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Der US-Journalist Evan Gershkovich.

© privat/privat

Update

Vorwurf der Spionage: Russisches Gericht erlässt Haftbefehl gegen US-Reporter Evan Gershkovich

Der Kreml behauptet, der Journalist des „Wall Street Journal“ sei auf „frischer Tat“ bei der Spionage ertappt worden. Die russische Opposition sprach von einer „Geiselnahme“.

| Update:

Der russische Geheimdienst FSB hat laut Staatsmedien in Jekaterinburg im Ural einen Korrespondenten der renommierten US-Zeitung „Wall Street Journal“ wegen angeblicher Spionage festgenommen. Der 1991 geborene Reporter werde der „Spionage im Interesse der amerikanischen Regierung“ verdächtigt, teilte der FSB am Donnerstag laut Staatsagentur Tass mit.

Der Reporter habe im Auftrag der US-Seite Informationen über den militärisch-industriellen Komplex in Russland gesammelt, die ein Staatsgeheimnis darstellten. „Beim Versuch, geheime Informationen zu erhalten, wurde der Ausländer in Jekaterinburg festgenommen.“ Ein russisches Gericht erließ am Donnerstagnachmittag Haftbefehl gegen den Journalisten.

US-Amerikaner werden immer wieder in Russland wegen Spionage verdächtigt. Es dürfte aber der erste Fall eines Journalisten sein, der offiziell beim russischen Außenministerium akkreditiert ist. Russland hatte zuletzt im Zuge des Ukraine-Kriegs die Gangart gegen westliche Journalisten verschärft. Die russische Opposition sprach von einer „Geiselnahme“.

Das „Wall Street Journal“ sei nach der Festnahme „sehr besorgt um die Sicherheit“ seines Reporters, teilte die Zeitung mit. Die Verantwortlichen der Zeitung dementierten alle Vorwürfe gegen den Reporter und forderten dessen Freilassung gefordert. „Wir sind solidarisch mit Evan und seiner Familie“, teilte die Zeitung mit. Die Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ nannte die Festnahme des 1991 geborenen Reporters „besorgniserregend“. „Journalisten dürfen nicht zur Zielscheibe werden“, forderte die Organisation. 

Die Spionagevorwürfe sind nach Darstellung des Kremls jetzt schon bewiesen. „Soweit uns bekannt ist, wurde er auf frischer Tat ertappt“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag im staatlichen Rundfunk.

Medien hatten zuvor berichtet, der Reporter sei verschwunden. Er hatte demnach versucht, eine Reportage über die Einstellung der Bevölkerung zu den Anwerbeversuchen der Privatarmee Wagner zu schreiben.

Er soll in Jekatarinenburg und Nishni Tagil recherchiert haben. In beiden Städten gibt es viel Rüstungsindustrie. In sowjetischen Zeiten waren das für Ausländer sogenannte geschlossene Städte. Als Korrespondent darf man dort heutzutage nur mit spezieller Einladung hin, wenn überhaupt.

Er hoffe nicht, dass es nun Repressionen gegen russische Journalisten in den USA gebe, sagte Peskow auf Nachfrage. „Das dürfte zumindest nicht sein, weil es in dem Fall (der Festnahme von Gershkovich) - ich wiederhole es - nicht um einen Verdacht geht, sondern darum, dass er auf frischer Tat ertappt wurde“, sagte der Kremlsprecher.

Zuvor hatte schon Außenamtssprecherin Maria Sacharowa den vom FSB erhobenen Vorwurf der Spionage gegen Gershkovich bestätigt und westlichen Korrespondenten allgemein vorgeworfen, unter dem Deckmantel des Journalismus gegen Russland zu spionieren. „Das ist nicht der erste Fall, indem eine Akkreditierung als Deckmantel benutzt worden ist“, sagte sie und drohte damit indirekt anderen westlichen Journalisten in Russland.

Kritischer Bericht über russische Wirtschaft

Zuletzt hatte Evan Gershkovich im „Wall Street Journal“ einen Artikel veröffentlicht, in dem es um den Niedergang der russischen Wirtschaft ging.

Darin schreibt er: „Da der Krieg in sein zweites Jahr geht und die westlichen Sanktionen immer härter werden, werden die russischen Staatseinnahmen immer knapper, und die Wirtschaft des Landes ist auf einen niedrigeren Wachstumspfad eingeschwenkt, der wahrscheinlich langfristig Bestand haben wird.“

Russische Blogger äußerten die Vermutung, dass Russland mit der Festnahme des US-Reporters einen Gefangenenaustausch vorbereiten könnte. Ähnlich wie im Fall der US-Basketballerin Brittney Griner, die im Austausch für den Waffenhändler Viktor But freigelassen worden war.

Ähnlich äußerte sich das Team des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny: „Putin ist bereit, jede Methode anzuwenden, um Druck auf den Westen auszuüben.“ Kremlchef Wladimir Putin hatte in der Vergangenheit immer wieder inhaftierte russische Kriminelle in den USA durch einen Austausch mit in Moskau verurteilten Amerikanern freibekommen. (Tsp, dpa)

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