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Japan produziert Waffen in erster Linie zur Verteidigung des Landes.

© Taketo Oishi/p-a/AP

„Wir stehen sehr schlecht da“: Warum Japans Waffenproduzenten nicht mithalten können

Japans Sicherheitslage hat sich durch den Ukraine-Krieg verschärft. Jetzt will das Land enger mit der Nato zusammenarbeiten. Doch die eigene Rüstungsindustrie ist kaum wettbewerbsfähig. Was läuft schief?

Mitte Dezember beschloss die Regierung um Premierminister Fumio Kishida mit einer neuen Sicherheitsstrategie, das Verteidigungsbudget zu verdoppeln, bis 2027 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Japan befinde sich im „ärgsten und kompliziertesten Sicherheitsumfeld“ seit dem Zweiten Weltkrieg, heißt es in den Papieren.

Zu „potenziellen“ Bedrohungen gehören nun nicht mehr nur die „größte strategische Herausforderung“ – China und Nordkorea –, sondern auch Russland. Am Montag empfängt Kishida deshalb auch den Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Bei dem zweitägigen Besuch wird es um eine engere Partnerschaft zwischen dem Militärbündnis mit Tokio gehen.

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Auch der in Japans Verfassung niedergeschriebene Pazifismus, der dem Land jede Kriegsführung verbietet, wird zunehmend aufgeweicht. Denn die Selbstverteidigungskräfte sind fortan prinzipiell auch zu militärischen Gegenschlägen autorisiert.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg fuhr zum Auftakt seiner Asienreise nach Südkorea. Ab Montag ist er zwei Tage in Japan.

© AFP / AFP/Kim Min-Hee

Die japanische Rüstungsindustrie müsste sich also eigentlich die Hände reiben. Doch von Aufbruchstimmung ist wenig zu hören. Im Gegenteil: Es herrscht Nervosität. „Die inländische Verteidigungsindustrie repräsentiert indirekt die Fähigkeit zur nationalen Verteidigung“, sagte Verteidigungsminister Yasukazu Hamada Ende vergangenen Jahres – Worte, die als Warnung wahrgenommen wurden. Denn Japans Rüstungsbranche gilt als nicht wettbewerbsfähig.

Wir stehen sehr schlecht da.

Ken Jimbo, Sicherheitsexperte und Politikprofessor an der Keio Universität in Tokio

Auf den ersten Blick ist das erstaunlich. Japans Volkswirtschaft ist die drittgrößte der Welt, und in praktisch jeder mit Militäraktivitäten verwandten Branche – von Software über den Schiffbau bis zum Bau von Atomkraftwerken – zählen japanische Unternehmen zu den führenden der Welt.

Aber wer nach den größten Rüstungsunternehmen des Planeten sucht, findet zunächst keine japanischen Namen. Die Datenbank des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) listet für das Jahr 2021 nur vier Unternehmen aus Japan.

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Rüstungsunternehmen aus Japan schaffen es lediglich auf die SIPRI-Liste der größten Rüstungsunternehmen.

Kurz nach der Jahrtausendwende war die japanische Industrie deutlich stärker in den Rankings vertreten. Mitsubishi war das fünfzehntgrößte Unternehmen, insgesamt sechs Konzerne aus dem Land zählten zu den größten 100.

Und selbst im Vergleich zum Jahr 2014, als die Exportbeschränkungen für Waffen gelockert wurden und ebenfalls noch sechs japanische Unternehmen auf der Liste des Friedensforschungsinstituts Sipri zu finden waren, ist sowohl Japans Anteil am Weltmarkt gesunken als auch die akkumulierten Erlöse der aufgeführten Betriebe.

Die inländische Verteidigungsindustrie repräsentiert indirekt die Fähigkeit zur nationalen Verteidigung.

Yasukazu Hamada, Verteidigungsminister Japans

„Wir stehen sehr schlecht da“, konstatiert Ken Jimbo, Politikprofessor an der angesehenen Keio Universität in Tokio und Experte für Sicherheits- und Militärfragen. „Es gibt im Moment viele Diskussionen darüber, was schiefläuft.“

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Millionen Dollar betrug der geplatzte Rüstungsdeal zwischen Japan und Australien 2016.

Japans Rüstungsbranche scheint sogar zu schrumpfen. Laut dem Wirtschaftsverband Keidanren hat die Anzahl von Unternehmen, die im Verteidigungssektor aktiv sind, in den vergangenen Jahren um rund ein Zehntel abgenommen.

„Über das vergangene Jahrzehnt haben wir es überhaupt nicht geschafft, uns auf dem internationalen Markt zu etablieren“, so Ken Jimbo. 2016 scheiterte ein Deal mit Australien, bei dem japanische U-Boote im Wert von 65 Milliarden US-Dollar verkauft werden sollten. Den Zuschlag erhielt letztlich Frankreich.

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Verhandlungen mit Indien über Flugzeuge scheiterten am Preis. Ebenso der Versuch, ein Radarsystem nach Thailand und Fregatten nach Indonesien zu verkaufen. Nur die Philippinen haben ein japanisches Radarsystem gekauft.

Die Preise sind hoch und international nicht wettbewerbsfähig.

Raymond Yamamoto, Professor an der Universität Aarhus und Außenpolitik-Experte

„Weil die Regulierungen über mehrere Jahrzehnte praktisch Waffenexporte verboten haben, hat sich Japans Industrie auf die Inlandsnachfrage konzentriert“, sagt Raymond Yamamoto, Professor an der Universität Aarhus und Experte für Außenpolitik.

„So sind die Produktionskapazitäten niedrig geblieben, die Preise daher hoch und international nicht wettbewerbsfähig.“ Doch was vor einigen Jahren noch als politisch fortschrittlich galt, empfindet nun ein wachsender Teil der Gesellschaft als Problem.

Vom steigenden nationalen Verteidigungsetat profitiert bisher vor allem Japans wichtigster Sicherheitspartner: Waffenimporte aus den USA haben sich allein zwischen 2014 und 2019 auf gut 700 Milliarden Yen (rund 5,7 Milliarden Euro) mehr als verdreifacht.

Wobei sich in jüngster Vergangenheit ein Umdenken zeigt. Im Dezember verkündete die japanische Regierung, bis 2035 gemeinsam mit Großbritannien und Italien einen Kampfjet entwickeln zu wollen.

„So ein Projekt zeigt, dass sich Japan nicht mehr ausschließlich auf die USA verlassen möchte“, sagt Yamamoto. Zuletzt wurde Japan auch zu Treffen des westlichen Militärbündnisses Nato eingeladen. Zudem kamen deutsche und französische Schiffe vor die japanische Küste, als Zeichen der Kooperation. „Vieles davon wäre vor ein paar Jahren kaum denkbar gewesen“, sagt Ken Jimbo.

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