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Der Oppositionsaktivist Alexej Nawalny ist tot.

© picture alliance/dpa/TASS

Update

Team beklagt fehlende Spur vom Leichnam: Sprecherin bestätigt Tod von Alexej Nawalny

Nach der Meldung über den Tod des russischen Oppositionellen reiste dessen Mutter in das Straflager, wo der 47-Jährige inhaftiert war. Seinem Team zufolge soll sein Leichnam nun untersucht werden.

| Update:

Das Team des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny hat dessen Tod bestätigt. Das teilte Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch am Samstag bei X (vormals Twitter) unter Berufung auf Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja mit. Sie war in das Straflager im Norden Russlands gereist und habe dort die Nachricht über den Tod ihres Sohnes erhalten.

Der Tod des 47-Jährigen soll demnach am 16. Februar um 14.17 Uhr Ortszeit (10.17 Uhr MEZ) eingetreten sein. Zuvor hatte bereits der russische Strafvollzug über Nawalnys Tod informiert, der seit 2021 inhaftiert war.

Allerdings fehlte zunächst vom Leichnam Nawalnys jede Spur. Ein Mitarbeiter des Straflagers jenseits des Polarkreises habe mitgeteilt, dass sich Nawalnys Leichnam in der Stadt Salechard zur Untersuchung befinde, teilte Jarmysch weiter mit. Demnach konnte die Mutter die Leiche zunächst nicht identifizieren.

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Auch die Todesursache ist weiter unklar. Das Leichenschauhaus in Salechard, knapp 50 Kilometer vom Straflager entfernt, war am Samstag jedoch geschlossen.

Team sucht nach Leichnam

Über eine am Eingang angebrachte Kontakt-Telefonnummer kam Nawalnys Anwalt allerdings auch nicht weiter. „Ihm wurde gesagt, dass er bereits der siebte Anrufer an diesem Tag sei“, schrieb Jarmysch. „Und der Leichnam Alexejs befinde sich nicht bei ihnen im Leichenschauhaus.“

Es ist offensichtlich, dass sie lügen und alles unternehmen, um den Leichnam nicht zu übergeben.

Kira Jarmysch, Sprecherin Team Nawalny

Einem zweiten Anwalt sei gesagt worden, dass die Todesursache noch nicht bekannt und eine weitere histologische Untersuchung erfolgt sei, deren Ergebnisse in der nächsten Woche zu erwarten seien, schrieb Jarmysch.

Den Anwälten sei lediglich mitgeteilt worden, dass die Untersuchungen „nichts Kriminelles“ ergeben hätten. „Die lügen ständig und führen uns im Kreis herum“, so Jarmysch. „Wir fordern, dass der Körper von Alexej Nawalny der Familie umgehend übergeben wird.“

Auf Telegram erklärte Nawalnys Team: „Es ist offensichtlich, dass die Mörder ihre Spuren verwischen wollen und seinen Leichnam deshalb nicht übergeben und sogar vor seiner Mutter verstecken.“

Noch am Freitag hatte Nawalnaja der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ gesagt, dass sie ihren Sohn erst am vergangenen Montag im Straflager besucht habe. „Er war lebendig, gesund und lebenslustig“, erklärte sie.

Die Umstände des Todes sind weiter unklar. Der nach vielen Tagen in immer wieder angesetzter Einzelhaft körperlich geschwächte Nawalny war nach russischen Behördenangaben am Freitag bei einem Hofgang im Straflager bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen.

Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos. Menschenrechtler werfen dem russischen Machtapparat Mord vor. Auch die Mitarbeiter des prominenten Anti-Korruptionskämpfers gingen davon aus, dass Nawalny gezielt getötet wurde.

Zahlreiche Mahnwachen – und Festnahmen

Nach dem Tod Nawalnys trauern die Menschen in Russland trotz Festnahmen und Drucks der Behörden weiter um den Oppositionellen. Medien in vielen Teilen Russlands berichteten, dass frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an Nawalny aufgestellt wurden.

Polizisten halten einen Mann fest, als dieser Blumen für Kremlgegner Alexej Nawalny an einem Denkmal in St. Petersburg niederlegen will.

© dpa/AP/DMITRI LOVETSKY

Nach Informationen von Menschenrechtlern gab es landesweit Hunderte von Festnahmen. Das Internetportal ovd.info berichtete am Samstagnachmittag, dass mehr als 400 Menschen in 36 Städten festgenommen worden seien, darunter auch in Moskau, St. Petersburg, Brjansk und Krasnodar. Die Bürgerrechtler gaben auch juristische Hinweise für das Niederlegen von Blumen und veröffentlichten die Nummer einer Telefon-Hotline für anwaltliche Hilfe.

Weltweit anerkannter russischer Oppositionsführer

Viele Russen hatten nach dem Tod Nawalnys öffentlich ihre Wut geäußert. „Wie groß doch selbst die Angst des Machtapparates vor einem Toten ist, wenn sogar das Ablegen von Blumen zu seinem Andenken als Verbrechen angesehen wird“, schrieb der russische Friedensnobelpreisträger und Gründer der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, Dmitri Muratow, am Samstag im Nachrichtenkanal Telegram.

Nawalny habe als weltweit anerkannter russischer Oppositionsführer die Hoffnung auf eine Zukunft nach der Diktatur verkörpert, schrieb der Experte Alexander Baunow für die Denkfabrik Carnegie am Samstag.

Auch im Straflager sei der Politiker für den Kreml ein Ärgernis geblieben. „Doch zeugt das Streben selbst, eine solche Reizfigur loszuwerden, auch davon, dass das Regime nicht so von sich und seiner Zukunft überzeugt ist, wie es selbst gern erscheinen mag.“

Die Anhänger Nawalnys wollen dessen Sprecherin Kira Jarmysch zufolge seinen Widerstand gegen die russische Staatsführung jedenfalls fortsetzen. „Wir haben unseren Anführer verloren, aber nicht unsere Ideen und Überzeugungen“, sagt Jarmysch zu Reuters in einem Videotelefonat, das sie von einem ungenannten Ort aus führt. Sie verweist auf Nawalnys Vergiftung im Jahr 2020, die dieser überlebt hatte. Russland Präsident Wladimir Putin hatte damals eine Verantwortung russischer Staatsorgane bestritten und erklärt, im Falle einer staatlichen Urheberschaft „wäre die Arbeit erledigt worden“. Jarmysch sagt, nun sei Nawalny „ermordet“ worden, wie es damals geplant worden sei.

Litwinenko-Witwe fordert Taten gegen Putin

Die Witwe des ermordeten russischen Ex-Spions Alexander Litwinenko forderte von der internationalen Gemeinschaft ein konsequentes Vorgehen gegen die russische Führung. US-Präsident Joe Biden habe in der Vergangenheit gesagt, es würde verheerende Folgen für Russlands Staatschef Wladimir Putin haben, sollte Nawalny sterben, sagte Marina Litwinenko am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. „Ich will sehen, was das bedeutet, nicht nur Worte“, betonte Marina Litwinenko: „Das ist sehr wichtig. Geht von Worten zu Taten über.“

Dies bedeute vor allem Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland. „Der einzige Weg, die russische Opposition im Kampf gegen Putins Regime zu helfen ist, die Ukraine zu unterstützen“, betonte die Frau des 2006 durch eine Vergiftung mit radioaktivem Polonium getöteten Ex-Spions. Wenn die Ukraine im Krieg gegen Russland den Sieg davontrage, „könnte das Menschen innerhalb Russlands ermöglichen, sich für Veränderungen einzusetzen“.

Marina Litwinenko drückte der Witwe des am Freitag in einem russischen Straflager plötzlich gestorbenen Nawalny ihr Mitgefühl aus. „Ich verstehe Julia sehr genau nach dem, was mit ihrem Mann geschehen ist. Man denkt immer, so etwas wird einem nicht selbst passieren“, sagte sie. Der Tod des Kreml-Kritikers sei „ein sehr trauriger Tag“ nicht nur für Nawalnys Angehörige, sondern „für viele Russen, die an eine bessere Zukunft für Russland glauben“.

Julia Nawalnaja müsse dafür sorgen, dass die internationale Gemeinschaft das Schicksal ihres Mannes nicht vergesse: „Es reicht nicht aus, nur gestern, heute und vielleicht noch ein paar Tage lang darüber zu reden. Darüber muss die ganze Zeit gesprochen werden, bis es Rechenschaft gibt“, betonte Litwinenko.

Der frühere russische Spion Alexander Litwinenko war 2006 im Alter von 43 Jahren gestorben, nachdem er bei einem Treffen mit zwei russischen Geschäftsmännern und Ex-KGB-Agenten in einem Londoner Hotel mit radioaktivem Polonium versetzten Tee getrunken hatte. Britische Ermittler kamen zu dem Schluss, dass die beiden Russen Litwinenko im Auftrag des russischen Geheimdienstes vergifteten. Moskau wies dies zurück.

Nawalny war zu mehr als 30 Jahren Haft verurteilt worden. Zuletzt war er im Straflager „Polarwolf“ nahe der Ortschaft Charp im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen in Nordrussland inhaftiert.

Russlands Machtapparat geht immer wieder mit Gewalt gegen Andersdenkende vor. Proteste werden in dem Land schon seit Jahren nicht erlaubt. (dpa, Reuters)

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