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Ein Fluss schlängelt sich durch den Yasuní-Nationalpark in Ecuador.

© picture alliance/dpa/Georg Alexander

Update

Ölförderung im Amazonas nicht mehr möglich: Ecuador entscheidet sich für die Natur, gegen das Öl

Die Ecuadorianer haben klar für den Erhalt zwei großer Naturschutzgebiete gestimmt. Ein Votum auch gegen das Wachstumsmodell des Nordens der Welt.

Von Sonja Gündüz

Als die ersten Ergebnisse bekannt wurden, war der Jubel groß. Mit einem klaren „Sí“ haben die Ecuadorianer am vergangenen Sonntag nicht nur eine Präsidentenwahl abgehalten – die Stichwahl steht im Oktober an –, sondern auch über die Erhaltung von gleich zwei Naturschutzgebieten entschieden: Mit 59 Prozent stimmten sie für den Schutz des Yasuní-Nationalparks. Sogar 68 Prozent wollten das Biosphärenreservat Chocó Andino vor Bergbau schützen.

Bis zum letzten Moment war der Ausgang ungewiss: Ecuador ist stark abhängig vom Rohstoffexport. Würden sich die Bürgerinnen und Bürger wirklich inmitten der massiven Sicherheits- und Wirtschaftskrise gegen die Ausbeutung der Ressourcen stellen? „Das Ergebnis ist eine Botschaft, nicht nur für Ecuador, sondern für den ganzen Planeten“, jubelt Inty Arcos, Sprecher der Initiative „Quito ohne Bergbau“. „Wir wollen einen Weg jenseits der Rohstoffausbeutung!“

Es war das erste Mal, dass Volksinitiativen es schafften, die Frage nach der Zukunft der Ressourcenförderungen zum Gegenstand eines Referendums zu machen. Es ging um die Erdölförderung im Yasuní-Nationalpark, einem der artenreichsten Gebiete der Erde. Es liegt tief im Amazonas-Regenwald und ist Heimat der letzten indigenen Völker Ecuadors, die noch ohne Außenkontakt leben.

Zehn Jahre Kampf um das Referendum

Obwohl das Land sonst sozial und regional gespalten ist, war sich diesmal eine Mehrheit der Ecuadorianer einig: In 22 der 24 Provinzen lag das „Sí“ zum Schutz des Yasuní klar vorne. Die Förderung muss nun nicht nur gestoppt, sondern auch all das zurückgebaut werden, was dafür bereits an Eingriffen ins Schutzgebiet geschehen ist.

Das Vordringen in den Konzessionsblock 43 hatte 2016 begonnen, nachdem die damalige Yasuní-Initiative des Ex-Präsidenten Rafael Correa gescheitert war. Sie wollte die Länder des globalen Nordens dazu bringen, eine Entschädigung an Ecuador zu zahlen, wenn das Erdöl im Boden bliebe.

Die YASunidos, ein Zusammenschluss von Umweltschützern, Jugendlichen, Indigenen und NGOs, versuchten daraufhin, die Ölförderung mit Hilfe einer Volksinitiative zu verhindern. 700.000 Unterschriften kamen zusammen, doch zur Abstimmung kam es damals nicht: Der Wahlrat erklärte viele der Unterschriften für ungültig.

Nach zehn Jahren Rechtsstreit entschied schließlich das Verfassungsgericht: Die Ecuadorianer dürfen über die Zukunft des Yasuní abstimmen.  

Das Biosphärenreservat Choco Andino.

© REUTERS/KAREN TORO

Die Ergebnisse seien zwar rechtlich verbindlich, „doch nun ist es notwendig, die Umsetzung durch die Zivilgesellschaft zu überwachen“, erklärt Natalia Greene, Mitglied der YASunidos. Der oberste Gerichtshof hat in seinem Urteil angeordnet, dass dem Volksentscheid binnen eines Jahres Folge zu leisten sei.

Am Donnerstag ließ das Bergbauministerium der derzeitigen Regierung jedoch verlauten, dass sie das Referendum in der verbleibenden Regierungszeit bis Dezember nicht umsetzen wollen. 

Arme und Landbevölkerung am stärksten für Naturschutz

An der zweiten Abstimmung über das Biosphärenreservat Chocó Andino konnten lediglich die Bewohner der Hauptstadt Quito teilnehmen. Sie stimmten mit 68 Prozent gegen den Metall-Bergbau. Eine gute Stunde vom Zentrum der Hauptstadt entfernt, hoch in den Anden gelegen, umfasst das Gebiet 140.000 Hektar tropische Nebelwälder.

Seine Bewohner, die hauptsächlich von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und dem Öko-Tourismus leben, kämpfen nun seit 15 Jahren gegen das Vordringen des Bergbaus. 14 Konzessionen seien in diesem Gebiet bereits vergeben worden, das unter anderem einer der letzten Rückzugsorte des Brillenbären ist – des Maskottchens der Initiative „Quito ohne Bergbau“.

Es ist nicht möglich, dass jeder Europäer statt eines Benziners ein Elektroauto fährt.

Inty Arcos, Sprecher der Initiative „Quito ohne Bergbau“

Deren Sprecher Inty Arcos betont, dass das Referendum insbesondere die Zustimmung der ärmeren Viertel und der ländlichen Bevölkerung erhalten habe. In den betroffenen Gemeinden stimmten sogar bis zu 77 Prozent gegen den Bergbau. Für ihn ist die Botschaft klar: „Wir wollen eine andere Entwicklung, eine, die auf dem Leben beruht, im Einklang mit der Natur steht, und uns erlaubt, uns als Menschen weiterzuentwickeln.“

Der Chocó Andino ist nur eines der Gebiete Ecuadors, die durch den Bergbau bedroht sind. Arcos findet, hier sei auch der globale Norden gefragt: Dessen gesteigerte Nachfrage nach Metallen würde dazu beitragen, den Druck auf die Vorkommen und somit auch auf die Gemeinden zu verstärken. „Sie wollen Maßnahmen zum Klimawandel, ohne ihr eigenes Entwicklungsmodell zu hinterfragen. Es ist nicht möglich, dass jeder Europäer statt eines Benziners ein Elektroauto fährt.“

Auch Natalia Greene nimmt die Länder des globalen Nordens in die Pflicht: „Wenn ein kleines Land trotz der hohen Rohstoffabhängigkeit eine solch mutige Entscheidung trifft, ist das eine klare Botschaft an die reichen Länder des Nordens: Sie müssen mit der Transition hin zu einer Post-Erdöl-Gesellschaft wagemutiger voranschreiten!“

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