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Das Militär gegen Milizen: Im April ist der gewaltvolle Konflikt im Sudan erneut ausgebrochen.

© REUTERS/Mohamed Nureldin Abdallah

Nachbarstaaten wollen vermitteln: Kann dieser Plan den Sudan aus der Krise führen?

Der Konflikt zwischen der sudanesischen Armee und der RSF-Miliz dauert seit zwei Monaten an. Die Hauptstadt Khartum ist verwüstet, Hunderttausende sind auf der Flucht.

Von Bettina Rühl

Straßenkämpfe, Explosionen und Bombardierungen aus der Luft haben die Hauptstadt Khartum verwüstet. Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht. Seitdem der Konflikt zwischen Armee und Milizen neu ausgebrochen ist, wird die Lage im Sudan immer dramatischer.

In der Region Darfur im Westen des Landes haben sich außerdem ethnische Milizen eingemischt, was die Befürchtung nährt, dass sich die Kämpfe noch weiter ausweiten und länger andauern könnten.

Die Folgen für die 45 Millionen Einwohner des nordostafrikanischen Landes sind schon jetzt verheerend: Die öffentliche Ordnung im Land ist zusammengebrochen, es fehlt an Lebensmitteln, Bargeld, medizinischen Gütern. Banken, Botschaften, die Lager von Hilfsorganisationen und Kirchen wurden geplündert. In weiten Teilen des Landes ist der Strom ausgefallen, dort funktioniert unter anderem das Internet nicht. Zum Teil ist auch die Wasserversorgung unterbrochen.

Die öffentliche Ordnung ist im Sudan zusammengebrochen: Es fehlt an Lebensmitteln, Bargeld, medizinischen Gütern.

© AFP/-

Ein Fahrplan aus der Krise?

Nun wollen sich die Nachbarstaaten um eine Vermittlung bemühen. Beim turnusmäßigen Treffen des ostafrikanischen Regionalbündnisses IGAD (Intergovernmental Authority on Development) am Montag in Dschibuti verabschiedeten die acht Mitgliedstaaten einen möglichen Fahrplan für die Lösung der Krise.

1800
Menschen wurden seit Mitte April im Sudan durch die Kämpfe getötet.

Demnach wollen sie direkte Verhandlungen zwischen Militärmachthaber Abdel Fattah al-Burhan und dem Führer der RSF-Miliz, Mohammed Hamdan Dagalo alias Hemedti in die Wege leiten. Weitere Ziele sind die Einigung auf einen humanitären Korridor innerhalb der nächsten 14 Tage. Darüber hinaus soll innerhalb von drei Wochen ein politischer Prozess zur Beilegung des Konflikts beginnen. Im drittgrößten Land Afrikas ringen die sudanesische Armee und die paramilitärische „Schnelle Unterstützungstruppe“ („Rapid Support Force“, kruz: RSF) seit dem 15. April um die Macht. Mehrere Waffenstillstände wurden bereits gebrochen.

1,8 Millionen Flüchtlinge

Nach UN-Angaben sind inzwischen rund 1,9 Millionen Menschen auf der Flucht vor der Gewalt. Darunter gut 160.000, die vor bewaffneten Konflikten in einem der Nachbarstaaten im Sudan Zuflucht gesucht hatten.

Den Vereinten Nationen zufolge sind mehr als 400.000 Menschen aus dem Sudan in die Nachbarstaaten geflohen, von denen die meisten bereits selbst unter schweren Krisen leiden und in denen Tausende Binnenflüchtlinge unterwegs sind. Die Nicht-Regierungsorganisation ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) schätzt, dass seit Mitte April mindestens 1800 Menschen getötet und Tausende weitere verletzt wurden.

Bis zur Revolution von 2019 standen General Abdel Fattah al-Burhan und Milizführer Mohammed Hamdan Dagalo alias Hemedti an der Seite von Diktator al-Bashir, wandten sich mit der Revolution aber gegen ihn. Al-Burhan, ein 62-jähriger Vier-Sterne-General, erhielt seine Ausbildung in Ägypten und Jordanien.

Der 40-jährige Hemedti arbeitete zunächst als Kamelhändler, ehe er im Bürgerkrieg von Darfur zum Milizenführer aufstieg. In dieser Region im Westen des Landes kämpfen verschiedene afrikanische Volksgruppen schon seit 2003 gegen die arabisch dominierte Regierung in Khartum. Diese wiederum geht seit vielen Jahren militärisch gegen die Rebellen vor, auch mithilfe von lokalen, arabischen Reitermilizen.

Hemedti, der eine dieser Milizen führte, ist wegen seiner Skrupellosigkeit berüchtigt. Er erregte die Aufmerksamkeit von Diktator al-Bashir, der ihn zu fördern begann. Unter anderem als Goldhändler häufte Hemedti immensen Reichtum an und gilt inzwischen als einer der mächtigsten Männer des Sudan.

Zwei mächtige Rivalen

Nach al-Bashirs Sturz kam es 2019 zu einem Machtkampf zwischen der Armee und zivilen Oppositionsgruppen, bei der die Armee von der RSF-Miliz unterstützt wurde. Beide gingen mit tödlicher Härte gegen die zivile Opposition vor. Im Juli desselben Jahres einigten sich Armee und zivile Opposition auf die Bildung einer gemeinsamen Übergangsregierung. Diese löste sich jedoch auf, als das Militär 2021 jedoch das Militär unter al-Burhans Führung gegen sie putschte.

Seitdem führten al-Burhan und Hemedti den Sudan de facto gemeinsam, blieben aber Rivalen. Nach einem von dem UN-Sondergesandten Volker Perthes im Dezember 2022 vermittelten Plan zur Beendigung der Übergangsphase und der Rückkehr des Sudans zur Demokratie sollten die Armee und die RSF zusammengelegt werden.

Dadurch wäre die RSF faktisch aufgelöst worden, Hemedti hätte seine militärische Machtbasis verloren – was er aber zu verhindern suchte und damit den aktuellen Konflikt auslöste. Sudans Militärmachthaber al-Burhan wirft Perthes deshalb vor, für den Beginn der Kämpfe verantwortlich zu sein. Die Regierung erklärte Perthes deshalb Ende vergangener Woche zur unerwünschten Person.

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