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Weltraumrückkehrerin Blake (Nora Arnezeder, li.) und Narvik (Sarah-Sofie Boussnina) werden von Banden gejagt.

© Constantin

Endezeitdrama "Tides" im Kino: Das letzte Gefecht im Wattenmeer

Tim Fehlbaums zweiter Film "Tides" ist ambitionierte deutsche Science Fiction. Ein Wunder, dass Hollywood bisher noch nicht zugeschlagen hat.

Vor zehn Jahren zeigte der Münchner Absolvent Tim Fehlbaum mit seinem Endzeit-Thriller „Hell“, dass man mit einem bescheidenen Budget auch deutsches Genrekino machen kann. Statt auf teure Digitaleffekte setzte der Schweizer auf ein stimmiges Setting, atmosphärische Dichte und ein hochkarätiges Ensemble, das sich von Hannah Herzsprung über Lars Eidinger bis zu Angelika Winkler beherzt durch die Postapokalypse kämpfte.

Eigentlich war man sich sicher, dass Hollywood den Nachwuchsregisseur sofort wegcasten würden. Aber obwohl mit Roland Emmerich als Executive Producer ein prominenter Mentor an Bord war, blieb der internationale Erfolg aus. Und auch in Deutschland sollte es zehn Jahre dauern, bis Fehlbaum seine zweite, diesmal englischsprachige Regiearbeit präsentieren kann.

Erneut bringt er eine dystopische Vision auf die Leinwand. War es in „Hell“ die unerbittliche Sonne, die die Erde unbewohnbar macht, bestimmt „Tides“ das Element Wasser. Vor Klimakatastrophen, Unwetter und Sturmfluten haben sich die Eliten auf den Planeten Kepler 209 geflüchtet und das globale Prekariat seinem Schicksal überlassen. Die neue Welt bietet jedoch keine nachhaltige Perspektive, weil die Strahlung die Menschen unfruchtbar macht. Und so wird nun schon der zweite Spähtrupp zurück zur Erde geschickt, nachdem die erste Mission verschollen ging.

Aber auch von „Ulysses 2“ überlebt nur eine Besatzungsmitglied die Bruchlandung auf hoher See. Die charismatische Nora Arnezeder spielt die Astronautin Blake erkennbar als Wiedergängerin pragmatischer Genre-Einzelkämpferinnen wie Sigourney Weaver in den „Alien“-Filmen oder Linda Hamilton in „Terminator“.

Rückkehr zur Zivilisation

Als das Meer zurückgeht und die Kapsel an Land gespült wird, findet sich Blake in einer endlosen Schlicklandschaft wieder. Das ostfriesische Wattenmeer hat schon lange auf seinen Einsatz als apokalytische Kulisse gewartet und liefert hier die grandiose Kinobilder existenzieller Verlorenheit. Aber schon bald gerät Blake in Gefangenschaft. Die Gestalten, die sich aus dem hereinbrechenden Nebel lösen, gehören zu einer Gruppe von Überlebenden, die sich auf Flößen lebend den Gegebenheiten in den Überschwemmungsgebieten angepasst haben. Auf außerirdische Rückkehrwillige sind die Einheimischen nicht gut zu sprechen.

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Ein paar sportliche Handlungssprünge später gelangt Blake in einen Hafen mit gewaltigen Schiffswracks, den die Pioniere der ersten Mission zum Fort ausgebaut haben. Gibson (Iain Glen) trifft hier die Vorbereitungen für eine Rückkehr zur Zivilisation, wozu auch die Entführung von Mädchen zu Reproduktionszwecken gehört. „Für die Gemeinschaft“ lautet schließlich das Mantra auf Kepler 209, wo die individuellen Bedürfnisse der Arterhaltung untergeordnet sind.

Die Genrezutaten, die Fehlbaum und seine Co-Autorin Mariko Minoguchi („Mein Ende. Dein Anfang“) verwenden, sind eher bewährt als innovativ. Dennoch entsteht der in sich stimmige Entwurf einer einer Untergangsvision, in der Kolonialismus und Adaption als grundverschiedene Überlebensstrategien gegeneinander antreten. Sieht man von ein paar Erklär-Monologen ab, erzählt sich „Tides“ weniger über Worte, als über die Präsenz der Figuren und ein bezwingendes atmosphärisches Konzept.

Geradezu haptisch ist diese Welt nach der Katastrophe mit farbentsättigten Bildern und einem dauerdurchnässten Setting visualisiert, dessen Klammheit in den Bildern spürbar wird. Nahtlos verschwimmen die Aufnahmen von ein paar Drehtagen im Wattenmeer mit dem Material aus den Pools in den Bavaria-Studios. Ein Film, der mit handwerklicher Ambition sichtbar für die große Leinwand geschaffen wurde. (In sieben Berliner Kinos)

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