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Ein Strip aus „Dinosaurier-Therapie“.

© „Dinosaurier-Therapie“ / Eichborn

Neue Comics zum Thema Depression: „Da ist was faul in meinem Kopf“

Zwischen Selbsterfahrungsberichten und Dinosaurier-Therapie: Comicschaffende finden Bilder für Seelenzustände, die sich schwer in Worte fassen lassen.

In den Jahren der Pandemie und Isolation waren mehr Menschen mit dem eigenen Innenleben konfrontiert. Die zwangsläufige Einsamkeit führte in vielen Fällen dazu, dass Depressionen, die bisher vom Alltagsrauschen übertönt wurden, plötzlich bemerkt wurden. Das ist in den vergangenen Jahren in Ratgebern, Erfahrungsberichten wie dem Buch „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: Meine Depression“ von Kurt Krömer verarbeitet worden – und auch in manchen Comics.

Die bieten die Möglichkeit, Dinge visuell zu vermitteln, die nicht oder schwer bloß in Worte zu fassen sind. Die britische Zeichnerin Debbie Tung hat so einen Comic gemacht. In ihrem Buch „Everything is OK“ (Simon & Shuster, 208 S., ca. 13 €, noch nicht auf Deutsch) gibt es eine Seite, die ihre weibliche Hauptfigur vor komplett schwarzem Hintergrund zeigt. „Es ist okay, manchmal zu weinen“, steht da. „Das heißt nicht, dass du nicht klarkommst. Das heißt nicht, dass du scheiterst.“

Eine Doppelseite aus „Everything is OK“.
Eine Doppelseite aus „Everything is OK“.

© Simon & Shuster

Der schwarze Hintergrund, Tungs immer kleiner werdende Figur davor, konterkariert die Sinnhaftigkeit solcher Sinnsprüche. Mehr als mit allen Worten vermittelt Tung bildhaft das Gefühl einer Depression, die sich, das ist ja ihr Wesen, gegen alle Vernunft wehrt.

Bereits in ihrem Buch „Quiet Girl“ (Deutsch bei Loewe, übersetzt von Katharina Hartwell, 184 S., 15 €) hat sich die in Birmingham lebende Zeichnerin mit dem auseinandergesetzt, was andere und manchmal sie selbst als als Defizite empfinden: ihre Introvertiertheit, ihre soziale Zurückgezogenheit, und die sich zwangsläufig daraus ergebenden Konflikte mit Studium und Berufswelt.

„Everything is OK“ geht einen Schritt weiter. In ihren besten Momenten sind die kleinen Strips die radikale Darstellung jenes Teils des Seelenlebens, der sich nicht in Worte fassen lässt.

Satzschlangen, die sich um Strichmännchen ringeln

Ganz ähnlich Dominik Wendland. Der in München lebende Zeichner war vor einigen Jahren mit seinem großartigen Comic „Tüti“ aufgefallen, und wer psychologisieren wollte, konnte schon damals in der Geschichte von der vom Wind getriebenen einsamen Einkaufstüte ein Sinnbild für Leere und Depression sehen, abgemildert durch eine lyrisch-komische Erzählweise.

Eine Doppelseite aus Dominik Wendlands „Antidepri Tagebuch“.
Eine Doppelseite aus Dominik Wendlands „Antidepri Tagebuch“.

© Jaja

Sein kaum postkartengroßes „Antidepri Tagebuch“ (Jaja, 80 S., 10 Euro) schildert den Beginn der medikamentösen Therapie des Autors im Frühjahr 2022 in, aus Mangel eines besseren Begriffs, Wortbildern.

In mitunter nur mit Mühe folgbaren Satzschlangen, die sich um Strichmännchen ringeln, deren Symbolik (immer wieder: Gefangenschaft in Kästchen, extreme körperliche Zerrung) erkennbar die Qualen des Prozesses darstellt, den die Ärzte Einstellung nennen: der Beginn der Einnahme von Antidepressiva. Wendland fast das kürzer zusammen, an Tag 40: „Fuck“. Man will sagen: Isso.

Anklänge an Charles Schulz’ „Peanuts“

Neben all dem manchmal schwer verarbeitbaren „Isso“ von Tung und Wendland fällt „Dinosaurier-Therapie“ des Briten James Stewart und K. Roméy aus Kanada (Übersetzt von Zoë Beck, Eichborn, 144 S., 14 €) schon deshalb auf, weil es in Farbe ist.

Ein Strip aus „Dinosaurier-Therapie“.
Ein Strip aus „Dinosaurier-Therapie“.

© Eichborn

Der Band sammelt diverse Webcomics, die ab 2020 erschienen sind und die typische Depressionsdialoge in die Münder von Dinosauriern legen. Das Ziel ist natürlich Komik, die, so paradox es klingt, zur Erkrankung dazugehört. Oder, wie einer der Dinos sagt, „lähmende Depression, die ich mit schlechten Witzen überspiele“.

„Dinosaurier-Therapie“ verortet sich mit seinen aufgeräumten Zeichnungen, den kurzen Dialogen und den immer wieder vorkommenden Therapiegesprächen irgendwo in der Nähe von Charles Schulz’ „Peanuts“, vor allem der Arzt-Patient-Gespräche zwischen Charlie Brown und Lucy. Was ja nicht die schlechteste Adresse ist.

Die Titelbilder der drei hier besprochenen Bücher.
Die Titelbilder der drei hier besprochenen Bücher.

© Eichborn, Jaja, Simon & Shuster

Wo Schulz die eigene Depression freilich nie ansprach, bringen die Dinos deren Gefühl auf den Punkt: „Da ist was faul in meinem Kopf.“ Mit seinem manchmal galligen, aber nie kapitulativen Humor ist es ein hilfreiches Buch, gerade für Betroffene.

Offenlegung: Der Autor ist seit 2018 wegen Depression in Therapie.

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