zum Hauptinhalt
Heiße Sache: Das Messe-Zelt auf dem Erlanger Schlossplatz, wo sich auch der Verlagsstand unseres Autors befand.

© Erich Malter / Internationaler Comic-Salon Erlangen

20. Internationaler Comic-Salon Erlangen: Das Schullandheim der Comicszene

Der Internationale Comic-Salon Erlangen gilt als Fixstern der Szene. Wie erlebt eigentlich ein Zeichner das Festival? Ein streng subjektiver Bericht.

Eine Comic-Saison umspannt hierzulande nicht ein Jahr, sondern zwei. Das liegt einzig und allen am Comic-Salon Erlangen. Denn der Fixstern der deutschsprachigen Comicszene findet bekanntlich nicht jährlich, sondern alle zwei Jahre statt. Große und kleine Comicverlage planen ihre Novitäten-Termine, Signierstunden, Ausstellungen und Preiseinreichungen um diesen Termin herum.

Bela Sobottke beim Signieren am Stand des Gringo-Verlags.

© Lars von Törne

Comicschaffende fiebern dem Festival entgegen und brauchen danach zwei Jahre, um sich zu erholen. Ich selbst veröffentliche seit 2008 wie ein Uhrwerk alle zwei Jahre einen neuen Comic - immer genau zum Salon.

Nachdem der Comic-Salon 2020 pandemiebedingt ausfiel, fand er nun endlich wieder statt. Die Freude darüber war greifbar, auch wenn sich nicht wenige aus der Comicszene Gedanken um die Corona-Situation machten. Zumal die Infektionszahlen just zu Salonbeginn wieder stiegen, in Erlangen sogar massiver als andernorts.

Insbesondere bei Signierstunden ist es fast unmöglich, Abstand zu halten: Die Leute kommen auf Tuchfühlung, das ist Teil des Konzepts. Eine Maskenpflicht wäre für viele in dieser besonderen Situation eine Erleichterung gewesen, aber sie ist bekannterweise aktuell politisch nicht mehr gewünscht.

Immerhin standen viele Schilder herum, die das Tragen von Masken auf der Messe nahelegten. Damit folgt das Kulturamt Erlangen der vorgegebenen politischen Linie, die Verantwortung nicht kollektiv und solidarisch zu tragen, sondern auf dem einzelnen abzuladen.

Vorbildlich: Masken waren keine Pflicht in den Hallen, viele trugen sie trotzdem.

© Lars von Törne

Da blieb uns nur, eigenverantwortlich Masken zu tragen. Was ich und andere auch konsequent beim Signieren taten, trotz hochsommerlichem Wetter und den damit einhergehenden monströsen Temperaturen. Kurz nach dem Salon häufen sich nun die Infektions-Meldungen aus der Szene, was einen Schatten über die ansonsten positive Bilanz des Salons wirft.

Seit 2008 liegt meine verlegerische Heimat bei Gringo Comics. Damals veröffentlichte Gringo-Verleger Holger Bommer meinen Comic „Knochen-Jochen“, und ein Freund prophezeite mir: „Wie ich dich kenne, bleibst du jetzt die nächsten zehn Jahre dort.“ Ja, er kennt mich gut, ich bin immer noch da.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Meine Begeisterung, einige der besten Zeichner der Republik wie Martin Frei („Kommissar Eisele“), Haggi („Di Abenteuer fom Hartmut“), oder Rudolph Perez („Commander Cork“), zu denen ich früher aufgeschaut habe, nun Kollegen nennen zu dürfen, ist nie abgebrochen. Auch später hinzugestoßene Gringo-Kollegen wie Sebastian Sommer (neues Werk zum Salon: „Bulletten“), Thomas Baehr (neues Werk zum Salon: „Pol 3: Stell dir vor, es gibt einen Klimawandel... und alle ignorieren ihn“) und Robert „Jazze“ Niederle (neues Werk zum Salon: „Hans die Larve 3: Haarklein“) möchte ich in Erlangen nicht missen.

Wer einmal bei Gringo gelandet ist, bleibt für immer. Die meisten von uns veröffentlichen zwar auch mal bei anderen Verlagen. Aber unsere Gringo-Zugehörigkeit wird dadurch nicht berührt, wir sind sowas wie der Wu-Tang Clan der deutschen Comic-Szene. Und dieser 20. Comic-Salon war etwas ganz besonderes für uns: Gringo feierte 30-jähriges Verlagsbestehen.

Unser Salonleben gliedert sich während der Festivalzeit in Erlangen grob in vier Bereiche: Messe - Ausstellungen/Veranstaltungen - Preisverleihungen - Feiern.

Das Herzstück: Die Messe

Am meisten Zeit verbringen wir üblicherweise auf der Messe. Sie fand diesmal wieder in drei Messezelten mitten im Zentrum Erlangens statt. Dieses Konzept, 2018 aus der Not geboren, weil der bisherige Veranstaltungsort renoviert wurde, erfreute sich derartiger Beliebtheit, dass es für dieses Jahr trotz erheblicher Zusatzkosten beibehalten wurde. Strahlende Gesichter dankten es dem Kulturamt Erlangen.

Obwohl ich auch manchmal höre, dass Kolleg:innen die gute, alte Heinrich-Lades-Halle vermissen. Ich auch ein bisschen. Aber mein Verleger ist da eindeutig: Die Zelte sind besser. Er beobachtet ein gemischteres Publikum als früher und konnte dieses Jahr erneut einen Rekordumsatz verzeichnen. Was natürlich nicht ganz unwichtig ist aus Verlegersicht.

Buntes Programm: Mehr als 200 Aussteller hatten in Erlangen ihre Stände, hier der Panini-Verlag.

© Lars von Törne

Für mich gab es wie gewohnt zwei Signierstunden täglich, eine vormittags, eine nachmittags. Dieses mal signierte ich hauptsächlich meinen neuen Comic „Knüppeldick“ und gleich bei meinem ersten Termin kam ich in den Genuss, mit einem Urgestein der Szene gemeinsam zu signieren: Hartmut „Haggi“ Klotzbücher.

Um meine Begeisterung zu verstehen, gehen wir ein bisschen zurück in der Zeit, ins Jahr 1987. Ich war ein zwölfjähriger westberliner Knirps und meine Comics kaufte ich noch am Kiosk: „Lucky Luke“-Alben, „Hulk“-Taschenbücher, „Die großen Phantastic-Comics“... Damals gab es glücklicherweise einiges im Zeitschriftenhandel. Aber nichts von deutschen Zeichnern, und ich hatte natürlich noch keine Ahnung von der deutschen Comicszene, die sich andernorts formierte.

Da entdeckte ich im Zeitschriftenständer um die Ecke plötzlich ein Heft namens „Rammbock“. Das Magazin ließ keinen Zweifel: Dies war kein Lizenzprodukt, sondern eine Eigenproduktion. Einer der beteiligten Zeichner war ein blutjunger Hartmut Klotzbücher. Im zweiten Heft sah man dann Fotos von allen Beteiligten auf „Rammbock“-Werbetour, die sie auch nach Erlangen führte.

Dieses Glück, Gleichgesinnte zu treffen und mit ihnen an einem Strang zu ziehen, schien für mich unerreichbar. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich später mal mit Haggi an einem Tisch signieren würde, ich hätte es natürlich nicht geglaubt.

Haggi betrachte ich als einen der besten Funny-Zeichner Deutschlands und würde ihm, wäre ich ein Verleger, sofort jedes „Schlümpfe“-Album anvertrauen. Selbst wenn er, wie bei „Di Abenteuer fom Hartmut“ absichtlich wie ein Kind zeichnet, schimmert sein zeichnerisches Vermögen durch. „Der Hartmut“ ist daher das einzige Strichmännchen, das ich respektieren kann. Und vielleicht beendet Haggi auch noch irgendwann den dritten Band von „Die Abenteuer vom Lieben Gott“, und zeigt Gott und der Welt erneut, was 'ne Harke ist.

Ich könnte jetzt ähnliche Geschichten erzählen von meinen anderen Gringo-Kollegen, aber das würde jeden Rahmen sprengen.

Zu den Signierstunden kamen sehr viele, sehr nette Leser:innen an den Stand. Die allermeisten waren extrem freundlich und sehr dankbar, ein bisschen mit dem Zeichner plauschen zu können und eine schicke Zeichnung in den soeben erworbenen Comic gekritzelt zu bekommen. Die Signierstunden waren so gut besucht, dass meine Stifte nach anderthalb Tagen ausgefranst waren. Es war ein dummer Anfängerfehler, keinen Ersatz mitgebracht zu haben, aber glücklicherweise gab es auf der Messe einen Stand, der Stifte verkaufte.

Mawil beim Signieren seines Lucky-Luke-Comics.

© Lars von Törne

Besonders schön sind natürlich Besuche von geschätzten Kolleg:innen aus der Szene. Büke Schwarz („Jein“) ließ sich einen „Knochen-Jochen“ signieren, Philipp Spreckels („Yellowstone“) einen „Knüppeldick“. Andi Preller vom „Das alles“- und „Comic-Cookies“-Podcast ebenso. Thorsten Brochhaus von Plem Plem Productions („Whoa Comics“) kam vorbei und ließ sich einen „Kronos Rocco“-Band signieren. Er strahlte von einem Ohr zum anderen und gab zu, dass er entgegen seinem grummeligen Naturell großen Spaß beim Salon habe und auch der Plem-Plem-Stand super liefe.

Da Sarah Burrini am Kwimbi-Stand nebenan ebenfalls einen sehr zufriedenen Eindruck machte, halte ich es glatt für möglich, dass die beiden als nächste Folge ihres „Wir vs. Comics“-Podcasts völlig entgegen dem Konzept der Sendung eine abgesehen von der Beurteilung der Corona-Maßnahmen irritierend positive Erlangen-Episode abliefern.

Natürlich kam dann auch mal einer, der mit irgendeinem Sonderwunsch nervte ohne auch nur das kleinste Heftchen zu kaufen. Aber dagegen habe ich eine Geheimwaffe: Ich lehne ab. Manche Comicschaffende haben damit Probleme. „The easiest and the hardest word to say is NO“, erkannte bereits Public Enemy-Frontmann Chuck D auf seinem 1996-er Soloalbum „Autobiography of Mistachuck“. Ich kann es nur empfehlen. Das Nein-Sagen. Die Platte auch.

Verleger:innen sind natürlich die komplette Messe über an den Verlagsstand gefesselt. Aber ich bin ja kein Verleger, und so kann ich zwischen den Signierstunden glücklicherweise durch die Messe streifen.

In den Messezelten treffen wir Comicschaffende an jeder Ecke Bekannte. Mein Berliner Zeichnerkollege und Mitstreiter Micha Vogt begegnete mir gleich mehrmals, bei Panini und am Stand von „Cozmic“, der Science-Fiction-Anthologie, für die sowohl er als auch ich schon Beiträge gezeichnet haben. Bei Zwerchfell ließ ich mir von Christopher Tauber erklären, warum er nicht mehr bei Twitter ist („Twitter ist Gift“).

Am Stand von Delfinium Prints fragte ich David Füleki, wie in drei Teufels Namen er dieses gigantische Seiten-Pensum hinbekommt (er weiß es auch nicht aber das sehr eloquent) und lobte Marcel „Hugi“ Hugenschütt für seine Power bei den Salon-Partys (immer der letzte Mann auf den Straßen Erlangens). Bei einem großen Verlagshaus besprach ich mit dem Verlagsleiter ein Projekt, das derart unwahrscheinlich und geheim ist, dass es vielleicht nie Realität wird. Oder auch doch. Klingt nebulös? Ist es auch. Aber so ist das hier in Erlangen. Jede:r hat irgendwas am Köcheln, spinnt welterobernde Pläne, hat was in der Pipeline. Da wird gemeinsam gefachsimpelt, geplant, geklönt.

Schattenspender: Der Eingangsbereich von Messezelt A.

© Lars von Törne

Im Schlossgarten, in dem zwei der drei Zelte gelegen sind, lief ich bei einer dringend benötigten Pause zwei 15jährigen Jungs mit einem Bauchladen über den Weg. Fast wie Klaus Cornfield seinerzeit aus dem Koffer heraus seine „Kranken Comics“ verdealte, boten Jan und Henry ihr Werk „Freagleman“ (Untertitel „Super Comic-Heftchen“) feil. Soviel Engagement und Underground-Attitude musste natürlich belohnt werden, und ich kaufte ihnen ein Heft ab. Weiter so, Jungs!

Ein Besuch am Stand von „Moga Mobo“ und ein Schnack mit Titus Ackermann, der mich vor einigen Monaten für die neue „Moga-Mobo“-Ausgabe rekrutiert hatte, lag mir diesmal besonders am Herzen. Hier war der schönste Musik-Comic der Saison, „Moga Mobo Musik: Greatest Hits“ erhältlich, und das auch noch gratis.

Der Moga-Mobo-Stand mit Titus Ackermann (links) und Thomas Gronle.

© Lars von Törne

Auf 100 Seiten präsentieren 100 verschiedene Zeichner:innen 100 Hits. Ich hatte für den Band den Song „Cop Killer“ von Body Count illustriert, selbstverständlich der blutigste Beitrag im Buch. Eigentlich auch der einzige blutige Beitrag im Buch. „Moga Mobo“ bringt mich zum nächsten Eckpfeiler des Comic-Salons...

 Mehr Ausstellungen und Veranstaltungen als irgendwo sonst

„Moga Mobo Musik: Greatest Hits“ ist nämlich auch eine der diversen Ausstellungen, die es in Erlangen zu bewundern gab. Alle 100 Beiträge wurden auf LP-Größe reproduziert und im Plattenladen „Bongartz“ in Boxen zum durchblättern ausgestellt. Damit bewiesen die Moga Mobos wieder mal maximale Kreativität und Konzept-Kompetenz.

Die Moga-Mobo-Musikcomic-Präsentation in stilechtem Ambiente.

© Lars von Törne

Wenn man auf der Messe stark eingebunden ist, ist es natürlich nicht ganz einfach, alles an Veranstaltungen mitzunehmen, das man gerne gesehen hätte. Ganz besonders schwierig ist das bei termingebundenen Ereignissen, wie den vielen interessanten Podiumsdiskussionen. Auch unser Tagesspiegel-Redakteur Lars von Törne moderierte eine Reihe von Panels, unter anderem mit Comiczeichner:innen aus der Ukraine und aus Kanada sowie eine finale Gesprächsrunde mit Rückblick auf den Salon.

Leichter eintakten ließen sich die diversen Ausstellungen, vor allem, weil viele sehr nah beieinander lagen. Wenn man beispielsweise den Weg ins Kunstmuseum fand, wurde man mit gleich zwei famosen Ausstellungen belohnt: „Will Eisner - Graphic Novel Godfather“ und „Catherine Meurisse. L'Humor au sérieux“.

Blick in die Catherine-Meurisse-Ausstellung.

© Lars von Törne

Jede Menge Eisner-Originale hingen dort, inklusive alter „Spirit“-Seiten aus den 40er Jahren, die nicht nur zeichnerisch, sondern auch typografisch ein Hochgenuss sind - denn der Meister zeichnete fast alle Schriftzüge (und das Lettering sowieso) von Hand.

Auch die Seiten der ehemaligen „Charlie-Hebdo“-Zeichnerin Meurisse, die den Anschlag auf die Redaktion der Satire-Zeitschrift damals nur durch Zufall überlebte, waren in all ihrer Vielfältigkeit von bissigen Presse-Karikaturen bis zu grandiosen Natur-Illustrationen ein Augenschmaus. Klassik und Moderne, alles unter einem Dach: Typisch Comic-Salon.

Einer von mehreren Räumen der Will-Eisner-Ausstellung im Kunstmuseum Erlangen.

© Lars von Törne

Afrika sollte bereits beim letzten, Corona-bedingt abgesagten Salon ein Schwerpunkt sein, der nun nachgeholt wurde. In „Populäre Bilder“ konnte man beeindruckende zeitgenössische Arbeiten von Zeichner:innen aus dem Kongo bewundern.

Santa Kakese war eine der Comiczeichner:innen, die aus der Republik Kongo nach Erlangen gereist waren.

© Lars von Törne

Die kleinere und weniger beachtete Ausstellung „Kubuni. Comics aus Afrika“ des Institut français präsentierte zwar leider keine Originalseiten, aber verschaffte den Besucher:innen anhand von Reproduktionen einen sehr erhellenden Überblick über afrikanische Comics vom Ersten Weltkrieg bis zu heutigen Vertretern wie dem senegalesisch-französischen Zeichner Juni Ba, der aktuell mit grandiosen Serien wie „Monkey Meat“ den amerikanischen Comicmarkt erobert. Hier konnte man in kompakter Form viel über den afrikanischen Comic-Kontinent lernen, frei von der sonst immer noch viel zu üblichen kolonialen Sichtweise.

Auch die Mawil-Werkschau, die ich dummerweise in Berlin verpasst hatte, fand ihren Weg nach Erlangen - genau dafür gibt's ja den Comic-Salon! Sie zeigte, wie liebevoll und detailliert eine Comic-Ausstellung gestaltet sein kann. Von Kinderzeichnungen bis zu Mawils großen Würfen „Kinderland“ und „Lucky Luke sattelt um“ war hier alles vertreten anhand von Skizzen, Kladden, Originalseiten, nachvollziehbar in schicke Cluster geordnet nach Entstehungszeit und Sinnzusammenhängen. Vorbildlich!

Der Eingang zur Gung-Ho-Ausstellung.

© Lars von Törne

Weitere Ausstellungen luden ein zum Entdecken feministischer Zeichnerinnen aus aller Welt, zu einem Überblick über das Programm des Berliner Jaja-Verlags und zum Bestaunen der postapokalyptischen Welten aus „Gung Ho“. Und vieles mehr. Unmöglich, alles zu sehen - aber für die genannten Ausstellungen reichte meine Zeit zwischen den Signierstunden glücklicherweise aus.

Jede Menge Preise

Beim Comic-Salon Erlangen kann man jeden Abend eine Preisverleihung besuchen, wenn man will. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich war bei keiner.

Am Donnerstagabend gab es die ICOM-Preise des Interessenverbands Comic; am Freitag wurden mit den Max und Moritz-Preisen die wichtigsten Preise der deutschsprachigen Comicszene und offiziellen Trophäen des Salons verliehen; und am Samstag fand die GINCO-Preisverleihung der Comic Solidarity statt, die besonderes Augenmerk auf Integration, Diversität und Nachwuchsförderung legt.

Hella von Sinnen war auf dem Salon vielfach präsent, hier beim Comictalk.

© Lars von Törne

Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu Preisen. Mir ist die öffentliche Wirkung bewusst, der Anlass, den Preisvergaben den Medien bieten, über Comics zu berichten. Aber selbst zum Besuch der Max und Moritz-Preisverleihung konnte mich noch nie jemand überreden. Das liegt nicht etwa an der Moderatorin - jeder weiß, dass ich, seit sie mir 1989/90 mit der RTL-Show „Alles nichts oder?!“ durch meine pubertären Samstagabende half, ein großer Fan von Hella von Sinnen bin. Es liegt vielmehr an folgenden Gründen:

Als Mensch fehlt mir das kompetitive Gen. Mir ist das gesellschaftliche Konzept fremd, aus allem einen Wettbewerb machen zu müssen. Mir war eine entspannte Alfred Biolek-Kochsendung immer lieber als eine, bei der mit größtmöglichem Krawall um die Wette gekocht wird.

Als Konsument habe ich eine sehr genaue Vorstellung davon, was mir gefällt, weswegen ich keine Jury brauche, die mir vorkaut, was ich kaufen soll.

Und als Zeichner schließlich produziere ich die Art deftiger Genre-Comics, die sowieso nie Preise gewinnt, und bin zu stur, auch nur einen Schritt auf die Preis- und Stipendien-Jurys dieser Republik zuzugehen.

Ich kenne einige Zeichner:innen, die jahrelang auf einen Preis hoffen, aber ihn nicht bekommen. Das mag man ungerecht finden, man mag dagegen anstinken, aber es ist oft einfach nicht zu ändern. Für die emotionale Hygiene ist es daher von Vorteil für Comicschaffende, von dem ganzen Preis-Rummel ein bisschen Abstand zu halten.

Vor vielen Jahren bereits, als meine Gringo-Kollegen noch zur Max-und-Moritz-Preisverleihung gingen, saß ich bereits mit meiner Frau vor der Lades-Halle entspannt auf der Bierbank und nippte an einem Radler. Über die Jahre wurden es dann immer mehr Gringos, die da mit uns saßen. Und seit einigen Salons gehen wir in kompletter Besetzung in den Biergarten, während sich der Rest der Comicszene schwitzend, verdurstend und fremde Aerosole einatmend im Markgrafentheater stapelt. Was mich zum finalen Aspekt des Comic-Salons bringt, dem...

Feiern

Der Comic-Salon Erlangen ist und bleibt das Schullandheim der Comicszene. Über die Zeit sind mir viele Comicschaffende, insbesondere natürlich aus dem Gringo-Umfeld, sehr ans Herz gewachsen, und die meisten sehe ich nur einmal alle zwei Jahre: in Erlangen. Wenn es diese zweijährlichen Treffen nicht gäbe, man müsste sie erfinden. Dementsprechend groß ist die Freude, dementsprechend ausgelassen die Stimmung, wenn wir abends zusammen essen und feiern gehen.

Ein echter Sobottke: Detail einer signierten Zeichnung unseres Autors in seinem neuen Buch.

© Lars von Törne

Schon während der diesmal wetterbedingt besonders schweißtreibenden Signierstunden freut man sich auf das gemeinsame abendliche Essengehen. Was, wenn man nicht vorsorgt, gar nicht so einfach ist. Denn die komplette deutschsprachige Comicszene fällt abends in die kleinen fränkischen Wirtschaften ein, da ist der Platz, insbesondere im Außenbereich, begrenzt und nicht wenige gucken in die Röhre.

[Unser Autor Bela Sobottke ist Grafiker und Comiczeichner und lebt in Berlin. Er veröffentlicht deftige Genre-Comics, wie den jetzt erschienenen Band „Knüppeldick“.]

Zum Glück haben wir Gringos einen entscheidenden Vorteil: Nämlich meine Frau, die schon vor Jahren netterweise das Abend-Management für uns übernommen hat und vorab in den leckersten Lokalen der Stadt reserviert. Manch anderer Verlag hat so einen Service nicht zur Hand - aber wir haben ja ein Herz und so haben wir dieses Jahr die schottenrockbewährten Rockabillys vom Dantes-Verlag fürs abendliche Essengehen adoptiert.

Nach dem Essen trinkt man in gemütlicher, fachsimpelnder Runde noch ein paar und muss dann überlegen, ob man zu einer der Comic-Partys weiterzieht. Denn die größte Kunst des Salonlebens besteht darin, abends das Beisammensein und die Biere zu genießen, aber am kommenden Tag trotzdem fit genug für die nächste Signierstunde zu sein. Vor vielen Jahren gelang mir das eher mangelhaft und es ist ein Privileg des Älterwerdens, dass ich diesen Spagat heute ohne große Reibungsverluste hinbekomme.

Nach dem Feiern folgt eine kurze Nacht und dann der nächste Messetag. Ihr könnt nun also nochmal oben beim Kapitel „Messe“ weiterlesen. Oder vollzieht gedanklich mit mir die Heimfahrt im Zug und ruht euch wie ich zwei Jahre lang aus. Bis es dann wieder heißt: Erlangen, wir kommen!

Bela Sobottke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false