warum galt der Anschlag der konservativen islamischen Partei Jamiat Ulema Islam (JUI)?
Diese Partei bildet eine Art Brücke zwischen Mainstream und Extremisten: In ihrer politischen Ideologie sind sie den verschiedenen Taliban-Kräften ähnlich. Aber sie sind nicht bekannt dafür, Gewalt anzuwenden. Sie sind Extremisten im Kopf, gehen aber in der politischen Praxis durchaus Koalitionen mit säkularen Parteien ein. Die Partei kann daher zu einer Mäßigung der islamistischen Strömungen führen, weil sie ihnen eben ideologisch so nahe steht, gleichzeitig aber im normalen Politkbetrieb mitmischt. Andererseits macht sie aber die extremistischen Ideen auch hoffähig.

Warum werden sie dann Ziel eines Anschlags möglicher radikaler Islamisten – wenn sie ihnen so nahe stehen?
Für Extremisten wie für den IS sind sie ein naheliegendes Ziel. Ihnen ist diese Verbindung zwischen radikaler Ideologie und dem normalen Kuhandel im politischen Geschäft, wie er in Pakistan üblich ist, ein Dorn im Auge. Sie wollen polarisieren. Sie sagen: „Es gibt den Feind und uns.“

Welche Auswirkungen hat dieser Anschlag denn auf die Zentralregierung?
Der Anschlag beschädigt natürlich die Zentralregierung, die ja für Sicherheit sorgen soll. Zumal sie auch enge Beziehungen zur Partei JUI hat.

Wir sehen in den letzten anderthalb, zwei Jahren wieder eine Zunahme von politischer Gewalt, nachdem sie eigentlich in den zehn Jahren davor massiv abgenommen hatte. Im Jahr 2010 gab es ungefähr 12.000 Tote durch politische Gewalt pro Jahr. Die Zahl ist dann auf etwa 500 gesunken.

Diese Zahlen steigen aber seit anderthalb, zwei Jahren wieder deutlich. Das schwächt die ohnehin schwache Zentralregierung natürlich weiter.

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