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Beyoncé möchte mit ihren Auftritten einen „Safe Space“ für ihre Fans schaffen.

© Imago/Uncredited

Beyoncés Konzertfilm „Renaissance“: Die fast menschliche Seite von Superwoman

In dem spektakulären Konzertfilm „Renaissance“ gibt Beyoncé auch persönliche Einblicke. Ein Dokument der Schönheit schierer Willenskraft.

Von Andreas Busche

Es versteht sich von selbst, dass Beyoncé Knowles aka Queen Bey nicht einfach einen Konzertfilm veröffentlicht. „Renaissance: A Film By Beyoncé“ ist das Spektakel, auf das die Popwelt gewartet hat; und das gleichzeitig, wie vor einigen Wochen schon Taylor Swifts „Eras“-Film, an diesem Wochenende die Tektonik an den Kinokassen verändern wird.

Aber als kleines Extra, sozusagen als Bonustrack, schenkte Beyoncé am Freitag ihren Fans noch den neuen Song „My House“, die futuristische Marschmusik-Version eines „Dirty South“-Bangers. Ihre Hommage an den Hip-Hop aus den Südstaaten, mit dem Beyoncé aufwuchs. In „Renaissance“ läuft der Song im Abspann.

Wer kennt Beyoncé schon wirklich?

Beyoncé gehört zu der Sorte Pop-Künstlerin, die nach einem fulminanten 168-minütigen Spektakel, das Fritz Langs „Metropolis“, Botticellis Madonna und die queeren Ballrooms der frühen 1980er zitiert, ihren Fans immer noch ein „Let’s Go“ zuruft. Die hardest working woman im Popgeschäft, die sich mit einer glänzenden Rüstung aus Perfektionismus umgeben hat. Wer glaubt schon, diese Frau wirklich zu kennen, die mit ihren Inszenierungen eine unnahbare Starpersona geschaffen hat?

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Die „Renaissance“-Tour stellt selbst ihre legendäre Coachella-Performance aus „Homecoming“ in den Schatten. Der „Renaissance“-Film – mehr Tour-Dokumentation als Konzertfilm – gibt nun ein paar Einblicke hinter die Kulissen, die zeigen sollen, was den Menschen Beyoncé Knowles bewegt.

Die Grenzen zwischen Image- und Tourfilm verlaufen fließend, aber es passt zu einer Künstlerin, bei der Arbeit und Leben derart in eins fallen. „Diese Tour ist ein Monster“, sagt Beyoncé einmal über den logistischen Aufwand der Produktion, die sie auf die Straße bringt. Der Satz fällt irgendwann zwangsläufig auch auf die Künstlerin mit dem Perfektionswahn zurück.

Anders als „Eras“ dokumentiert „Renaissance“ nicht ein einzelnes Konzert, sondern die verschiedene Etappen der Tour. Sie holt Megan Thee Stallion und Kendrick Lamar auf die Bühne, das Ständchen zu ihrem 42. Geburtstag singt Diana Ross. Renaissance, erklärt Beyoncé, bedeute für sie einen Neuanfang, gleichzeitig fugieren Album wie Tour aber auch als lebendiges Archiv. Keine Großkünstlerin der Gegenwart verfügt über ein so ungetrübtes Verständnis für Bildpolitik wie Beyoncé: die milliardenschweren Caters beim Posieren vor der Mona Lisa oder als Outlaw-Pärchen aus dem senegalesischen Filmklassiker „Touki Bouki“.

Ein sicherer Ort für den „Beyhive“

So dient der Tourfilm auch als eine Art elaborierte Fußnote zum Kleingedruckten in den Album-Credits. „Renaissance“ würdigt den legendären Ballroom-MC Kevin JZ Prodigy, den Beyoncé im Film als „Herzschlag“ ihrer Tour bezeichnet. Sie hat mit The Dolls eine eigene Voguing-Crew in die Show integriert und eigens für „Renaissance“ eine Girl Group gecastet – die Musik ihrer Kindheit.

Ein Star in Perfektion: Allein die Kostüme von Beyoncé stellen alles im Pop Gesehene in den Schatten.
Ein Star in Perfektion: Allein die Kostüme von Beyoncé stellen alles im Pop Gesehene in den Schatten.

© IMAGO/Cover-Images/imago

Sie erzählt stolz, wie viele Frauen zu ihrer Bühnencrew gehören, stellt ihre Trompeterin Crystal Torres vor, die hochschwanger mit auf der Bühne steht, und erinnert an ihren an HIV verstorbenen Onkel Johnny, der die Kostüme von Destiny’s Child schneiderte, als sich noch kein Designer für drei schwarze Mädchen aus den Südstaaten interessierte. „Ich bin dankbar, euch allen einen sicheren Ort bieten zu können“, sagt Beyoncé salbungsvoll zu ihren Fans.

Der Gegenschuss auf die Fans – und daran besteht nach „Renaissance“ kein Zweifel: Beyoncé hat von allen Popstars ihrer Größenordnung die schönsten, queersten, flamboyantesten Fans – entbehrt natürlich nicht eines gewissen Narzissmus.

Die Begeisterung in den Gesichter der „Beyhive“-Mitglieder, die quasi-religiöse Ekstase, die Epiphanie im Angesicht ihrer Heldin hat auch etwas vom Blick in einen Spiegel: Beyoncé erkennt ihr eigene Größe in den Reaktionen der Fans. Gleichzeitig sind die in „Renaissance“ tatsächlich ein wichtiger Teil der Show, die eben einen „Safe Space“ darstellt. So geht der Jubel der Fans auf der Leinwand gelegentlich schon mal im Jubel im Kinosaal unter.

Beyoncé bei der Londoner Premiere von „Renaissance“.
Beyoncé bei der Londoner Premiere von „Renaissance“.

© REUTERS/@brlkay/TMX

Die Übergänge zwischen den Live-Performances und Hinter-den-Kulissen-Gesprächen geben „Renaissance“ einen weiteren Fokus als ein bloßer Konzertfilm es könnte. Beyoncé sagt einmal, dass sie sich mit 40 endlich als der Mensch fühle, der sie immer sein wollte. Sie trete in eine neue Lebensphase ein, ohne Selbstzweifel.

In „Renaissance“, auch eine Art Zwischenbilanz, nimmt die Familie viel Raum ein, vor allem Beyoncés Eltern. (Jay-Z sitzt meist stumm daneben.) Und ihre elfjährige Tochter Blue Ivy, die während der Tour festes Mitglied der Troupe wird – aus Trotz, weil sie im Netz zuvor für ihre schlechten Tanz-Moves gemobbt worden war.

Was Willensstärke und Arbeitsethos angeht, steht die Elfjährige ihrer Mutter in nichts nach. Außerdem nimmt Blue Beyoncé auch schon mal kreative Entscheidungen ab, wenn sie „durchsetzt“, dass der frühe Hit „Diva“ nicht aus dem Programm gestrichen wird. Er gehört zu den wenigen Songs in „Renaissance“, die nicht vom gleichnamigen Album stammen.

In seinen Dimensionen ist „Renaissance“ ein eindrucksvolles künstlerisches Statement. Licht, Kostüme, aber auch der Schnitt und die Kamera – auf alle Aspekte hat sein Star Einfluss genommen. Einmal erzählt sie, wie lange es gedauert hat, bis sie in ihrer Karriere das letzte Wort bei kreativen Entscheidungen hatte: „Diese B... hält nicht mehr die Klappe!“

Heute kann sie es sich sogar leisten, einen Stromausfall während der Show als kleinen Triumph über das Schicksal zu verkaufen. „Renaissance“ zeigt mehr von den Brüchen in der Inszenierung: auch die Sommersprossen in Beyoncé Knowles’ Gesicht, während sie fettige Chicken Wings verschlingt. Sie ist vielleicht nicht die reichste Frau im Showgeschäft. Aber dafür hat sie in ihrem neuen Lebensabschnitt jetzt auch mal Spaß.

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